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Manipulation im US-Sport
"Tür für Korruption steht sperrangelweit offen"

Seit der Oberste Gerichtshof der USA vor ein paar Monaten Sportwetten landesweit freigab, entstehen in den Sportligen neue Begehrlichkeiten. Die Goldgräberstimmung überschattet die Probleme rund um Wettmanipulation und verschobene Spiele. 

Von Jürgen Kalwa |
    Anzeigetafel beim NBA-Spiel Washington Wizards gegen Toronto Raptors
    Wenn das Ergebnis lügt: Der Ausgang von Sportereignissen lässt sich manipulieren (AP/dpa)
    Es ist gar nicht so schwierig, sich auszumalen, wie man den Ausgang von Sportereignissen manipulieren kann. Man braucht nur eine Seite zu bestechen. Und die verliert anschließend exakt so wie gewünscht.
    Allein im Fußball - so schätzt die Schweizer Sportüberwachungsfirma Sportradar - werden international ein Prozent aller Begegnungen verschoben. Das System funktioniert - still und leise - solange nur eine Gruppe von Betrügern am Werk ist.
    Inzwischen aber kommen sich gelegentlich unterschiedliche kriminelle Syndikate gegenseitig in die Quere. So wie in jenem Fall, der in dieser Woche in Washington zur Sprache kam. Bei einer Informationsveranstaltung der Kommission für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Ein Beispiel aus dem internationalen Volleyball:
    "Zwei unterschiedliche Betrügergruppen hatten unabhängig voneinander gleich beide Mannschaften bestochen. Und so versuchten natürlich beide Teams, gleichzeitig möglichst viele Punkte und damit das Spiel wegzuschenken."
    Der Mann, der solche Anekdoten erzählen kann, nennt sich Marko Stanovic, ist auf dem Balkan zu Hause. Er saß nicht am Rednertisch, sondern war über Fernsprechanlage zugeschaltet. Deshalb die schlechte Tonqualität. Ein Zeuge der Anklage, die vom investigativen Journalisten Declan Hill, der Korruptionsexpertin Alexandra Wrage und dem Sportrechtler David Larkin vertreten wurde. Sie warnten die amerikanische Öffentlichkeit vor solchen Entwicklungen.
    50.000 Euro Schmiergeld für 15-jährige Fußballspielerinnen
    Der Kanadier Hill, seit neuestem auch Professor an der Universität von New Haven, thematisiert die Gefahren schon seit Langem. Wie hier in einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk:
    "Sie denken, sie sind auf magische Weise gewappnet, weil Amerikaner ehrlicher seien als Menschen in anderen Ländern. Im College-Sport gibt es Footballspiele mit 100.000 Zuschauern in den Stadien und Millionen von Fernsehzuschauern. Sie werden auf dem Computer gespielt. Der Typ, der auf den Rängen die Hot Dogs verkauft, verdient mehr als die Athleten. Nicht zu reden von den Trainern. Aus meiner Sicht steht die Tür für Korruption sperrangelweit offen. Offener geht gar nicht."
    Insbesondere wenn sich erst einmal jener Trend in Amerika festsetzt, der jüngst im belgischen Parlament in Brüssel zur Sprache kam. Dort wurde berichtet, wie 15-jährigen Fußballspielerinnen Schmiergelder von 50.000 Euro angeboten wurden, wenn sie Spiele absichtlich verlieren. Hill sieht ähnliche Gefahren für den populären Highschool-Sport in den USA. Ein Spielbetrieb mit mehr als einer Million Footballspielern an knapp 15.000 Schulen.
    Stattdessen dreht sich die öffentliche Debatte in den Vereinigten Staaten um einen ganz anderen Teil des Themas. Der Grund: Erst im März hatte der Oberste Gerichtshof Sportwetten auch außerhalb der Spielermetropolen des Bundesstaates Nevada erlaubt. Das langjährige Verbot hatte übrigens nicht verhindert, dass jedes Jahr amerikaweit - illegal - ein Wettumsatz von geschätzt 150 Milliarden Dollar entstand.
    Warnungen von Korruptionsexperten werden übertönt
    Hill warnte bei der Veranstaltung der sogenannten Helsinki-Kommission nachdrücklich:
    "Es wird Zeit, dass die Bundesregierung aufwacht und eine Agentur für die Integrität des kompletten Sports einrichtet. Wir müssen den amerikanischen Sport schützen. Und zwar so intensiv wie noch nie zuvor."
    Für die Top-Ligen, die sich lange Zeit gegen eine Freigabe von Sportwetten ausgesprochen hatten, änderte sich mit der Entscheidung des Obersten Gerichts die Haltung um 180 Grad. Nun wollen sie mitverdienen. Die NBA zum Beispiel fordert ein Prozent vom Gesamtumsatz. Die Logik: Die Liga habe eine Art Urheberrecht auf die Spiele, die die Mannschaften austragen. Commissioner Adam Silver sagte neulich gegenüber dem Wall Street Journal:
    "Es ist ein bisschen schräg, dass Bundesstaaten den Casinobetreibern im Gegenzug für die Erhebung einer Steuer die Rechte an deinem geistigen Eigentum überlassen. Zumal die Casinos sagen, sie wollen uns nichts bezahlen."
    Diese Diskussionen laufen schon seit ein paar Monaten. Und sie werden vermutlich auch die Warnungen der Korruptionsexperten bis auf weiteres komplett übertönen. Obwohl denen klar ist, dass sich die oberen Profiligen sehr gut vor den Wettbetrügern schützen können. Die Millionen von Amateursportlern jedoch ganz und gar nicht.