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Manipulierte Abgastests
"Betrifft wahrscheinlich nicht nur VW"

Ist Volkswagen nur die Spitze des Eisbergs? Axel Friedrich, früherer Abteilungsleiter im Umweltbundesamt, vermutet, dass auch andere Autobauer Abgastests manipuliert haben. Im DLF sagte er, die Hersteller hätten immer Druck gemacht, dass Kontrollen nicht so genau genommen wurden.

Axel Friedrich im Gespräch mit Bastian Brandau |
    Der Auspuff eines VW Tiguan TDI
    Für Fahrzeuge, die dreckig sind, gebe es keine Zukunft, sagt Axel Friedrich. (picture alliance / dpa / Karl-Josef Hildenbrand )
    Bastian Brandau: Gestern der Rücktritt; wie wird es weitergehen an der VW-Spitze? Wer wird die Scherben zusammenkehren, die der Manipulationsskandal hinterlassen hat.
    Am Mittag kam die Meldung, dass von Manipulationen auch Autos in Europa betroffen sind.
    Am Telefon verbunden bin ich nun mit Axel Friedrich. Er war früher Leiter der Verkehrsabteilung im Umweltbundesamt. Im Ruhestand hat er eine Nichtregierungsorganisation gegründet, den Internationalen Rat für sauberen Verkehr, und der war an der Aufdeckung des Abgasskandals bei Volkswagen beteiligt. Ich grüße Sie, Herr Friedrich.
    Axel Friedrich: Einen schönen guten Tag.
    Brandau: Herr Friedrich, Manipulationen an Autos auch in Europa. Überrascht Sie das?
    Friedrich: Nein! Ich bin überrascht, dass manche überrascht sind. Dieses Thema ist schon uralt, das ist kein neues Thema und auch nicht nur bei VW. Das ist ein Thema, mit dem ich mich schon seit 30 Jahren beschäftige.
    Brandau: Sie haben die Abgaswerte von Autos untersucht. Mit welchen Ergebnissen?
    "Die Notwendigkeit der Nachbesserung ist eindeutig gegeben"
    Friedrich: Na gut, wir haben auf der Straße deutlich erhöhte Werte, im Mittel um den Faktor sieben über dem Grenzwert, Dieselfahrzeuge, die einfach so dreckig sind, dass sie eigentlich nicht auf der Straße fahren dürften.
    Brandau: Und Sie glauben nicht, dass sich diese Manipulationen nur auf VW beschränken?
    Friedrich: Das betrifft wahrscheinlich nicht nur VW, sondern eine Reihe von Modellen von anderen Herstellern. Das wird in den nächsten Tagen noch sehr interessant werden.
    Brandau: Was wird denn passieren, wenn sich herausstellen sollte, dass generell manipuliert wurde?
    Friedrich: Ich glaube schon, dass bei manchen Leitern von Konzernen, die Dieselmotoren auf dem europäischen Markt anbieten, die Schweißperlen schon auf der Stirn stehen, denn das ist bekannt und unter allen Fachleuten wissen wir das, dass hier schon seit langem manipuliert wird, nicht nur bei Abgasen, auch bei CO2.
    Brandau: Und welche Konsequenzen müsste das haben?
    Friedrich: Die Konsequenz kann nur eine sein: Sie verlieren ihre ABE oder sie bessern die Fahrzeuge nach, damit sie die Werte, die sie eigentlich einhalten müssen, auch einhalten. Das ist die Vorschrift in Europa. Wir haben ja keine Geldstrafen wie in den USA. Hier heißt es, die Fahrzeuge müssen in Ordnung gebracht werden, sonst haben sie keine Zulassung.
    Brandau: Und sie verlieren die Zulassung. Das heißt, sie können nicht mehr verkauft werden?
    Friedrich: Nicht nur das, sondern auch die Fahrzeuge, die verkauft worden sind, hätten dann keine Zulassung mehr - zugegebenermaßen politisch schwer durchzuhalten, aber die Notwendigkeit der Nachbesserung ist eindeutig gegeben.
    Brandau: Der Verkehrsminister Alexander Dobrindt hat gestern noch gesagt, er habe überhaupt nichts von den Manipulationen gewusst, das Ganze aus der Zeitung erfahren. Ist das glaubwürdig?
    Friedrich: Wenn er sich sehr stark mit der Maut beschäftigt, kann das vielleicht vorkommen, aber normalerweise lassen sich die Minister von wichtigen Themen berichten und es gab im Sommer, spätestens dann eine kleine Anfrage der Grünen zu dem Thema, und das ist natürlich auch über das BMV federführend gelaufen. Es fällt schon schwer, dass man sich da nicht berichten lässt, welche Probleme vorhanden sind. Zumindest die Ebene der Staatssekretäre zeichnet normalerweise kleine Anfragen ab.
    Brandau: Sie haben ja selbst im Umweltbundesamt gearbeitet. Gab es da auch Druck vonseiten der Konzerne, dass man es mit den Kontrollen vielleicht nicht allzu genau nehmen sollte?
    Friedrich: Natürlich gab es immer Druck. Das ist ganz normal und das muss man auch aushalten als Beamter. Dafür hat man sich auch zu dieser Aufgabe entschieden. Aber die Frage ist natürlich, wie weit der Druck geht und wie weit man auch Personen dann versucht, aus ihren Positionen wegzuschieben in andere Bereiche, die zu nervig geworden sind. Das ist das normale Problem, mit dem man leben muss. Aber der entscheidende Punkt ist, dass die Behörden kein Geld haben, um entsprechende Untersuchungen durchzuführen. Ich habe vor langer Zeit schon mal den Vorschlag gemacht, 50 Cent pro Fahrzeug, die zugelassen werden, zu erheben. Dann hätte man zwei Millionen pro Jahr. Mit dem Etat könnte man sehr viele Fahrzeuge auch vernünftig überprüfen.
    "Wenn man die Fahrzeuge sauber macht, dann gibt es eine Zukunft"
    Brandau: Das heißt, den Behörden fehlt schlichtweg das Geld, um das richtig zu kontrollieren?
    Friedrich: Das ist die eine Problematik, dass sie keinen Etat, kein Geld haben. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch so, dass das KBA besonders unter der Aufsicht des BMVI steht. Das heißt, hier wäre auch die Anweisung zu geben, die jetzt gegeben worden ist, dass man alle Fahrzeuge nachprüft. Aber auch dafür brauche ich einen Etat, auch dafür hat das KBA heute keinen Etat. Das heißt, wir bräuchten eigentlich dringend Geld, hier entsprechende Titel einzurichten, damit ich regelmäßig die Fahrzeuge prüfen kann.
    Brandau: Es gibt aber weiterhin eine Zukunft für den Diesel in Europa. Wie sehen Sie das?
    Friedrich: Wenn man die Fahrzeuge sauber macht, was technisch machbar ist, dann gibt es eine Zukunft. Nur die Frage ist dann: Fahrzeuge, die dreckig sind, für die gibt es keine Zukunft, denn die hohen Werte von Stickstoff-Dioxid in unseren Städten werden zu 80 Prozent von Diesel-PKW erzeugt, und das kann nicht sein.
    Brandau: Es soll ja eine Verschärfung des Testzyklus für Abgaswerte und für Verbrauch 2017 geben. Haben Sie die Hoffnung, dass dann auch gemessen wird, was wirklich aus dem Auspuff kommt?
    Friedrich: Wir haben zwei verschiedene Dinge. Wir haben einmal die Einführung eines neuen Testzyklus auf den Daten, die in der Welt ermittelt wurden, zu tun. Und dann haben wir auch die Planung, Messungen im realen Leben, die Real Drive Emissions Tests zu machen, die Fahrzeuge da zu messen, wo sie auch normalerweise fahren. Aber leider haben wir keine Grenzwerte dafür bekommen bisher. Das heißt, wir bräuchten dringend eine Prüfung der Fahrzeuge im realen Straßenbetrieb, um dann zu sehen, ob sie die Werte einhalten. Mich interessieren Laborwerte schon lange nicht mehr, denn entscheidend ist das, was hinten rauskommt, wie mal ein Bundeskanzler sagte, und zwar nicht im Labor, sondern auf der Straße.
    Brandau: Gibt es da Bewegung, dass es da eine realistischere Lösung geben wird?
    Friedrich: Es gibt Bewegung, aber ich glaube, dieser Skandal wird diese Bewegung deutlich beschleunigen, denn bisher war geplant, frühestens ab 2019/2020 dies einzuführen. Ich glaube, so lange wird man nicht mehr warten.
    Brandau: Axel Friedrich war das live aus einem Zug, der kurz vor Hamburg steht, vom Internationalen Rat für sauberen Verkehr. Ich danke Ihnen, Herr Friedrich.
    Friedrich: Bitte schön! Einen schönen Tag.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.