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Manichäismus
Apostel des Lichts

Wie entsteht eine Weltreligion und wie verschwindet sie? Das lässt sich am Beispiel des Manichäismus studieren. In der Antike hatte er Zigtausende Anhänger in Europa, Asien und Nordafrika. Ihr Begründer Mani sah sich als Nachfolger von Zarathustra, Buddha und Jesus. Das Christentum bekämpfte die Konkurrenz. Der vermutlich letzte Manichäer starb aber erst vor 100 Jahren.

Von Susanne Fritz |
    Gut und Böse, Licht und Finsternis stehen sich in Manis Lehre als zwei Urprinzipien gegenüber.
    Gut und Böse, Licht und Finsternis stehen sich in Manis Lehre als zwei Urprinzipien gegenüber. (Patrick Pleul / DPA)
    "In China in Quan Zuo hat man einen manichäischen Tempel entdeckt. Darin wurde ein Bild Manis noch weiterverehrt, allerdings als Buddha des Lichtes, denn der Manichäismus hatte ja die Eigenschaft, dass er sich auf verschiedene religiöse Systeme eingerichtet hat. Der letzte Manichäer ist also ein Chinese gewesen, und den mag es irgendwann Anfang des letzten Jahrhunderts noch gegeben haben."
    So Professor Siegfried Richter von der Arbeitsstelle für Manichäismus-Forschung an der Universität Münster. Der Perser Mani verbreitete seine Religion über die Seidenstraße bis tief nach Südostasien hinein. Und dort existierte dieser Glaube noch, als er im Westen schon lange Zeit ausgelöscht war. Mani, ein gebildeter Denker und Arzt hatte im dritten Jahrhundert nach Christus eine Vision.
    Das Reich des Guten, das Reich des Bösen
    In einem autobiographischen Bericht erzählt er, wie eines Tages der Heilige Geist zu ihm herabsteigt und ihn in die verborgenen Geheimnisse der Welt einweiht:
    "Er offenbarte mir das verborgene Mysterium, das verborgen ist in den Welten und Generationen. Er offenbarte mir das Mysterium des Lichts und der Finsternis, das Mysterium vom Krieg und vom großen Streit, den die Finsternis angestiftet hat. Danach offenbarte er mir weiter, wie das Licht die Finsternis überwunden hat und wie diese Welt errichtet wurde."
    Gut und Böse, Licht und Finsternis stehen sich in Manis Lehre als zwei Urprinzipien gegenüber. Eine Vorstellung, die Mani von den gnostischen religiösen Bewegungen seiner Zeit kennt. Doch Mani schmückt das Reich des Guten und des Böse besonders farbenfroh und detailliert aus. Das eine dunkel, finster und voller Abgründe. Das andere strahlend hell und vollkommen. Irgendwann wird die Finsternis in Manis Mythos neidisch auf das Licht. So schildern es antike christliche Theologen, die Manis Schriften gelesen haben:
    "Und als sie das Licht erblickten – ein wunderbarer, herrlicher Anblick, dem ihren weit überlegen – da gefiel es ihnen, und sie bestaunten es. Sie wurden fortgerissen von der Leidenschaft in ihnen und wollten sie es nun mit aller Macht bekämpfen, um es in ihre Gewalt zu bringen."
    Wie in einem Fantasy-Roman
    Wie in einem Fantasy-Roman beginnt ein langer Kampf zwischen Gut und Böse. In dessen Verlauf geraten Lichtteile in die Fänge finsterer Dämonen. Der gute Herrscher über das Lichtreich erschafft die Welt mit Sonne, Mond und Sterne. Sie sollen helfen, die Lichtteile aus der Finsternis wieder zu befreien. Im Gegenzug erzeugt der "König der Finsternis" den Menschen und sperrt in seinem Inneren geraubtes Licht ein. So ist der menschliche Körper bei Mani das Werk des Bösen. Nur sein Inneres, seine Seele, besteht aus göttlichem Licht, ist glänzend und rein. Siegfried Richter:
    "Im Menschen ist Licht vorhanden aus diesem Lichtland, und Aufgabe des Menschen ist es, dieses Licht herauszufiltern aus dieser finsteren bösen Substanz der Welt. Und wenn dann alles Licht im Lichtland zurück ist, bleibt dann am Ende nur noch so ein dunkler schwarzer Klumpen übrig. "
    Aber woher weiß der Mensch überhaupt, wie die Welt tatsächlich beschaffen ist? In gewissen zeitlichen Abständen kommen Lichtapostel auf die Welt und geben den Menschen die ihnen offenbarte Wahrheit über die Welt weiter. Und das sind Buddha, Zarathustra, Jesus und schließlich Mani. Mani sieht sich selber als endgültigen Propheten, der die Lehren seiner Vorgänger unverschlüsselt und unverfälscht zusammenfasst und vollendet.
    "Das Besondere am Manichäismus ist, dass es eine synkretistische Religion war, bewusst so angelegt, um verschiedene anderen Strömungen aufzunehmen."
    Tausende von Christen, Juden und Buddhisten folgen in der Antike Manis Lehre, denn sie entdecken darin vieles wieder, was sie aus ihrer eigenen Religion bereits kannten. Vor allem aber erklärt der Manichäismus wie keine andere Religion, was das Böse ist und wie es in die Welt kam und warum der Mensch manchmal ein Unbehagen in der Welt empfindet. Doch, wie schafft es der Mensch, seine Lage zu verbessern, also seine Lichtseele aus der bösen finsteren Welt zu befreien?
    "Das Ganze hat, wie es üblich war in der Spätantike, eine sehr starke asketische Ausrichtung, das heißt Enthaltsamkeit ist eine ganz wichtige Tugend. Man soll sich fernhalten von Begierden. Ein gutes Leben zu leben, könnte man allgemein, sagen, das heißt sich nicht an den finsteren Dingen der Welt schmutzig zu machen."
    Die Seelen werden wiedergeboren
    Sinnliche Genüsse sind für Manichäer tabu. Denn wenn der Körper ein Werk des Bösen ist, dann auch alles, was mit dem Körper zu tun hat. Doch eine derartig strenge Askese hält kaum ein Mensch durch. Deshalb unterscheidet Mani zwei Gruppen von Gläubigen: die normalen Gläubigen, die so genannten Katechumenen, und die erwählten Electi, die ein Leben wie buddhistische Mönche führen.
    "Bei den Electi war es in der Tat so, dass sie versuchten, durch verschiedene Praktiken Licht herauszufiltern aus der Welt. Die Lebensweise der Katechumenen ist nicht ganz konsequent, denn dadurch, dass sie Felder bestellen, verheiratet sind, Kinder haben, ist es so, dass sie das Licht festhalten hier auf der Welt. Es ist eine durchaus lebensfeindliche Religion."
    Nach dem Tod gelangt die Lichtseele der streng asketisch lebenden Electi direkt in das Reich des Lichtes. Die Seelen der normalen Gläubigen werden wiedergeboren. Sie müssen solange zurück in die finstere Welt, bis auch ihre Lichtseele irgendwann befreit ist.
    Was Augustinus dazu sagt
    Die junge christliche Kirche hält den Manichäismus für brandgefährlich und verfolgt ihn mit allen Mitteln. Es gibt viele polemische Schriften gegen die Manichäer. Darin verunglimpfen einflussreiche christliche Theologen sie als moralisch verkommen und bezeichnen die manichäische Religion als Irrlehre:
    "Ein Grund war, dass Mani selbst auftrat als Apostel Jesu Christi, im christlichen Umfeld zumindest, und dass er die Behauptung aufgestellt hat, dass er derjenige sei, der die wahrhaftige Überlieferung Jesu geben würde."
    Die christliche Kirche will den gefährlichen Konkurrenten um die Gunst der Gläubigen und die reine Lehre ausschalten. Kirchenvater Augustinus ist ein erbitterter Gegner der Manichäer, obwohl er als junger Mann selber viele Jahre vom Manichäismus fasziniert ist. In seinen späteren Schriften fordert er, die Manichäer zu verfolgen, und rechtfertigt sogar die Folter. Gleichzeitig missionieren die Manichäer weiter sehr erfolgreich und sehen sich als Vertreter einer neuen universalen Religion, die alle anderen ablöst. Doch dazu kommt es nicht:
    "Er hat es nie wirklich geschafft, sich mit der Macht zu verbünden, was ja die anderen großen Religionen getan haben. Es hat sehr viele Bücherverbrennungen gegeben und immer wieder Gesetze gegen die Manichäer. Es hat Abschwörungsformeln gegeben. Das war ein langer Prozess."
    Im Unterscheid zu den Manichäern gelingt es den Christen schließlich sich mit den Mächtigen zu verbünden. Der römische Kaiser Konstantin duldet die Christen nicht nur. Er sieht im vierten Jahrhundert in der christlichen Kirche ein zusätzliches Machtinstrument, seine Alleinherrschaft zu stützen. So wird es für die Kirche immer leichter, konkurrierende Religionen zu verbieten. Im fünften Jahrhundert ist der Manichäismus im Westen verschwunden. In China lebt er verborgen hinter den Mauern einiger buddhistischer Tempel weiterfort. Noch am Anfang des 20. Jahrhunderts hoffte der letzte Manichäer darauf, dass seine Seele bald ins Lichtreich zurückkehrt.