Bergbau in der Tiefsee könnte schon bald Realität werden. Derzeit werden von der Internationalen Meeresbodenbehörde die Regularien, nach denen der Abbau laufen soll, erarbeitet. Dazu fand jetzt im belgischen und deutschen Manganknollen-Lizenzgebiet ein industrieller Abbauversuch statt, der von dem europäischen Forschungsprojekt "MiningImpact" überwacht und beprobt wurde.
Manganknollen wachsen weitab von Kontinenten, in denen pro Jahr nur ein paar Mikrometer feinsten Sediments auf den Meeresboden rieseln. In diesem Schlamm liegen die Manganknollen wie Kartoffeln auf dem Acker. Jede von ihnen ist Millionen Jahre alt, und in ihnen stecken neben Mangan und Eisen Metalle, die unter anderem für Halbleiterproduktion gebraucht werden, für die von Elektroautos oder Anlagen zur Gewinnung Erneuerbarer Energie. Darum ist das Interesse der Industrie an dieser Rohstoffquelle ist groß. Die Frage ist, ob sie sich umweltverträglich gewinnen lassen.
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus 29 Instituten beobachteten die "Ernteversuche" mit einem Prototyp eines industriellen Kollektors, der von einem anderen Schiff aus eingesetzt wurde. Ihre Aufgabe sei es, die Tests wissenschaftlich zu begleiten und ein Umwelt Monitoring durchzuführen, sagte die Fahrtleiterin Annemiek Vink von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Getestet wurde ein Kollektor namens Patania II, der von einem belgischen Unternehmen Global Sea Mineral Resources entwickelt und gebaut wurde. Das Gerät "erntete" bis in 4.500 Metern Wassertiefe Manganknollen am Meeresboden, und zwar im belgischen und im deutschen Lizenzgebiet jeweils auf einem Feld, das so groß ist wie etwa vier Fußballfelder. Getestet wurde das Aufnahmesystem von Patania II.
Der Kollektor arbeitete, wie er sollte, doch beim letzten Einsatz im belgischen Gebiet hat sich das Steuerungskabel vom Gerät gelöst, und es konnte dann nur mit Hilfe von Tauchrobotern und Tiefseewinden wieder geborgen werden, berichtet Dlf-Reporterin Dagmar Röhrlich.
Der Kollektor spritzt einen Wasserstrahl auf die Knollen, die dadurch hochgetrieben und dann mit Unterdruck zusammen mit Sediment in das Gerät gesaugt werden. Das Sediment-Knollen-Gemisch passiert den Kollektor und das Sediment wird hinten wieder herausgepustet. Das alles passiert unten am Meeresboden. Wenn tatsächlich in Zukunft einmal dort abgebaut würde, dann würden die Knollen über ein Röhrensystem an die Oberfläche geschafft, so aber wurden sie gleich am Rand des Versuchsfelds am Meeresboden wieder abgelegt. Das Besondere an diesem Versuch war, dass er der erste Test war mit einem Gerät, das industriell eingesetzt werden soll, damit sind die Auswirkungen auch realitätsnah, so die Forscher.
Zu den wichtigsten Fragen gehört die nach den Sedimentwolken, die aufgewirbelt werden. Damit sich der Tiefseebergbau lohnt, müssen riesige Areale ausgebeutet werden – und dabei fallen dann auch entsprechend gewaltige Mengen an Schlamm an, die dann über Jahre in der Wassersäule bleiben und – so die Befürchtungen – über Hunderte Kilometer durch die Ozeanbecken verdriftet werden können. In diesem Versuch setzten die Forscher deshalb Sensoren am Meeresboden ab, die beispielsweise die Bodenströmung und die Trübung des Wassers gemessen haben. Bereits die ersten Ergebnisse überraschten, wie Fahrleiterin Annemarie Vink erläutert:
"Was für uns eine Überraschung war, ist, dass die Wolke sehr, sehr nahe am Meeresboden bleibt. Also sie verbreitet sich nicht so weit nach oben in der Wassersäule. Sie liegt quasi wie eine Decke, könnte man sagen, so etwa 5, 6 Meter oberhalb des Meeresbodens."
Das liegt wahrscheinlich daran, dass der Sedimentstrom wegen seiner hohen Dichte am Meeresboden bleibt. Dafür dehnt er sich lateral weit aus – drei, vier Kilometer und dann über das Messareal hinaus.
Das werden die weiteren Auswertungen im Labor zeigen. Es wird derzeit ein sehr breit angelegtes Programm abgearbeitet. Hinzu kommt der Vergleich mit den beiden Referenzgebieten. Die Test- und Referenzgebiete werden jetzt in den kommenden Jahren immer wieder untersucht werden. Allerdings zeigen frühere wissenschaftliche Abbautest auf Manganknollen, dass die Gebiete sich vollkommen und dauerhaft verändern.
1989 hatte ein deutsches Konsortium vor der Küste Perus den Manganknollenabbau mit einer Art Pflug simuliert. Alle Tiere, die auf die festen Manganknollen als Lebensraum angewiesen waren, sind verschwunden. Doch auch die Lebensgemeinschaften im Schlamm haben sich noch nicht erholt, und die Narben am Meeresboden erscheinen frisch. In den küstenfernen Gebieten dauert es rund 2.000 Jahre, ehe sich ein Zentimeter Sediment angesammelt hat.
Zurzeit arbeitet die Internationale Meeresbodenbehörde am sogenannten Mining Code, der den rechtlichen Rahmen für einen zukünftigen Tiefseebergbau bilden wird. Voraussichtlich im nächsten Jahr wird er verabschiedet werden. Bestandteil dieses völkerrechtlichen Übereinkommens sind Vorschriften zum Umweltmonitoring und die Festlegung von Umweltstandards für die Tiefsee.
Daten, die auf dieser Ausfahrt gewonnen worden sind, werden in die Festlegung der Standards einfließen. Allerdings weiß man bislang sehr wenig über die Folgen des Tiefseebergbaus – und die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) ist schon weit in ihren Arbeiten fortgeschritten.
Entsprechend des Vertrags zwischen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und der ISA darf Deutschland 15 Jahre lang auf einem Meeresareal von 75.000 Quadratkilometer Größe den Bestand der metallreichen Manganknollen und die Umweltbedingungen untersuchen.