"Vor der Doppelrune der SS, die die Marmorwand im Mosaiksaal der Reichskanzlei schmückt, ist der Sarg mit den sterblichen Resten des für Deutschland gefallenen SS-Obergruppenführers Heydrich in dem Mosaiksaal der Reichskanzlei aufgebahrt. Spitzen Deutschlands sind hier in dieser Stunde versammelt, um den seinen Wunden erlegenen Obergruppenführer und Stellvertretenden Reichsprotektor von Böhmen und Mähren die letzte Ehre zu erweisen [...]"
So pathosgeladen - um tragische Atmosphäre zu suggerieren - beginnt die Übertragung der Trauerfeier für Reinhard Heydrich am 6. Juni 1942 im Rundfunk des Dritten Reichs. Akustisch wird inszeniert, dass Abschied zu nehmen sei von einem der Großen der "Bewegung", einem Märtyrer, der sich für ein künftiges, großes Deutschland geopfert habe; meuchlings ermordet im blühenden Alter von nur 38 Jahren und nun auf dem Weg, ins Reich der germanischen Helden aufgenommen zu werden.
Ein Ereignis der Superlative auch darum, weil fast die gesamte Führungsspitze des im Sommer 1942 auf dem Höhepunkt seiner Macht stehenden Nazi-Reiches sich zu diesem gigantischen Staatsbegräbnis eingefunden hatte; selbst in der "heroischen" Gesellschaft des kriegerischen Staates gab es seinesgleichen weder vor- noch nachher.
Auf der anderen Hälfte der Erdkugel, exiliert in Kalifornien, reagierte Thomas Mann - der sich als die Stimme des "anderen", antifaschistischen Deutschland verstand - unmittelbar. In seiner monatlichen, von der BBC ausgestrahlten Ansprache an die "Deutschen Hörer" spürte man die Empörung über den Totenkult und die Folgen des Attentats auf Heydrich:
"Seit dem gewaltsamen Tode des Heydrich, dem natürlichsten Tode also, den ein Bluthund wie er sterben kann, wütet überall der Terror krankhaft-hemmungsloser als je. Es ist absurd und lässt wieder einmal den Ekel hochsteigen vor der Mischung aus Brutalität und kreischender Wehleidigkeit, die von jeher für das Nazitum kennzeichnend war [...] Wohin dieser Mordknecht kam, floss das Blut in Strömen. Überall, auch in Deutschland, hieß er recht und schlecht ‚der Henker’ [...] Nun also, er ist ermordet worden. Und wie nehmen die Nazis das auf? Sie stellen sich an, als sei die unfasslichste Missetat geschehen, der Menschheit Höchstes angetastet, die Krone, das Palladium entwendet [...] Zu Hause wird ihm ein pomphaftes Staatsbegräbnis verordnet, und ein anderer Metzgermeister sagt ihm am Grabe nach, er sei eine reine Seele und ein Mensch von hohem Humanitätsgefühl gewesen."
So pathosgeladen - um tragische Atmosphäre zu suggerieren - beginnt die Übertragung der Trauerfeier für Reinhard Heydrich am 6. Juni 1942 im Rundfunk des Dritten Reichs. Akustisch wird inszeniert, dass Abschied zu nehmen sei von einem der Großen der "Bewegung", einem Märtyrer, der sich für ein künftiges, großes Deutschland geopfert habe; meuchlings ermordet im blühenden Alter von nur 38 Jahren und nun auf dem Weg, ins Reich der germanischen Helden aufgenommen zu werden.
Ein Ereignis der Superlative auch darum, weil fast die gesamte Führungsspitze des im Sommer 1942 auf dem Höhepunkt seiner Macht stehenden Nazi-Reiches sich zu diesem gigantischen Staatsbegräbnis eingefunden hatte; selbst in der "heroischen" Gesellschaft des kriegerischen Staates gab es seinesgleichen weder vor- noch nachher.
Auf der anderen Hälfte der Erdkugel, exiliert in Kalifornien, reagierte Thomas Mann - der sich als die Stimme des "anderen", antifaschistischen Deutschland verstand - unmittelbar. In seiner monatlichen, von der BBC ausgestrahlten Ansprache an die "Deutschen Hörer" spürte man die Empörung über den Totenkult und die Folgen des Attentats auf Heydrich:
"Seit dem gewaltsamen Tode des Heydrich, dem natürlichsten Tode also, den ein Bluthund wie er sterben kann, wütet überall der Terror krankhaft-hemmungsloser als je. Es ist absurd und lässt wieder einmal den Ekel hochsteigen vor der Mischung aus Brutalität und kreischender Wehleidigkeit, die von jeher für das Nazitum kennzeichnend war [...] Wohin dieser Mordknecht kam, floss das Blut in Strömen. Überall, auch in Deutschland, hieß er recht und schlecht ‚der Henker’ [...] Nun also, er ist ermordet worden. Und wie nehmen die Nazis das auf? Sie stellen sich an, als sei die unfasslichste Missetat geschehen, der Menschheit Höchstes angetastet, die Krone, das Palladium entwendet [...] Zu Hause wird ihm ein pomphaftes Staatsbegräbnis verordnet, und ein anderer Metzgermeister sagt ihm am Grabe nach, er sei eine reine Seele und ein Mensch von hohem Humanitätsgefühl gewesen."
"Schöpferische, geniale Fähigkeiten"
Auf wen spielt er an, der Schriftsteller und Moralist Thomas Mann, mit seiner Empfindlichkeit auch für den totalitären Missbrauch, die Verhunzung der Sprache durch den "anderen Metzgermeister"?
Gemeint ist die Totenrede des "Reichsführers" der SS, Heinrich Himmler. Der hatte den "strahlend großen Menschen", den "Charakter von seltener Reinheit" gerühmt und Heydrichs "opfervollen Beitrag zum Freiheitskampf unseres Volkes" herausgestellt. Er habe sein SS-Führerkorps "in unbedingter Sauberkeit" groß werden lassen, mit seinen "schöpferischen, genialen Fähigkeiten" habe er die "Gesetze unseres Blutes" umgesetzt. Zur Strecke gebracht worden sei er ...
"...durch eine hinterhältige Bombe englischer Herkunft, geworfen von einem bezahlten Subjekt wertlosesten Untermenschentums."
Am Ende seiner Eloge rief er ihm nach:
"Du, Reinhard Heydrich, bist wahrhaft ein guter SS-Mann gewesen."
Vorausgegangen war eine sehr kurze, improvisierte "Führeransprache" des sichtlich bewegten Hitler:
"Ich habe diesem Toten nur noch wenige Worte zu widmen. Er war einer der besten Nationalsozialisten, einer der stärksten Verteidiger des deutschen Reichsgedankens, einer der größten Gegner aller Feinde dieses Reiches."
Der Chef des Reichssicherheitshauptamts und Präsident der Internationalen Kriminalpolizeilichen Kommission (aus ihr ging nach dem Krieg die Interpol hervor) hatte die Möglichkeit eines Attentats auf ihn selbst leichtfertig von der Hand gewiesen. Auf die - von ihm den anderen Führern nahegelegten - Sicherheitsvorkehrungen hatte er verzichtet, wohl wissend, dass politische Prominenz in einer Diktatur auch erhöhtes Risiko bedeutet. Ab sofort machte Hitler den Begleitschutz obligatorisch - für Heydrich allerdings zu spät.
Gemeint ist die Totenrede des "Reichsführers" der SS, Heinrich Himmler. Der hatte den "strahlend großen Menschen", den "Charakter von seltener Reinheit" gerühmt und Heydrichs "opfervollen Beitrag zum Freiheitskampf unseres Volkes" herausgestellt. Er habe sein SS-Führerkorps "in unbedingter Sauberkeit" groß werden lassen, mit seinen "schöpferischen, genialen Fähigkeiten" habe er die "Gesetze unseres Blutes" umgesetzt. Zur Strecke gebracht worden sei er ...
"...durch eine hinterhältige Bombe englischer Herkunft, geworfen von einem bezahlten Subjekt wertlosesten Untermenschentums."
Am Ende seiner Eloge rief er ihm nach:
"Du, Reinhard Heydrich, bist wahrhaft ein guter SS-Mann gewesen."
Vorausgegangen war eine sehr kurze, improvisierte "Führeransprache" des sichtlich bewegten Hitler:
"Ich habe diesem Toten nur noch wenige Worte zu widmen. Er war einer der besten Nationalsozialisten, einer der stärksten Verteidiger des deutschen Reichsgedankens, einer der größten Gegner aller Feinde dieses Reiches."
Der Chef des Reichssicherheitshauptamts und Präsident der Internationalen Kriminalpolizeilichen Kommission (aus ihr ging nach dem Krieg die Interpol hervor) hatte die Möglichkeit eines Attentats auf ihn selbst leichtfertig von der Hand gewiesen. Auf die - von ihm den anderen Führern nahegelegten - Sicherheitsvorkehrungen hatte er verzichtet, wohl wissend, dass politische Prominenz in einer Diktatur auch erhöhtes Risiko bedeutet. Ab sofort machte Hitler den Begleitschutz obligatorisch - für Heydrich allerdings zu spät.
Historiker: Heydrich war "Supernova" in Hitlers Universum
Dass zeitgenössische Urteile über exponierte und über Macht verfügende Gestalten sich meist sehr bald als parteiisch und einseitig erweisen, mangels Distanz, ist bekannt. Der Blick der Späteren auf die Kampfzone, aus der Vogelperspektive, vermag auch negative "Größe" besser einzuordnen. Der amerikanische Zeithistoriker Charles Sydnor, vertraut mit allem, was zum Politstar-System gehört, schreibt über den "idealen Nationalsozialisten" Heydrich aus dem Abstand eines halben Jahrhunderts:
"Unter den zahllosen kleinen Sternen des Milchstraßensystems in dem Universum Hitlers war Reinhard Heydrich die einzige Supernova, die jüngste und - wenn man von Albert Speer absieht - fähigste Persönlichkeit des Dritten Reiches. Eine hochgewachsene, athletische, unheimliche Erscheinung mit einem Furcht einflößenden Auftreten, verkörperte Heydrich die vermeintlichen rassischen Attribute nordischer Männlichkeit sowie die persönlichen Eigenschaften, die man gemeinhin mit einem allgegenwärtigen und permanenten SS- und Polizeiterror in der NS-Diktatur verbindet. [...] Er hätte in jeder Epoche der Geschichte eine bemerkenswerte Gestalt sein können. Tatsächlich wurde er zu einem der [...] erfolgreichsten Massenmörder aller Zeiten [...]"
Wofür, kann man hinzufügen, die Verbindung von Dynamik und Skrupellosigkeit eine wichtige Voraussetzung bildete. Das sportlich effiziente, auch Metallische seines Wesens, das ihm nachgesagt wurde, hat etwas vom modernen Manager, doch war Heydrich ein Überzeugungstäter, der mit inhumanen, ideologischen Vorgaben, gleichsam frei von Gewissen, agierte; einer, der die je neueste Technik im Kommunikationsbereich nutzte, mit Telefon, Fernschreiber und Funksprüchen arbeitete und Abstände in Raum und Zeit verkürzte, mittels schneller Autos und eigenem Dienstflugzeug. Beschleunigung der Vorgänge, Steigerung der (meist mörderischen) Ergebnisse hatte für ihn hohe Priorität.
Als zuletzt "Stellvertretendem Reichsprotektor für Böhmen und Mähren" liquidierten die Attentäter stellvertretend in ihm den "Führer": die symbolische Befreiung ihrer Nation vom Besatzer, der sich die Rolle des europäischen Hegemons anmaßte.
Himmler, als Chef der SS, hatte in der Totenrede als Charakteristikum die Verbindung von "musischem Menschen und tapferem Kämpfer" hervorgehoben. Die letzte Fotografie zeigt den SS-Obergruppenführer am Abend des 26. Mai 1942 - wenige Stunden vor dem Attentat - in der Attitüde des Statthalters und Musengönners, lächelnd und von seiner Frau begleitet, beim Aufgang in den Festsaal des Prager Waldstein-Palais. Im Rahmen der Prager Musikwochen ließ er seinen Vater, den verstorbenen Komponisten Bruno Heydrich, mit einem Konzert eigener Werke ehren.
"Unter den zahllosen kleinen Sternen des Milchstraßensystems in dem Universum Hitlers war Reinhard Heydrich die einzige Supernova, die jüngste und - wenn man von Albert Speer absieht - fähigste Persönlichkeit des Dritten Reiches. Eine hochgewachsene, athletische, unheimliche Erscheinung mit einem Furcht einflößenden Auftreten, verkörperte Heydrich die vermeintlichen rassischen Attribute nordischer Männlichkeit sowie die persönlichen Eigenschaften, die man gemeinhin mit einem allgegenwärtigen und permanenten SS- und Polizeiterror in der NS-Diktatur verbindet. [...] Er hätte in jeder Epoche der Geschichte eine bemerkenswerte Gestalt sein können. Tatsächlich wurde er zu einem der [...] erfolgreichsten Massenmörder aller Zeiten [...]"
Wofür, kann man hinzufügen, die Verbindung von Dynamik und Skrupellosigkeit eine wichtige Voraussetzung bildete. Das sportlich effiziente, auch Metallische seines Wesens, das ihm nachgesagt wurde, hat etwas vom modernen Manager, doch war Heydrich ein Überzeugungstäter, der mit inhumanen, ideologischen Vorgaben, gleichsam frei von Gewissen, agierte; einer, der die je neueste Technik im Kommunikationsbereich nutzte, mit Telefon, Fernschreiber und Funksprüchen arbeitete und Abstände in Raum und Zeit verkürzte, mittels schneller Autos und eigenem Dienstflugzeug. Beschleunigung der Vorgänge, Steigerung der (meist mörderischen) Ergebnisse hatte für ihn hohe Priorität.
Als zuletzt "Stellvertretendem Reichsprotektor für Böhmen und Mähren" liquidierten die Attentäter stellvertretend in ihm den "Führer": die symbolische Befreiung ihrer Nation vom Besatzer, der sich die Rolle des europäischen Hegemons anmaßte.
Himmler, als Chef der SS, hatte in der Totenrede als Charakteristikum die Verbindung von "musischem Menschen und tapferem Kämpfer" hervorgehoben. Die letzte Fotografie zeigt den SS-Obergruppenführer am Abend des 26. Mai 1942 - wenige Stunden vor dem Attentat - in der Attitüde des Statthalters und Musengönners, lächelnd und von seiner Frau begleitet, beim Aufgang in den Festsaal des Prager Waldstein-Palais. Im Rahmen der Prager Musikwochen ließ er seinen Vater, den verstorbenen Komponisten Bruno Heydrich, mit einem Konzert eigener Werke ehren.
Karriereziel Admiral
Wie sehr der Tenor, Konservatoriumsdirektor und Komponist Bruno Heydrich Wagnerianer war, wird schon aus einem Detail deutlich: Er ließ seinen Sohn Reinhard mit dem weiteren Vornamen Tristan taufen. Der findet in Wagners Oper bekanntlich ein trauriges Ende, wenn auch nicht infolge eines Attentats. Vielmehr ließ Vater Heydrich - in der Hoffnung, einen "zweiten Mozart" aus ihm zu machen - seinem Sohn eine solide Ausbildung in Geige, Klavier und Cello zuteilwerden. Auf Gesang musste verzichtet werden; Reinhards Fistelstimme trug ihm in der Schule den Spitznamen "Ziege" ein.
Ein starkes Interesse an Sport trat hinzu: Fünfkampf, Reiten und eine veritable Fechtkarriere hatten ihre Wurzeln sicher auch in Reinhards Faible für alles Soldatische, das ihn unmittelbar nach dem Abitur 1922 in die Kriegsmarine eintreten ließ: Er wollte Admiral werden. Immerhin brachte er es in sechs Jahren bis zum Oberleutnant.
Es war, wie es im Offiziersjargon hieß, eine unschöne "Weibergeschichte", die 1931 zur unehrenhaften Entlassung aus der Marine führte und den jungen Oberleutnant mitten in der Krise zum Arbeitslosen machte. Heydrich war mit der Tochter des Kieler Marine-Direktors so gut wie verlobt, hatte aber dann die Tochter eines Lehrers aus verarmtem holsteinischen Adel kennengelernt, Lina von Osten, und sie geheiratet - die Vorgängerin so vor ein Fait accompli stellend. Deren Vater bestand auf der Einberufung des Ehrengerichts der Marine, vor dem Heydrich sich dann so patzig und arrogant verhielt, dass er wegen "ehrenwidrigen Verhaltens" seinen Abschied nehmen musste.
In dieser Notsituation war es der Sohn seiner Patentante, Friedrich Karl von Eberstein, der ihm half. Eberstein war in der noch jungen Münchener SS zum Sturmführer aufgestiegen und wusste, dass Himmler für seine Schutzstaffel einen "Nachrichtenmann" suchte. Er stellte den Kontakt her, der zu einer elfjährigen engen Zusammenarbeit zwischen dem nur vier Jahre älteren "Reichsführer" und dem ehrgeizigen 27-jährigen Heydrich führte: ein Gespann, das Vielen im historischen Rückblick als eine - wenn nicht die - Inkarnation des Bösen im 20. Jahrhundert gilt.
Die Stationen von Heydrichs Blitzkarriere seien kurz rekapituliert: Innerhalb nur eines halben Jahres stieg der Helfer Himmlers beim Aufbau eines Nachrichtendienstes, beginnend im Sommer 1931 (mit mageren 120 Reichsmark Anfangsbezügen), zum SS-Sturmbannführer auf. Rasch entwickelte sich der Dienst, der die ideologischen Gegner und Konkurrenten der NSDAP ins Visier nehmen sollte, zum ständig wachsenden "Sicherheitsdienst". Als überall gefürchteter "SD" sollte er später, im Krieg, einen großen Teil Europas umspannen.
Ein starkes Interesse an Sport trat hinzu: Fünfkampf, Reiten und eine veritable Fechtkarriere hatten ihre Wurzeln sicher auch in Reinhards Faible für alles Soldatische, das ihn unmittelbar nach dem Abitur 1922 in die Kriegsmarine eintreten ließ: Er wollte Admiral werden. Immerhin brachte er es in sechs Jahren bis zum Oberleutnant.
Es war, wie es im Offiziersjargon hieß, eine unschöne "Weibergeschichte", die 1931 zur unehrenhaften Entlassung aus der Marine führte und den jungen Oberleutnant mitten in der Krise zum Arbeitslosen machte. Heydrich war mit der Tochter des Kieler Marine-Direktors so gut wie verlobt, hatte aber dann die Tochter eines Lehrers aus verarmtem holsteinischen Adel kennengelernt, Lina von Osten, und sie geheiratet - die Vorgängerin so vor ein Fait accompli stellend. Deren Vater bestand auf der Einberufung des Ehrengerichts der Marine, vor dem Heydrich sich dann so patzig und arrogant verhielt, dass er wegen "ehrenwidrigen Verhaltens" seinen Abschied nehmen musste.
In dieser Notsituation war es der Sohn seiner Patentante, Friedrich Karl von Eberstein, der ihm half. Eberstein war in der noch jungen Münchener SS zum Sturmführer aufgestiegen und wusste, dass Himmler für seine Schutzstaffel einen "Nachrichtenmann" suchte. Er stellte den Kontakt her, der zu einer elfjährigen engen Zusammenarbeit zwischen dem nur vier Jahre älteren "Reichsführer" und dem ehrgeizigen 27-jährigen Heydrich führte: ein Gespann, das Vielen im historischen Rückblick als eine - wenn nicht die - Inkarnation des Bösen im 20. Jahrhundert gilt.
Die Stationen von Heydrichs Blitzkarriere seien kurz rekapituliert: Innerhalb nur eines halben Jahres stieg der Helfer Himmlers beim Aufbau eines Nachrichtendienstes, beginnend im Sommer 1931 (mit mageren 120 Reichsmark Anfangsbezügen), zum SS-Sturmbannführer auf. Rasch entwickelte sich der Dienst, der die ideologischen Gegner und Konkurrenten der NSDAP ins Visier nehmen sollte, zum ständig wachsenden "Sicherheitsdienst". Als überall gefürchteter "SD" sollte er später, im Krieg, einen großen Teil Europas umspannen.
Rasante Partei-Karriere
Als Anerkennung für Planung und rücksichtslosen Einsatz beim sogenannten Röhm-Putsch der SA im Juni 1934 beförderte ihn Himmler zum SS-Gruppenführer. Man hatte einen Bürgerkrieg befürchtet - zwischen den Protagonisten Reichswehr, SS und SA. Die war inzwischen auf über vier Millionen Mitglieder angeschwollen, wurde von der Reichswehr als Konkurrenz mit wachsendem Misstrauen beobachtet und forderte überdies, dass der politischen "Revolution" von 1933 nun eine zweite, ökonomisch-soziale folgen müsse. Diese gefährliche Entwicklung galt es abzublocken und die Häretiker der Hitler-Linie auszuschalten. Heydrich sorgte in der "Nacht der langen Messer" unter anderem dafür, dass der für den linken Flügel der Partei stehende Gregor Strasser "beseitigt" wurde.
Zwei Jahre später bereits steigt er auf zum Chef der Sicherheitspolizei, die Gestapo und Kriminalpolizei im ganzen Reich umfasst. Als 30-Jähriger steht er so an der Spitze eines Schattenheers von 50.000 Mann. Gleichzeitig erreicht seine manifestähnliche Schrift Wandlungen unseres Kampfes - im parteieigenen Eher Verlag erschienen - die Auflage von 100.000. Sie ist ein aufschlussreiches Dokument für die Neufixierung und Kombination der Feindbilder der SS. Sich im Kampf nicht zu schonen, dabei den eigenen Tod im Kreislauf eines ewigen Werdens und Vergehens anzunehmen - unsere Ehre heißt Treue - gilt als hoher Wert.
Zwei Jahre später bereits steigt er auf zum Chef der Sicherheitspolizei, die Gestapo und Kriminalpolizei im ganzen Reich umfasst. Als 30-Jähriger steht er so an der Spitze eines Schattenheers von 50.000 Mann. Gleichzeitig erreicht seine manifestähnliche Schrift Wandlungen unseres Kampfes - im parteieigenen Eher Verlag erschienen - die Auflage von 100.000. Sie ist ein aufschlussreiches Dokument für die Neufixierung und Kombination der Feindbilder der SS. Sich im Kampf nicht zu schonen, dabei den eigenen Tod im Kreislauf eines ewigen Werdens und Vergehens anzunehmen - unsere Ehre heißt Treue - gilt als hoher Wert.
"Oberarchitekt des Genozids
Noch im Monat des Kriegsbeginns im September 1939 - auch beim vorgetäuschten Überfall auf den polnischen Sender Gleiwitz hatte Heydrich die Fäden gezogen - konnte er sein berüchtigtes Reichssicherheitshauptamt (RSHA) gründen, eine Zentrale für Spionage und Repression, die es so in Europa noch nicht gegeben hatte. Vorausgegangen war im Juli die Bildung der SD-Einsatzgruppen. Sie besorgten künftig hinter den Fronten der Wehrmacht die blutigen, unmenschlichen "Säuberungsarbeiten" in den besetzten Gebieten: als Bekämpfer der "Bolschewiken" - sprich: "Partisanen "-, als Büttel der barbarischen "Judenpolitik", als Hauptakteure der Massenmorde in Osteuropa.
Zeithistoriker bezeichnen Heydrich - mehr als Himmler - als "Oberarchitekten des Genozids". Er plante nicht nur strategisch im europäischen Maßstab, er plante auch - technisch effizient - die Durchführung der Aktionen als permanenter Antreiber. Das trug ihm später den Ruf des "eiskalten Todesengels" ein, des "Manns mit dem eisernen Herzen".
Im März 1941 legte Heydrich Göring einen Entwurf zur "Lösung der Judenfrage" vor, im Juli wurde er vom Reichsmarschall schriftlich beauftragt, einen Gesamtentwurf für die - nun schon so genannte - "Endlösung der Judenfrage" vorzulegen. Dies sind die Vorstufen, die zur berüchtigten Wannsee-Konferenz vom Januar 1942 führten. Auf ihr sicherte sich Heydrich die Führungsrolle für diese weltgeschichtlich fraglos abstoßendste Aktion.
Während unterschiedliche Deportations- und Vernichtungsmaßnahmen in den besetzten Gebieten bereits Praxis waren, setzten die lang geplanten Massendeportationen aus dem Reichsgebiet erst im Oktober ein. Der Herbst 1941 sollte für Heydrich einen weiteren Karrieresprung bedeuten.
Das "Protektorat Böhmen und Mähren" war im März 1939 etabliert worden; zum "Protektor" wurde Reichsaußenminister Freiherr von Neurath ernannt, da sein Platz für Ribbentrop freigemacht werden musste. Der konservative von Neurath galt Hitler als zu lasch, um im Krieg ein schon wegen seiner strategischen Lage und seiner Rüstungsproduktion so wichtiges Gebiet zu verwalten. Außerdem sollte Böhmen und Mähren nach dem Krieg fester Bestandteil des Reiches werden, es galt "Rasse- und siedlungspolitische" Vorbereitungen zu treffen.
Zeithistoriker bezeichnen Heydrich - mehr als Himmler - als "Oberarchitekten des Genozids". Er plante nicht nur strategisch im europäischen Maßstab, er plante auch - technisch effizient - die Durchführung der Aktionen als permanenter Antreiber. Das trug ihm später den Ruf des "eiskalten Todesengels" ein, des "Manns mit dem eisernen Herzen".
Im März 1941 legte Heydrich Göring einen Entwurf zur "Lösung der Judenfrage" vor, im Juli wurde er vom Reichsmarschall schriftlich beauftragt, einen Gesamtentwurf für die - nun schon so genannte - "Endlösung der Judenfrage" vorzulegen. Dies sind die Vorstufen, die zur berüchtigten Wannsee-Konferenz vom Januar 1942 führten. Auf ihr sicherte sich Heydrich die Führungsrolle für diese weltgeschichtlich fraglos abstoßendste Aktion.
Während unterschiedliche Deportations- und Vernichtungsmaßnahmen in den besetzten Gebieten bereits Praxis waren, setzten die lang geplanten Massendeportationen aus dem Reichsgebiet erst im Oktober ein. Der Herbst 1941 sollte für Heydrich einen weiteren Karrieresprung bedeuten.
Das "Protektorat Böhmen und Mähren" war im März 1939 etabliert worden; zum "Protektor" wurde Reichsaußenminister Freiherr von Neurath ernannt, da sein Platz für Ribbentrop freigemacht werden musste. Der konservative von Neurath galt Hitler als zu lasch, um im Krieg ein schon wegen seiner strategischen Lage und seiner Rüstungsproduktion so wichtiges Gebiet zu verwalten. Außerdem sollte Böhmen und Mähren nach dem Krieg fester Bestandteil des Reiches werden, es galt "Rasse- und siedlungspolitische" Vorbereitungen zu treffen.
Protektor auf Empfehlung von Bormann
Mit dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 hatte zudem der kommunistische Widerstand seine - durch den vorangegangenen Hitler-Stalin-Pakt bedingte - Lähmung überwunden und machte sich in vielen deutsch-okkupierten Ländern wieder bemerkbar, so auch in der sogenannten Tschechei. Ferner war jetzt ein stärkerer Einfluss von der tschechischen Exilregierung Eduard Beneš‘ in London zu befürchten, die über Funksender mit dem Heimatland verbunden war. Es war also ein Ensemble von Gründen, das Hitler bewog, den Diplomaten von Neurath "krankheitsbedingt" zu beurlauben und einen erfahrenen Gegnerbekämpfer als "Stellvertreter" an seine Stelle zu setzen. Bormann hatte Heydrich empfohlen.
Für den bedeutete die Übernahme des Protektorats nicht nur die Beförderung zum Obergruppenführer und General der Polizei, sondern - weit wichtiger - den direkten Zugang zum Führer; und, fast wie ein früherer Satrap, besaß er die unumschränkte Herrschaft über das Territorium in dessen Namen. Seine bisherige Funktion als Chef des Reichssicherheitshauptamts behielt er bei. Gelegentlich pendelte er mit seiner JU-52 dreimal in der Woche zwischen Prag und Berlin.
Die erste Amtshandlung noch am Tag seiner Einführung auf der Prager Burg, Ende September 1941, war die Verhängung des Ausnahmezustands. Eine Welle der Repression gegen wirkliche oder vermeintliche Widerständler setzte ein: Über 6000 Verhaftungen mit mehr als 400 Todesurteilen waren die Folge. Heydrich erwies sich als gut vorbereitet: Sein Sicherheitsdienst hatte ihm die Namen geliefert.
Für den bedeutete die Übernahme des Protektorats nicht nur die Beförderung zum Obergruppenführer und General der Polizei, sondern - weit wichtiger - den direkten Zugang zum Führer; und, fast wie ein früherer Satrap, besaß er die unumschränkte Herrschaft über das Territorium in dessen Namen. Seine bisherige Funktion als Chef des Reichssicherheitshauptamts behielt er bei. Gelegentlich pendelte er mit seiner JU-52 dreimal in der Woche zwischen Prag und Berlin.
Die erste Amtshandlung noch am Tag seiner Einführung auf der Prager Burg, Ende September 1941, war die Verhängung des Ausnahmezustands. Eine Welle der Repression gegen wirkliche oder vermeintliche Widerständler setzte ein: Über 6000 Verhaftungen mit mehr als 400 Todesurteilen waren die Folge. Heydrich erwies sich als gut vorbereitet: Sein Sicherheitsdienst hatte ihm die Namen geliefert.
Affront: die Wenzelskrone
Am 19. November wurde die symbolische Unterwerfung der Tschechen unter die deutsche Gewaltherrschaft in Szene gesetzt: In der Wenzelskapelle des Prager Sankt Veit-Doms übergab der tschechische Staatspräsident Emil Hácha dem nun amtierenden Protektor Heydrich die sieben Schlüssel zur Krönungskammer, in der die Kleinodien der böhmischen Könige aufbewahrt werden. Drei erhielt Hácha zurück "als Symbole der Treue Böhmens und Mährens zum Reich". Beide Männer standen dann, wie berichtet wird, vor dem Allerheiligsten der Tschechen: der juwelenbesetzten Wenzelskrone. Die ist, tschechischem Aberglauben zufolge, belegt mit einem Fluch: Wer sie unbefugt aufsetzt, wird binnen Jahresfrist eines gewaltsamen Todes sterben.
Offenbar reizte es den - längst nicht mehr katholischen, sondern "gottgläubigen" - Reichsprotektor zu demonstrieren, dass solche Vorbehalte für ihn Humbug seien. Er setzte sich die Krone kurz entschlossen auf. Die tschechischen Anwesenden erstarrten, so wird die Szene geschildert. Ihre Authentizität kann heute nicht mehr überprüft werden; sicher ist, dass der Fluch in Erfüllung ging.
Zunächst aber regierte Heydrich nach dem Prinzip "Zuckerbrot und Peitsche". Er erhöhte, vor allem in der kriegswichtigen Rüstungsindustrie, die Lebensmittelrationen der Arbeiter, bekämpfte den Schwarzmarkt - in ihrem Interesse, wie er propagandistisch verbreiten ließ - mit drakonischen Maßnahmen und suchte zugleich, jedes Aufkeimen politischer Opposition zu verhindern und zu delegitimieren: als selbstzerstörerisch. Denn die Geschichte beweise, dass es in diesem Teil Europas immer dann blühende Perioden gegeben habe, wenn Böhmen und Mähren sich als Teil des Reiches gesehen haben, das Streben nach nationaler Unabhängigkeit sei ein Hirngespinst, die Folge zersetzender jüdischer Agitation.
Dass es unter der Oberfläche brodelte, blieb ihm gleichwohl nicht verborgen. So drohte er - wenige Stunden vor dem erwähnten letzten Konzert am 26. Mai1942 - den versammelten Protektoratsjournalisten:
"Ich muss erleben, dass die Unhöflichkeiten, ja die Taktlosigkeiten, um nicht zu sagen: Frechheiten, besonders gegenüber dem Deutschen, wieder in der Zunahme begriffen sind. Auch die kleinen Sabotageakte, die weniger Schaden tun, als einen oppositionellen Geist zeigen sollen, haben zugenommen [...] Sie wissen, meine Herren, dass ich großzügig und allen Aufbauplänen fördernd gegenüberstehe [...] Sie wissen aber auch, dass ich bei aller Geduld nicht zögern werde, unerhört hart zuzuschlagen, wenn ich das Gefühl und den Eindruck haben sollte, dass man das Reich immer noch für schwach hält und loyales Entgegenkommen meinerseits für Schwäche ansieht."
Im November 1941 - noch war Nazi-Deutschland auf der Siegesspur - erläuterte Heydrich seinen leitenden Beamten im Protektorat die Kriegsziele. Holländer, Flamen und Skandinavier gehörten zu den Germanen; Afrika und Nahost würden mit dem Achsenpartner Italien geteilt und die Russen "hinter den Ural zurückgejagt", deutsche "Wehrbauern" würden ihr Land besiedeln.
"Der Ural wird unsere Ostgrenze. Dort werden unsere Rekruten künftig ihr Jahr abdienen und als Grenzwächter im Kleinkampf geschult."
Offenbar reizte es den - längst nicht mehr katholischen, sondern "gottgläubigen" - Reichsprotektor zu demonstrieren, dass solche Vorbehalte für ihn Humbug seien. Er setzte sich die Krone kurz entschlossen auf. Die tschechischen Anwesenden erstarrten, so wird die Szene geschildert. Ihre Authentizität kann heute nicht mehr überprüft werden; sicher ist, dass der Fluch in Erfüllung ging.
Zunächst aber regierte Heydrich nach dem Prinzip "Zuckerbrot und Peitsche". Er erhöhte, vor allem in der kriegswichtigen Rüstungsindustrie, die Lebensmittelrationen der Arbeiter, bekämpfte den Schwarzmarkt - in ihrem Interesse, wie er propagandistisch verbreiten ließ - mit drakonischen Maßnahmen und suchte zugleich, jedes Aufkeimen politischer Opposition zu verhindern und zu delegitimieren: als selbstzerstörerisch. Denn die Geschichte beweise, dass es in diesem Teil Europas immer dann blühende Perioden gegeben habe, wenn Böhmen und Mähren sich als Teil des Reiches gesehen haben, das Streben nach nationaler Unabhängigkeit sei ein Hirngespinst, die Folge zersetzender jüdischer Agitation.
Dass es unter der Oberfläche brodelte, blieb ihm gleichwohl nicht verborgen. So drohte er - wenige Stunden vor dem erwähnten letzten Konzert am 26. Mai1942 - den versammelten Protektoratsjournalisten:
"Ich muss erleben, dass die Unhöflichkeiten, ja die Taktlosigkeiten, um nicht zu sagen: Frechheiten, besonders gegenüber dem Deutschen, wieder in der Zunahme begriffen sind. Auch die kleinen Sabotageakte, die weniger Schaden tun, als einen oppositionellen Geist zeigen sollen, haben zugenommen [...] Sie wissen, meine Herren, dass ich großzügig und allen Aufbauplänen fördernd gegenüberstehe [...] Sie wissen aber auch, dass ich bei aller Geduld nicht zögern werde, unerhört hart zuzuschlagen, wenn ich das Gefühl und den Eindruck haben sollte, dass man das Reich immer noch für schwach hält und loyales Entgegenkommen meinerseits für Schwäche ansieht."
Im November 1941 - noch war Nazi-Deutschland auf der Siegesspur - erläuterte Heydrich seinen leitenden Beamten im Protektorat die Kriegsziele. Holländer, Flamen und Skandinavier gehörten zu den Germanen; Afrika und Nahost würden mit dem Achsenpartner Italien geteilt und die Russen "hinter den Ural zurückgejagt", deutsche "Wehrbauern" würden ihr Land besiedeln.
"Der Ural wird unsere Ostgrenze. Dort werden unsere Rekruten künftig ihr Jahr abdienen und als Grenzwächter im Kleinkampf geschult."
Arrogant und gönnerhaft
In Prag bewegte sich Heydrich sorglos, überzeugt, dass er für die Verbesserung der Lebensverhältnisse viel getan habe und dafür von der Bevölkerung geachtet werde. Rüstungsminister Albert Speer, der ihn im Dezember 1941 besuchte, zeigte sich überrascht von Heydrichs Unbekümmertheit in Bezug auf seine eigene Sicherheit: Der Reichsprotektor ließ sich, ohne Leibwächter, im offenen Wagen durch die Stadt fahren und gab sich dem Minister aus Berlin gegenüber heldisch und leicht gönnerhaft:
"Warum sollten denn meine Tschechen auf mich schießen?"
Dabei mehrten sich Hinweise, die ihn hätten warnen müssen. Ein SD-Bericht vom April 1942, den er vermutlich las, aber nicht ernst nahm, enthielt Gerüchte, wonach Fallschirmspringer aus England gelandet seien, um einen Anschlag auf ihn auszuüben. Heydrichs Überzeugung, es würde ihm nichts passieren, war dadurch nicht zu erschüttern.
Unter den zahlreichen Regierungen, die sich beim Überfall der Wehrmacht auf ihr Land auf die britische Insel geflüchtet hatten - und nun jeweils als "Exilregierung in London" firmierten - hatte die tschechische unter Präsident Eduard Beneš mit wachsendem Ansehensverlust zu kämpfen. Zu gering sei der Widerstand gegen die deutsche Besatzungsmacht, wurde von englischer Seite kritisiert; die Bevölkerung habe sich offenbar mit Heydrichs Befriedungspolitik arrangiert.
Beneš musste befürchten, dass es bei einem Verständigungsfrieden zwischen Deutschland und England bei der Abtrennung des Sudetengebiets bleiben werde und Böhmen und Mähren als Einflusssphäre des Dritten Reiches anerkannt würden. Das Münchner Abkommen von 1938 - unterzeichnet von Chamberlain - war nach wie vor gültig.
"Warum sollten denn meine Tschechen auf mich schießen?"
Dabei mehrten sich Hinweise, die ihn hätten warnen müssen. Ein SD-Bericht vom April 1942, den er vermutlich las, aber nicht ernst nahm, enthielt Gerüchte, wonach Fallschirmspringer aus England gelandet seien, um einen Anschlag auf ihn auszuüben. Heydrichs Überzeugung, es würde ihm nichts passieren, war dadurch nicht zu erschüttern.
Unter den zahlreichen Regierungen, die sich beim Überfall der Wehrmacht auf ihr Land auf die britische Insel geflüchtet hatten - und nun jeweils als "Exilregierung in London" firmierten - hatte die tschechische unter Präsident Eduard Beneš mit wachsendem Ansehensverlust zu kämpfen. Zu gering sei der Widerstand gegen die deutsche Besatzungsmacht, wurde von englischer Seite kritisiert; die Bevölkerung habe sich offenbar mit Heydrichs Befriedungspolitik arrangiert.
Beneš musste befürchten, dass es bei einem Verständigungsfrieden zwischen Deutschland und England bei der Abtrennung des Sudetengebiets bleiben werde und Böhmen und Mähren als Einflusssphäre des Dritten Reiches anerkannt würden. Das Münchner Abkommen von 1938 - unterzeichnet von Chamberlain - war nach wie vor gültig.
Englisch-tschechische Angriffspläne
Aus dieser widersprüchlichen, verzweifelten Situation wurde der Plan des Attentats auf Heydrich geboren - Codename Anthropoid: auszuführen von Freiwilligen der kleinen, Beneš unterstehenden tschechischen Exilbrigade, die per Fallschirm nahe Prag abspringen sollten. Vom englischen Geheimdienst wurden zwei junge Unteroffiziere, der Mähre Jan Kubiš und der Slowake Jozef Gabcik, für dieses Himmelfahrtskommando ausgewählt und mit anderen ihrer Brigade in Schottland trainiert.
Das Kalkül der Engländer und von Beneš war, die zu erwartenden harten deutschen Sühneaktionen nach dem Attentat würden einen allgemeinen Aufstand der tschechischen Bevölkerung auslösen: ein Fanal für Widerstandsgruppen auch in anderen Ländern. Die alliierte Propaganda sollte von einer spontanen Tat des Prager Untergrunds, der unterdrückten demokratischen Patrioten sprechen, um die Londoner Fernsteuerung zu verschleiern.
Das Chaos würde den Mythos von der Unangreifbarkeit der Okkupanten und des NS-Terrorapparats unglaubwürdig machen. Der einheimische Widerstand wurde kaum einbezogen: Beneš setzte sich über die voraussehbare Ablehnung der Aktion - wegen der befürchteten brutalen Repressionen - hinweg. Er brauchte gegenüber den Engländern und innerhalb des antifaschistischen Ensembles dringend den Prestigegewinn.
Der detaillierte Attentatsplan des englischen Geheimdienstes sah bereits vor, wozu es dann - freilich nach enormen Komplikationen und viel Unvorhersehbarem - kommen sollte: Heydrich war in seinem offenen Mercedes auf dem morgendlichen Weg von seinem nördlich Prags gelegenen Landgut Jungfern Breschan auf die Burg direkt anzugreifen: am besten in einer Haarnadelkurve mit starkem Gefälle, wo der Wagen im Schritttempo fahren musste. Die geeignete Stelle fanden die beiden Attentäter im Vorort Holeschowitz. Als Datum ergab sich der 27. Mai - an dem Heydrich nach Berlin hätte fliegen sollen.
Gabcik sollte mit seiner englischen Maschinenpistole den ungeschützten Heydrich mit einem Feuerstoß töten, Kubiš aus geringer Entfernung mit einer Handgranate einen zweiten Schlag führen. Doch dabei ging vieles schief oder verlief zumindest anders als geplant.
Gabciks Maschinenpistole versagte, er sprang von dem Wagen zurück. Heydrich, offenbar schockiert, gab seinem Fahrer, Oberscharführer Klein, den Befehl zur Vollbremsung, erhob sich vom Beifahrersitz und versuchte, mit seiner Pistole auf Gabcik zu schießen, ebenfalls ohne Erfolg - vermutlich war die Waffe nicht geladen. Kubiš warf seine Granate, die beim Aufschlag an der Wagenseite sofort explodierte. Die Splitter verletzten Heydrich so schwer, dass er wenig später über der Kühlerhaube zusammenbrach. Die beiden Attentäter konnten flüchten. Ein Lieferwagen wurde gestoppt, um den Verletzten ins nächstgelegene Hospital zu fahren.
Es stellte sich heraus, dass Splitter und Rosshaar vom Autopolster oberhalb des Zwerchfells am Rücken eingedrungen waren; sie hatten Heydrichs Milz zerstört. Dennoch hätte er gerettet werden können, wäre es nicht zur Wundinfektion im Bauchraum gekommen: Das Penicillin, das hier geholfen hätte, besaßen erst die Engländer, die Deutschen noch nicht.
Während in Prag bereits wenige Stunden nach dem Anschlag eine Großfahndung nach den Attentätern anlief, die Presse zunächst von nur leichten Verletzungen berichtete, verschlechterte sich Heydrichs Zustand zusehends. Sein Ringen mit dem Tod dauerte acht Tage. Am 4. Juni erlag er seinen Verletzungen.
Bereits einen Tag später begann nächtens das pompöse NS-Ritual. Begleitet von Fackelträgern wurde der Sarg Heydrichs von einem SS-Kommando auf einer Lafette zum Hradschin überführt und dort im Ehrenhof aufgebahrt. Den Hintergrund schmückten ein riesiges Eisernes Kreuz und SS-Fahnen auf Halbmast. Die Bevölkerung war aufgerufen, von "ihrem" Protektor Abschied zu nehmen und defilierte am nächsten Tag zu Tausenden am Katafalk vorbei. Die Trauerfeier wurde musikalisch umrahmt von Beethoven, der deutschen Nationalhymne und dem Horst Wessel-Lied.
Dann wurde der Sarg von einem Trauerzug zum Hauptbahnhof geleitet, von wo ihn ein Sonderzug nach Berlin brachte. Hier folgte am 6. Juni, wie bereits geschildert, das gigantische Staatsbegräbnis: als Übergangsritus, der so die Suggestion - den Transfer des großen Mannes aus der Welt der Lebenden in die Nachwelt sicherstellen und dem kollektiven Gedächtnis der Nation anbefehlen soll.
Dieser Vorgang dämpft den Schlag, den der Tod eines Führers dem Reich versetzt und wertet das Ereignis zur Quelle der Macht auf, indem der Tote zum Ahnherrn wird, der die Lebenden weiterhin mit seinem Beispiel erfüllt. Als zunächst aktuelle Zuschauer bildeten sie in Berlin ein Spalier, das bis zum Invalidenfriedhof reichte: dem preußischen Ort der Beisetzung par excellence. Ein "Großer" wie Heydrich musste neben anderen großen Männern begraben werden, neben Scharnhorst und Gneisenau.
Währenddessen hatte die deutschen Großfahndung in Prag kein Ergebnis gebracht. Die Suche nach den Attentätern war erfolglos, der Patriotismus der Prager erwies sich als stärker. Es blieb der Bevölkerung eine von massiven Drohungen begleitete Aufforderung zur Mithilfe - Frist bis 18. Juni - zu setzen. Tatsächlich fand sich ein Verräter: Karel Curda, der kurz vor Ablauf der Frist die Prager Gestapo-Zentrale im Pecek-Palast aufsuchte. Er hatte zu einer weiteren, aus England eingeflogenen Gruppe von Fallschirmagenten gehört. Um sein und seiner Familie Leben zu retten, vielleicht auch des hohen Lösegelds wegen, verriet er, bei wem die Attentäter zunächst Unterschlupf gefunden hatten. Und setzte so die Gestapo auf die Spur.
Das Kalkül der Engländer und von Beneš war, die zu erwartenden harten deutschen Sühneaktionen nach dem Attentat würden einen allgemeinen Aufstand der tschechischen Bevölkerung auslösen: ein Fanal für Widerstandsgruppen auch in anderen Ländern. Die alliierte Propaganda sollte von einer spontanen Tat des Prager Untergrunds, der unterdrückten demokratischen Patrioten sprechen, um die Londoner Fernsteuerung zu verschleiern.
Das Chaos würde den Mythos von der Unangreifbarkeit der Okkupanten und des NS-Terrorapparats unglaubwürdig machen. Der einheimische Widerstand wurde kaum einbezogen: Beneš setzte sich über die voraussehbare Ablehnung der Aktion - wegen der befürchteten brutalen Repressionen - hinweg. Er brauchte gegenüber den Engländern und innerhalb des antifaschistischen Ensembles dringend den Prestigegewinn.
Der detaillierte Attentatsplan des englischen Geheimdienstes sah bereits vor, wozu es dann - freilich nach enormen Komplikationen und viel Unvorhersehbarem - kommen sollte: Heydrich war in seinem offenen Mercedes auf dem morgendlichen Weg von seinem nördlich Prags gelegenen Landgut Jungfern Breschan auf die Burg direkt anzugreifen: am besten in einer Haarnadelkurve mit starkem Gefälle, wo der Wagen im Schritttempo fahren musste. Die geeignete Stelle fanden die beiden Attentäter im Vorort Holeschowitz. Als Datum ergab sich der 27. Mai - an dem Heydrich nach Berlin hätte fliegen sollen.
Gabcik sollte mit seiner englischen Maschinenpistole den ungeschützten Heydrich mit einem Feuerstoß töten, Kubiš aus geringer Entfernung mit einer Handgranate einen zweiten Schlag führen. Doch dabei ging vieles schief oder verlief zumindest anders als geplant.
Gabciks Maschinenpistole versagte, er sprang von dem Wagen zurück. Heydrich, offenbar schockiert, gab seinem Fahrer, Oberscharführer Klein, den Befehl zur Vollbremsung, erhob sich vom Beifahrersitz und versuchte, mit seiner Pistole auf Gabcik zu schießen, ebenfalls ohne Erfolg - vermutlich war die Waffe nicht geladen. Kubiš warf seine Granate, die beim Aufschlag an der Wagenseite sofort explodierte. Die Splitter verletzten Heydrich so schwer, dass er wenig später über der Kühlerhaube zusammenbrach. Die beiden Attentäter konnten flüchten. Ein Lieferwagen wurde gestoppt, um den Verletzten ins nächstgelegene Hospital zu fahren.
Es stellte sich heraus, dass Splitter und Rosshaar vom Autopolster oberhalb des Zwerchfells am Rücken eingedrungen waren; sie hatten Heydrichs Milz zerstört. Dennoch hätte er gerettet werden können, wäre es nicht zur Wundinfektion im Bauchraum gekommen: Das Penicillin, das hier geholfen hätte, besaßen erst die Engländer, die Deutschen noch nicht.
Während in Prag bereits wenige Stunden nach dem Anschlag eine Großfahndung nach den Attentätern anlief, die Presse zunächst von nur leichten Verletzungen berichtete, verschlechterte sich Heydrichs Zustand zusehends. Sein Ringen mit dem Tod dauerte acht Tage. Am 4. Juni erlag er seinen Verletzungen.
Bereits einen Tag später begann nächtens das pompöse NS-Ritual. Begleitet von Fackelträgern wurde der Sarg Heydrichs von einem SS-Kommando auf einer Lafette zum Hradschin überführt und dort im Ehrenhof aufgebahrt. Den Hintergrund schmückten ein riesiges Eisernes Kreuz und SS-Fahnen auf Halbmast. Die Bevölkerung war aufgerufen, von "ihrem" Protektor Abschied zu nehmen und defilierte am nächsten Tag zu Tausenden am Katafalk vorbei. Die Trauerfeier wurde musikalisch umrahmt von Beethoven, der deutschen Nationalhymne und dem Horst Wessel-Lied.
Dann wurde der Sarg von einem Trauerzug zum Hauptbahnhof geleitet, von wo ihn ein Sonderzug nach Berlin brachte. Hier folgte am 6. Juni, wie bereits geschildert, das gigantische Staatsbegräbnis: als Übergangsritus, der so die Suggestion - den Transfer des großen Mannes aus der Welt der Lebenden in die Nachwelt sicherstellen und dem kollektiven Gedächtnis der Nation anbefehlen soll.
Dieser Vorgang dämpft den Schlag, den der Tod eines Führers dem Reich versetzt und wertet das Ereignis zur Quelle der Macht auf, indem der Tote zum Ahnherrn wird, der die Lebenden weiterhin mit seinem Beispiel erfüllt. Als zunächst aktuelle Zuschauer bildeten sie in Berlin ein Spalier, das bis zum Invalidenfriedhof reichte: dem preußischen Ort der Beisetzung par excellence. Ein "Großer" wie Heydrich musste neben anderen großen Männern begraben werden, neben Scharnhorst und Gneisenau.
Währenddessen hatte die deutschen Großfahndung in Prag kein Ergebnis gebracht. Die Suche nach den Attentätern war erfolglos, der Patriotismus der Prager erwies sich als stärker. Es blieb der Bevölkerung eine von massiven Drohungen begleitete Aufforderung zur Mithilfe - Frist bis 18. Juni - zu setzen. Tatsächlich fand sich ein Verräter: Karel Curda, der kurz vor Ablauf der Frist die Prager Gestapo-Zentrale im Pecek-Palast aufsuchte. Er hatte zu einer weiteren, aus England eingeflogenen Gruppe von Fallschirmagenten gehört. Um sein und seiner Familie Leben zu retten, vielleicht auch des hohen Lösegelds wegen, verriet er, bei wem die Attentäter zunächst Unterschlupf gefunden hatten. Und setzte so die Gestapo auf die Spur.
Attentat kostete Tausende Tote
Der Grad der Grausamkeit, mit der sie durch Folter ans Ziel kam, spiegelt den "Erfolgszwang", unter den der wütende Hitler die Prager Sicherheitsorgane gesetzt hatte. Der minderjährige Sohn der Familie, die die Attentäter versteckt hatte, brach nach langem Verhör zusammen und verriet den Ermittlern, dass sie sich in der orthodoxen St. Cyrill und Method-Kirche verbergen würden. Das Drama endete, als am Tag darauf 800 SS-Männer die Kirche umstellten und in sie eindrangen. Nach einer mehrstündigen, wilden Schießerei - die Attentäter hatten die letzten Kugeln für ihren Freitod eingesetzt - wurden sie tot aus den Katakomben nach oben gebracht und auf dem Bürgersteig nebeneinander gereiht, zwecks Identifizierung.
Die Frage: "Hat es sich gelohnt?" wurde von den Tschechen lange kontrovers beantwortet, der Tausenden von Toten wegen, die das Attentat kostete; einer Repression, die nur mit der nach dem Attentat vom 20. Juli vergleichbar ist und viele Unschuldige traf - wie sehr beiden Anschlägen auch unterschiedliche Konstellationen zugrunde lagen. Für beide, das geglückte und das missglückte Attentat, gilt, dass sie am Kriegsverlauf und den Machtverhältnissen unmittelbar nichts änderten; ihre Wirkung setzte erst später ein.
Die lag - und liegt - in der moralischen Botschaft der Tat: Der erkennbare, konkrete Widerstand galt den Alliierten als eine der Voraussetzungen für die Wiederherstellung der Tschechoslowakei nach dem Krieg. Und der 20. Juli 1944 half Deutschland mit, in die Völkergemeinschaft zurückzukehren.
Die Frage: "Hat es sich gelohnt?" wurde von den Tschechen lange kontrovers beantwortet, der Tausenden von Toten wegen, die das Attentat kostete; einer Repression, die nur mit der nach dem Attentat vom 20. Juli vergleichbar ist und viele Unschuldige traf - wie sehr beiden Anschlägen auch unterschiedliche Konstellationen zugrunde lagen. Für beide, das geglückte und das missglückte Attentat, gilt, dass sie am Kriegsverlauf und den Machtverhältnissen unmittelbar nichts änderten; ihre Wirkung setzte erst später ein.
Die lag - und liegt - in der moralischen Botschaft der Tat: Der erkennbare, konkrete Widerstand galt den Alliierten als eine der Voraussetzungen für die Wiederherstellung der Tschechoslowakei nach dem Krieg. Und der 20. Juli 1944 half Deutschland mit, in die Völkergemeinschaft zurückzukehren.