Mann: "Gib mir irgendwas, aber keine Fanta!"
Barkeeper: "So schlimm?"
Mann: "Frag nicht... weißt du wir stehen vor der Wohnungstür und plötzlich sagt Juliette..."
Juliette: "Ich kann einfach nicht mehr mit einem Typen zusammen sein, der nicht mal weiß, wer er wirklich ist."
Mann: "Ich mein, wenn deine Freundin so was sagt, dann hat sie entweder ihre Regel oder sie meint es wirklich ernst."
Wo die Spannungslinie der Kurzserie "MANN/FRAU" verläuft ist schon nach dem ersten Dialog klar. Der Name ist Programm und der Plot denkbar einfach:
Jana und Johann Buchholz: "Ein Mann. Eine Frau. Viel Ärger..."
Jana: "Es geht um zwei Großstadtsingles und ihren total chaotischen Alltag."
Johann: "Die Frauengeschichten hat meine Schwester geschrieben und realisiert und es waren vor allem Frauen in ihrem Team. Und bei mir war es so, dass wir die Männergeschichten erzählten und es vor allem Männer waren, die das gemacht haben."
...erzählt das Geschwisterpaar Jana und Johann Buchholz, die bei MANN/FRAU für Regie und Drehbuch verantwortlich waren.
Der Geschlechterkampf - das ist jetzt kein besonders neuer Erzählstoff. Comedians, Film und Fernsehen haben das schon tausende Male thematisiert, ja durchexerziert. Nichts bietet mehr Identifikationspotenzial, Lacher - und Klischees:
Johann: "Wir erzählen auf jeden Fall auch Klischees. Aber es sind halt Klischees die nicht so bekannt und manchmal auch gewagt sind."
Jana: "Für mich war es nicht eine Sekunde so, dass ich darüber nachdenken musste, sind das Klischees oder nicht, sondern es ist eine Lebensgeschichte bzw. mehrere, und viele Beobachtungen, die meine Freundinnen und ich gemacht haben."
Und trotzdem ist MANN/FRAU irgendwie neu. Zwar nicht mit dem was erzählt wird, aber wie es erzählt wird. Nämlich extrem verdichtet, sehr visuell, schnell und originell. (Die einzelnen Episoden sind nicht länger als 3 Minuten. MANN/FRAU ist eine Webserie, gemacht fürs Internet.) Geschnitten im Sekundentakt, genauso schnell wechseln Zeit, Ort und Handlung.
Mann: "Hey?!"
Mann (off): „Als erstes dachte ich: ‚Wow, die ist ja viel, viel süßer als ich sie in Erinnerung hatte', und dann dachte ich: ‚Die hat mich wahrscheinlich seit Wochen überall gesucht' - ich meine, so eine Nacht vergisst man nie."
Frau: "Du bist Sven, oder?"
Mann (off): "Kurz gesagt, sie hat mich nicht erkannt. Sie hat unsere Nacht vergessen: den Heiratsantrag, den Priester auf allen Vieren, das gestohlene Taxi, die Nummer mit dem Ring. Sie weiß nicht einmal wer ich bin - und jetzt sitzt sie hier."
Natürlich, er wird sie in seine Wohnung einziehen lassen und beide werden sich an den Macken des anderen stören. Anders als bei Mario Barth und Konsorten werden solche Storylines aber nicht bis zum letzten ausgeschlachtet - dazu ist auch viel zu wenig Zeit -, sondern Mann-/Frau-Stereotype werden selbst noch mal ironisiert, überspitzt und ad absurdum geführt. Das ist meistens punktgenau gescriptet. Die Pointen sitzen. Anke Engelkes "Ladykracher"lässt grüßen. Überflüssiges, gar Längen findet man nicht. Wie auch bei diesem Erzähltempo? Die Hauptdarsteller Lore Richter und Marko Lang überzeugen als zwei sympathisch verplante Großstadtsingles Anfang 30 mit all den dazugehörigen Problemen. Wie nennt man diese Generation eigentlich?
Johann: "Generation planlos."
Jana: "...aber das stimmt nicht, planlos waren wir. Generation Online-Dating? Nein, das klingt wie ein Werbeslogan..."
Johann: "...i-Generation!"
Jana: "Ja! i-Generaton!"
(schlagen ein)
Dazu kommt der unverwechselbare Humor eines Christian Ulmen und der Charme seiner Frau Collien Ulmen-Fernandes. Beide sind Nebendarsteller. Das geschulte Ohr hat es anfangs schon erkannt: Ulmen spielt den Barkeeper.
Mann: "Natürlich weiß ich, wer ich bin! Ein Typ dessen Facebook-Status nach drei Jahren immer noch "Madly in Love" lautet - und der dir Gedichte schreibt... Ey, so ein Typ bin ich."
Barkeeper: "Schreibst du Balladen oder Sonette, oder mehr so Oden?"
Sagen wir es doch so: MANN/FRAU - ein Gedicht der i-Generation fürs Smartphone.