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Mann mit Vergangenheit

Hans Maria Globke, Staatssekretär im Kanzleramt, gehörte zu den einflussreichsten Politikern im Umfeld des Bundeskanzlers Konrad Adenauer. Globke war nie Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei. Sein Aufnahmeantrag wurde 1943 endgültig abgelehnt. Und doch ist Hans Maria Globke ein Mann mit Vergangenheit.

Von Conrad Lay | 27.04.2009
    Die Grabenkämpfe des Kalten Krieges funktionierten nach einem einfachen Muster: "Wer meinen Freund kritisiert, ist mein Feind. Wer meinen Feind kritisiert, ist mein Freund." Wer also in den fünfziger Jahren den Kommentator der nationalsozialistischen Nürnberger Rassengesetze und Staatssekretär Konrad Adenauers, Hans Maria Globke, kritisierte, der musste von den Kommunisten jenseits des Eisernen Vorhangs bezahlt sein. So einfach funktionierte die Bundesrepublik, mindestens in ihren ersten Jahrzehnten. Zur Folge hatte dies, dass Kritik an Globke ausschließlich aus Ost-Berlin kam, dort wurde er sogar zu lebenslanger Haft verurteilt. Innerhalb der Bundesrepublik jedoch war Globke zu Lebzeiten Adenauers sakrosankt, danach geriet er bald in Vergessenheit.

    Dem will der Buch- und Film-Autor Jürgen Bevers nun mit einer kritischen Biographie des NS-Juristen und ersten Mannes hinter Adenauer abhelfen. Mitte der fünfziger Jahre hatte Adenauer seinen tüchtigsten und treuesten Denker mit den Worten gelobt:

    "Ich wüsste keinen, den ich an die Stelle Globkes setzen könnte. Er ist ein Beamter von ungewöhnlichem Pflichtgefühl, mit besonders gutem Gedächtnis, ungeheurer Personenkenntnis, überragender Intelligenz und Verschwiegenheit."
    In der Tat, Pflichtgefühl gegenüber allen Herren, ob gegenüber den NS-Reichsinnenministern Frick und Himmler oder Bundeskanzler Adenauer, zeichnete den preußischen Beamten und gläubigen Katholiken aus. Und er hatte - wenn er wollte - auch ein hervorragendes Personengedächtnis, etwa bei der Auswahl der Beamten des Kanzleramtes. Merkwürdigerweise verließ ihn sein Gedächtnis nur vor Gericht - und zwar immer dann, wenn es um seine Vergangenheit ging. Wörtlich erklärte Globke:

    "Ich habe von einer Endlösung der Judenfrage, in dem Sinn, dass nun alle Juden umgebracht werden sollten, nie etwas gehört. Den vollen Umfang der Gräuel, die verübt worden sind, habe ich erst nach dem Kriege erfahren."
    Gegenüber Adenauer trat Globke als treuer Diener auf, der stets die Grenzen respektierte, die durch die amtliche Stellung und den Unterschied im Lebensalter gezogen waren. Adenauer wiederum gab mit der Einsetzung des Kommentators der Rassengesetze als seinen engsten Mitarbeiter ein Signal an alle Nationalsozialisten aus, sich am Aufbau der Bundesrepublik zu beteiligen. Während Adenauer Globke nach außen gegen alle Angriffe in Schutz nahm, hatte er ihn im persönlichen Verhältnis aufgrund dessen brauner Vergangenheit in der Hand.

    Hans Maria Globke war - wie Adolf Eichmann - ein Schreibtischtäter, der zeit seines Lebens niemals seine aktive Mitarbeit an der Judenverfolgung bedauerte. Seine Tätigkeit in hohen Positionen des Reichsinnenministeriums vertrug sich bestens mit der NS-Ideologie. Das ist deshalb erstaunlich, weil üblicherweise die Nationalsozialisten mit gläubigen Katholiken und engagierten Politikern der papstnahen Zentrumspartei kein leichtes Spiel hatten; man denke an Adenauer selbst. Doch wie sich am Fall Globke zeigt, war das katholische Milieu gegen den Nationalsozialismus nicht gefeit. Bei Hans Maria Globke überwogen - so die Interpretation von Jürgen Bevers - das preußische Pflichtgefühl des Beamten und die weltanschaulichen Gemeinsamkeiten mit den Nationalsozialisten, insbesondere der tief sitzende Antikommunismus. Der Autor schreibt:

    Im Antikommunismus trafen sich Vatikan und fast alle deutschen Geistlichen, katholische Politiker, nationalistische Kreise, konservative Militärs und Nazis. Der gemeinsame Feind waren Juden, Intellektuelle, Bolschewisten - die verhasste Dreifaltigkeit. Von den Nazis hatte man sich die Vernichtung des "Bolschewismus", des personifizierten "Satans" versprochen, im Kalten Krieg setzte sich der Kampf an der Seite der Westalliierten nahtlos fort.
    Das Verhältnis zwischen Katholizismus und Nationalsozialismus schält sich als zentrale Frage dieser Biographie heraus. Hier hätte der Autor seine Recherchen durchaus vertiefen können; zumal er ja selbst bemerkt, dass es nach wie vor an einer kritischen, wissenschaftlichen Analyse zur Person Globkes fehlt. Mit einem Exkurs zu "Vatikan und Hitler" ist es da nicht getan. Gerade auch deswegen, weil die Beispiele Globke und Adenauer deutlich machen, wie unterschiedlich rheinische Katholiken auf die Nazis reagieren konnten.

    Letztere waren sich der Schwierigkeiten, die sie üblicherweise mit strengen Katholiken und Zentrumspolitikern hatten, sehr wohl bewusst. Aus diesem Grunde lehnten sie es auch ab, Globke in die NSDAP aufzunehmen. Dieser wäre gern in die Partei des Führers eingetreten, er hatte im Jahr 1941, auf dem Höhepunkt der nationalsozialistischen Macht, einen entsprechenden Antrag gestellt.

    Bereits im Jahr 1932, also vor der Machtübernahme der Nazis, erarbeitete der Ministerialbeamte Globke Richtlinien zur Behandlung von Namensänderungen; dabei forderte er, dass der Familienname - so wörtlich - "der Kenntlichmachung der blutmäßigen Zusammenhänge" diene. Wörtlich schrieb Globke:

    Bestrebungen jüdischer Personen, ihre jüdische Abkunft durch Ablegung oder Änderung ihrer jüdischen Namen zu verschleiern, können daher nicht unterstützt werden.
    Wer sich bereits vor der Nazi-Zeit antisemitisch gebärdete, brauchte anschließend nicht "überzeugt" zu werden. 1936 verfasste Hans Maria Globke den ersten Rechtskommentar zu den Nürnberger Rassegesetzen. Darin erweiterte er den Tatbestand der sogenannten "Rassenschande" auf "beischlafähnliche Handlungen". Er schwächte also die NS-Rassenpolitik nicht ab, er verschärfte sie.

    Nach 1945 sorgte Globke mithilfe mehrerer "Persilscheine" dafür, dass er als kleiner Beamter dargestellt wurde, der die katholische Kirche über die Judenverfolgung informierte. Ein katholischer Widerstandskämpfer war er jedoch nicht, entsprechende Beweise suchte Jürgen Bevers vergeblich. Globke war vielmehr ein Technokrat, der immer mitspielte - auch bei der Judenverfolgung.

    "Ich meine, wir sollten mit der Nazi-Riecherei jetzt mal Schluss machen."
    Diesen Ratschlag musste Konrad Adenauer seinem Staatssekretär Globke nicht zweimal geben. Dieser kontrollierte die Personalpolitik der Bundesregierung bis in die Details und hatte mit Zustimmung Adenauers viele Beamte aus der Nazi-Bürokratie in führende Positionen gehievt, so etwa den BND-Chef Reinhard Gehlen. Globke war der Verbindungsmann zur CIA und kümmerte sich um den Aufbau des Verfassungsschutzes.

    Jürgen Bevers hat eine informative, facettenreiche Biographie vorgelegt. Sie wirft viele Fragen zum Verhältnis von Katholiken und Nationalsozialisten auf und beantwortet einige. Sein Buch kommt zur rechten Zeit: den bevorstehenden Jubelfeiern zur Gründung der Bundesrepublik versetzt es einen Dämpfer.

    Jürgen Bevers: "Der Mann hinter Adenauer. Hans Globkes Aufstieg vom NS-Juristen zur Grauen Eminenz der Bonner Republik", Christoph Links Verlag, Berlin 2009,
    Euro 19.90.