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Manifest für freie Rede
"Man muss die Perspektivvielfalt erhalten"

Meinungsdebatten werden vor allem in den sozialen Medien immer hitziger geführt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben nun ein Manifest für die freie Rede veröffentlicht. "Es wird ein unglaublicher moralischer Furor erzeugt", sagte die Migrationsforscherin Sandra Kostner im Dlf.

Sandra Kostner im Gespräch mit Jörg Biesler |
Eine Schülerin mit Kopftuch aus der Türkei meldet sich im Unterricht am 10.06.2013 in Oberhausen (Nordrhein-Westfalen)
Nach der "Kopftuchkonferenz" wurde die Entlassung der Professorin gefordert, weil sie Gegner und Befürworterinnen eingeladen hatte (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
Siebzig Wissenschaftlerrinnen und Wissenschaftler haben ein Manifest für die Meinungsfreiheit veröffentlicht.
"Die Freiheit wird eingeschränkt durch den Konformitätsdruck, der von einigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erzeugt wird", sagte Manifestunterzeichnerin und Migrationsforscherin Sandra Kostner im Dlf. Es seien vor allem jene Kolleginnen und Kollegen, "die eine ganz stark politisierte Form von Wissenschaft betreiben", meinte Kostner. Denn einige würden in der Forschung und Lehre die Mittel sehen, "um die Gesellschaft in Einklang mit ihrem Weltbild zu bringen."

Moralischer Druck statt Argumente

Diese Gruppe sei stärker geworden und erhalte auch "moralischen Rückenwind aus der Gesellschaft." Man versuche nicht mehr mit Argumenten, sondern mit moralischem Druck Debatten zu unterdrücken und die "Agenda von anderen Wissenschaftlern auseinanderzunehmen."
Ein prominentes Beispiel ist die sogenannte Kopftuchkonferenz. Damals waren Befürworterinnen und Gegner und Gegnerinnen des Kopftuchs eingeladen gewesen. Im Anschluss wurde die Entlassung der Professorin gefordert mit der Begründung, in dem Fall hätte man die kritischen Stimmen nicht einladen sollen.
"Kritik ist wichtig, aber man muss die Perspektivvielfalt erhalten" , sagte Kostner. "Ein erkenntnisoffenes Streben nach Wahrheit ist wichtig." Derzeit würde immer häufiger Kritik hinten herum geübt, nicht offen.

Respekt statt Diskreditierung

Auch wenn die Kritik an Formulierungen, an Argumenten richtig sei, sei die Art und Weise doch entscheidend, betonte Kostner. "Sich für Argumente zu rechtfertigen, sie zu überdenken, das wollen wir stärken." Sie beobachte inzwischen einen Dreiklang: "diskreditieren, sozial ausgrenzen und institutionell bestrafen." In Zukunft hofft Kostner, dass man sich mit Respekt begegnet, "Gesprächspartner nicht als Gegner sieht und jegliche Form persönlicher Diskreditierung raushält."