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Mangold: Zypern kann auf Unterstützung Russlands zählen

Russland ist verärgert, dass es von der Europäischen Union bei der Zypern-Rettung nicht frühzeitig miteinbezogen wurde. Wirtschaftsberater Klaus Jürgen Mangold hat dafür Verständnis und glaubt, dass Russland seinen wichtigen Handelspartner mit einer zusätzlichen Kreditlinie unterstützen werde.

Klaus Jürgen Mangold im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Jasper Barenberg: Die Banken auf Zypern bleiben vorerst geschlossen. Die Unsicherheit über die Zukunft des Landes wächst. Kein einziger Abgeordneter im Parlament von Nikosia hatte ja die Hand für den Rettungsplan gehoben. Seitdem sucht auch Präsident Anastasiades nach dem Plan B.

    Über einen Weg aus der Sackgasse wird natürlich auch im politischen Berlin viel diskutiert dieser Tage. Befeuert wird die Debatte aber noch immer von der Frage, wer eigentlich die Verantwortung trägt für die ganze Misere.

    Das Vertrauen ist verspielt, oder jedenfalls ein Teil davon, durch die Zypern-Krise. Wie kann es wieder hergestellt werden? Das weiß in Berlin niemand so genau bisher und das hängt sicherlich auch vom weiteren Vorgehen auf Zypern selber ab, von den Plänen für einen neuen Rettungsplan. Darüber wird natürlich auch in Brüssel nachgedacht.

    Eine wichtige Rolle in dem ganzen Streit um das Hilfspaket spielt seit einigen Tagen Russland. Das Land ist mit dem Finanzsektors Zyperns eng verflochten. Viele russische Unternehmen, selbst staatliche, wickeln einen Teil ihrer Geschäfte über Zypern ab. Mancher hat dort sehr, sehr viel Geld geparkt. Mit dem Krisenmanagement der Verantwortlichen in Brüssel ist der Kreml alles andere als zufrieden. Das bekommt heute auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zu spüren, der mit einer großen Delegation heute in Moskau zu Gast ist.

    Am Telefon begrüße ich Klaus Jürgen Mangold, den Wirtschaftsberater und langjährigen Vorsitzenden des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft. Schönen guten Tag, Herr Mangold.

    Klaus Jürgen Mangold: Ja, guten Tag.

    Barenberg: Herr Mangold, können Sie die Verärgerung in Moskau nachvollziehen, von der wir gerade gehört haben?

    Mangold: Also ich kann natürlich manches an diesen harten Worten nicht nachvollziehen. Aber in der Sache, glaube ich, muss man ein Verständnis haben für die russische Position – vor allem deshalb, weil Russland ja nicht frühzeitig eigentlich in diese ganzen Konsultationen so einbezogen worden ist, dass sie aktiv hätten mitwirken können.

    Barenberg: Das räumen ja die Verantwortlichen in Brüssel auch ein, man habe Russland nicht einbezogen und auch nicht vorab informiert über das Hilfspaket, was man mit Blick auf Zypern am Wochenende geschnürt hat. Warum ist Kritik daran berechtigt? Schließlich ist das ein Club, die EU-Mitglieder, die sorgen sich um die Zukunft von Zypern, und da hat Russland doch eigentlich nichts mit zu tun.

    Mangold: Ja Russland hat schon was damit zu tun, weil ja Russland und Zypern eine ganz enge Verbindung haben. Die kommt daher: Das hat weniger was mit Geldwäsche zu tun, sondern einfach daher, dass es ein Doppelbesteuerungsabkommen gibt zwischen Russland und Zypern, das für die russischen Unternehmen große Privilegien hat, wenn es um die Ausschüttung von Gewinnen geht. Und deshalb landet ja sehr viel Geld aus Russland zunächst einmal in Zypern, bevor es dann wieder reinvestiert wird in Russland. Deshalb tauchen auch, Herr Barenberg, in allen russischen Auslandsstatistiken die zyprischen Investitionen vor den deutschen, vor den französischen und amerikanischen auf, weil damit natürlich das Geld, das zunächst mal in Russland verdient worden ist, wieder in Zypern gelandet ist, aber dann zurückfließt. Das hat eine ganz klare rechtliche Grundlage.

    Barenberg: Und wie bedeutend ist damit der Finanzplatz Zypern, der Finanzplatz Nikosia für die russische Wirtschaft?

    Mangold: Er ist enorm wichtig und es gibt keine große russische Firma, die dort nicht irgendwo eine Gesellschaft hätte, in der dann diese Dividenden zunächst mal landen. Übrigens ist das ja nicht nur ein russisch-zypriotisches Problem, sondern es gibt ja auch viele Unternehmen aus Westeuropa, die in dem EU-Mitgliedsland Zypern eine ähnliche Plattform haben für die Wiederanlage von Geldern. Zypern hat einen unschlagbar günstigen Standort für eine steueroptimierte Behandlung von Erträgen, und das hätte man viel früher aufgreifen müssen im Rahmen der EU. Und jetzt kommt man und sagt, es ist alles jetzt eine Minute vor zwölf oder zwei Minuten nach zwölf und jetzt wollen wir das dramatisch schnell ändern. So einfach wird es nicht sein – auch deshalb, weil das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Russland und Zypern noch insgesamt acht Jahre läuft.

    Barenberg: Lassen Sie uns noch einen Augenblick darüber sprechen, was das für die russischen Unternehmen jetzt bedeutet, und lassen wir bei Seite den Aspekt Geldwäsche und Schwarzgeld für einen Augenblick. Russland muss sich entweder mit massiven Verlusten für seine Unternehmen abfinden, oder Zypern jetzt aus dem Staatssäckel, aus der Staatskasse Hilfe anbieten. Ist das das Dilemma, vor dem die russische Regierung jetzt steht?

    Mangold: Ja, und ich glaube, das Dilemma wird gelöst werden. Am Ende des Tages wird man mit einer zusätzlichen Kreditlinie Zypern zur Verfügung stehen, wahrscheinlich sogar in einer gesunden Mischung zwischen dem, was der Staat leistet, oder was auch russische Banken zu leisten bereit sind, denn Russland hat ja jetzt schon ein Darlehen an Zypern gegeben, an den Staat, mit etwa 2,5 Milliarden. Da gibt es ja bereits eine Erklärung, dass das verlängert werden soll. Und wenn das getan wird, dann schließe ich nicht aus, dass dann nochmals mehr als ein Schnaps obendrauf kommt und dass man damit Zypern in dieser schwierigen Situation, die ja Solidarität für alle eigentlich erfordert, nicht alleine lassen wird.

    Barenberg: Mit neuen Krediten ist Zypern ja derzeit weniger geholfen. Was Zypern braucht ist tatsächlich Cash, ist frisches Geld, um den Eigenbeitrag leisten zu können, der für das Kreditpaket erforderlich ist. Jetzt geht es in der Debatte und bei den Verhandlungen in Russland ja offenkundig auch beispielsweise um Rechte für die Erschließung von Gas- und Ölvorkommen vor der Küste Zyperns. Nun sagen manche Beobachter hier, es geht um Russlands Griff nach der Macht in Nikosia. Was sagen Sie zu solchen Einschätzungen?

    Mangold: Also ich glaube nicht, dass das ein Griff nach der Macht ist, und man muss ja unterscheiden. Der zypriotische Präsident war ja in Russland gewesen mit seinem Finanzminister. Dort hat man natürlich Angebote gemacht an Russland. Man hat zum Beispiel gesagt, wenn ihr uns helfen werdet in der Frage der Verlängerung unserer Kreditlinien und eines finanziellen Beistandes, dann werden wir euch vielleicht mit einer gewissen Präferenz berücksichtigen, wenn es dann darum geht, Lizenzen zu erteilen für die wahrscheinlich stark vorhandenen Vorkommen bei Öl und Gas. Das ist ein fairer Deal. Aber man darf natürlich diese Position nicht jetzt auf russischer Seite auch als eine Waffe einsetzen, um ein Land unter Druck zu setzen. Das hielte ich für nicht besonders klug und ich glaube, das wird es auch nicht geben. Aber man wird natürlich immer schauen, dass man, wenn man etwas gibt, eine Gegenleistung bekommt, und das, glaube ich, wird so sein.

    Barenberg: Was man allerdings aus Moskau hört ist ja auch ein wenig, dass die zyprische Seite Angebote auf den Tisch gelegt hat und der Kreml derzeit noch zögert, sich Zeit lässt und eine erste Verhandlungsrunde jedenfalls nichts gebracht hat. Ist da nicht doch ein bisschen Druck zu spüren und verfolgt Russland da jetzt nicht knallhart auch eigene Interessen?

    Mangold: Ich glaube, Russland wird sicherlich auch in diesem Fall eigene Interessen verfolgen. Aber es ist ja auch so, dass Zypern ja einen bedeutenden Beitrag von Russland verlangt, und deshalb wird das Russland nicht ohne Gegenleistung machen. Das werden wir auch so tun und deshalb sucht man auch, glaube ich, nach einer geschickten Balance, und ich bin sicher, dass man die vor dem Wochenende finden wird. Denn Russland hat natürlich kein Interesse daran, dass es zu einer absoluten schwierigen Situation kommt bei den zypriotischen Banken, denn das würde die russischen Unternehmen viel stärker treffen als viele anderen. Man weiß ja etwa, dass es etwa 40 bis 50 Milliarden sind, die dort deponiert sind, und da wäre ein Kapitalschnitt natürlich für die gesamte russische Wirtschaft empfindlich, auch für die Banken, und es hätte natürlich auch erhebliche Auswirkungen auf das Gefüge des Euro in Europa.

    Barenberg: Das heißt, Sie teilen auch die Sorge, die es zum Teil ja in Russland offenbar gibt, dass sich die ganze Krise durchaus auch als Bremse für das russische Wirtschaftswachstum erweisen könnte?

    Mangold: Ja, das will ich nicht ausschließen. Wenn es zu einem solchen Worst Case kommt und die russischen Banken und Unternehmen müssen in erheblichem Umfange Wertberichtigungen vornehmen, dann wäre das natürlich eine ganz deutliche Abschwächung des russischen Wachstums, da machen wir uns gar nichts vor, und das muss verhindert werden und da werden auch sicherlich die russischen entscheidenden Spieler in Politik und Banken und in der Wirtschaft einen Beitrag leisten.

    Barenberg: Der langjährige Vorsitzende des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft heute Mittag hier im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch, Klaus Jürgen Mangold.

    Mangold: Ich bedanke mich auch. Auf Wiederhören.

    Barenberg: Auf Wiederhören.


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