Eine freie Autowerkstatt bei Freiburg. Hier wird nicht am Kilometerstand gedreht. Aber hier werden – wie in allen Werkstätten Deutschlands – Geräte verwendet, mit deren Hilfe Fehler in der Bordelektronik ausgelesen werden. Sie funktionieren im Prinzip genauso wie die Geräte der Tacho-Betrüger. Nur eben mit anderer Software.
KFZ-Mechaniker Thilo Steigert beugt sich in den Fußraum eines Cabrios und zeigt auf eine kleine Klappe. Dahinter: Der Anschluss für den sogenannten OBD-Stecker – den On-Board-Diagnose-Stecker, den Steigert in der Hand hält.
"Beim BMW ist es jetzt hier drin – steht auch drauf: OBD. Klappe wegmachen, Stecker einstecken, Zündung anmachen."
Tachomanipulationsgeräte gibt es ab 200 Euro
Jetzt übermittelt der Stecker per Funk die Daten aus der Bordelektronik an eine Art Mini-Computer. Auf dessen Bildschirm liest Thilo Steigert unter anderem Fehlermeldungen des Motors aus. Ein Tachobetrüger hingegen verwendet ein ähnliches Gerät – aber mit einer spezialisierten Software. Damit kann mit ein paar Klicks direkt den Kilometerstand zurückstellen.
"Und dann sagt er halt: Wir gehen auf null oder auf 50 000 Kilometer oder was weiß ich. Wird eine Affäre sein von zwei, drei Minuten."
Kinderleicht zu bedienen – und auch noch billig: Tachomanipulationsgeräte sind ab etwa 200 Euro im Internet zu haben.
"Weil Tachomanipulation noch nie so einfach war wie heute, war sie auch noch nie so verbreitet wie sie heute ist", sagt Lars Wagener, Geschäftsleiter des Automobil-Club Verkehr, kurz ACV. Bei jedem dritten Gebrauchtwagen, schätzt die Polizei, haben Betrüger den Kilometerstand verringert. Durchschnittlicher Schaden: geschätzt 3.000 Euro pro Fahrzeug – und insgesamt über sechs Milliarden Euro jedes Jahr.
Gefälschte Kilometerstände können gefährlich werden
Außerdem sind zurückgedrehte Kilometerstände gefährlich – weil der Käufer die Wartungsintervalle seines Wagens nicht korrekt einhalten kann. Johannes Boos vom ADAC:
"Da kann eine ganze Menge passieren. Ein Zahnriemen, den Sie nicht regelmäßig getauscht haben, kann reißen. Folge: Der Motor blockiert. Und stellen Sie sich das vor bei höheren Geschwindigkeiten auf der Autobahn, das führt dann zwangsweise zu einem Unfall."
Dennoch: Gesetze zur Verhinderung des Tachobetrugs gibt es bis heute nicht. Auch wenn Automobil-Clubs seit Jahren auf das Problem hinweisen. Niedersachsen hat sie jetzt erhört: Das Land will die übrigen Bundesländer bei der Verbraucherschutzminister-Konferenz Ende April für einen Vorstoß auf Bundesebene gewinnen. Einen entsprechenden Antrag hat der niedersächsische Verbraucherschutzminister Christian Meyer schon vorbereitet.
"Da fordern wir auf, dass der Bund rechtliche Maßnahmen prüft, die eben eine Verpflichtung der Autohersteller vorsehen, ihre Fahrzeuge besser vor Manipulationen zu schützen, ein Verbot des Handels mit solchen Manipulationsgeräten ausspricht und eine Carpass-Datenbank wie in Belgien macht, damit Tachomanipulation erschwert wird."
In einer solchen Datenbank würden regelmäßig die Kilometer-Stände jedes Fahrzeugs möglichst lückenlos eingetragen – bei Werkstatt- oder TÜV-Terminen etwa. Allerdings ist die Datenbank bei Experten nicht unumstritten – auch, weil sie Manipulationen zwischen den Werkstatt-Terminen nicht ausschließt.
Experte rät zu Gebrauchtwagencheck
Wer heute einen Gebrauchten kaufen will, dem rät AVC-Geschäftsleiter Lars Wagener zum klassischen Gebrauchtwagencheck in einer Werkstatt – und dazu, selbst genau hinzuschauen:
"Ein Auto, das verschlissene Pedale und Sitze hat und nur 30 000 km auf dem Tacho anzeigt – das ist schon ein deutlicher Hinweis, dass das nicht zusammenpassen kann."
Um das Betrugsrisiko möglichst klein zu halten, empfiehlt Johannes Boos vom ADAC, möglichst viele Begleit-Dokumente eines Gebrauchtwagens durchzuarbeiten.
"Als Autokäufer haben sie da eigentlich nur – nur in Anführungszeichen – die Möglichkeit, Reparaturberichte, TÜV-Berichte, Tankbelege oder Einträge im Inspektionsheft zu prüfen auf Plausibilität und zu gucken, ob ihnen ein Zahlendreher auffällt."
Einen hundertprozentigen Schutz vor Tacho-Betrug aber - darin sind sich Fachleute einig – gibt es für Gebrauchtwagenkäufer derzeit nicht.