"Ja, der Bahnhof gehört keiner Stadt, keiner Kommune, das ist unser Bahnhof!" Jörg Löffler ist stolz. Der 57-jährige Leiter einer Flüchtlingsunterkunft steht im Wartesaal des Bahnhof Eisleben. 2015 hat er zusammen mit knapp 40 anderen Mitstreitern eine Genossenschaft gegründet und den Bahnhof gekauft. Zu einer Zeit als das 1865 gebaute historische Bahnhofs-Gebäude nur noch eine runtergekommene Ruine war, die über Jahre leer stand.
"Eisleben ist nicht interessant genug. Wenn Sie weitergucken, nach Erfurt und Magdeburg, sieht das schon wieder ganz anders aus. An Eisleben als besserer Haltepunkt hatte die Bahn aber kein Interesse. Und wäre auch gut mit einem kleinen Pavillon ausgekommen."
Während man in Stuttgart, München oder Hamburg viel Geld in neue Bahnhofsprojekte steckt, lässt man die kleinen - meist auch architektonisch interessanten - Stationen im ländlichen Raum verfallen: Bahnhofsretter Löffler kann es nicht verstehen.
Das Vorgehen der Bahn irritiert
Hätten die Bürger nicht das Zepter in die Hand genommen, würde es heute in Eisleben - immerhin Teil des UNESCO Weltkulturerbes - keinen klassischen Bahnhof mehr geben. Auch weil aufgrund der miesen Finanzlage, die Stadt das alte Gebäude nicht hätte kaufen können.
Aus der Bahnhofshalle ist ein lichtdurchflutetes helles Entree geworden. Ein warmer Willkommensgruß für jeden Besucher der Stadt Eisleben, die direkt an der Bahnstrecke Halle-Kassel liegt. Jörg Löffler steht auf dem edlen grauen Fliesen-Boden, darunter befindet sich eine Fußbodenheizung. Sein Blick kreist, die Augen strahlen.
"Wenn Sie dahinten sehen, die farbigen Stühle, das ist die Bestuhlung, die gehört hier rein. Haben 100 Sitzplätze, eine kleine Bühne. Was man so braucht für eine Veranstaltungshalle. Sie können hier Kino machen, wir haben Wände für Ausstellungen. Beschallung. Alles da."
Die Besucher staunen, sind aber über das Vorgehen der Deutschen Bahn irritiert, die gerade kleine Bahnhöfe in abgelegenen Regionen verfallen lässt. "Ich denke schon, dass die Bahn mehr in der Pflicht sein müsste, zu erhalten."
Die Bahn hat sich dazu nur in einem Einzeiler geäußert und schrieb in einer E-Mail: "Das Empfangsgebäude in der Lutherstadt Eisleben wurde verkauft, da die DB es nicht mehr für den Bahnbetrieb benötigt."
Viele Strecken sind in schlechtem Zustand
Überhaupt: die Deutsche Bahn und Sachsen-Anhalt, ein höchst problematisches Kapitel. Denn nicht nur so mancher Bahnhof, sondern auch viele Strecken - insbesondere die kleinen Nebenstrecken - sind in einem schlechten Zustand. Und als ob es das Vergehen das Landes sei, hat die Bahn deswegen jahrelang vom Land Sachsen-Anhalt höhere Nutzungsgebühren als üblich verlangt.
Dazu muss man wissen, dass die Länder für die Nutzung jedes Gleises zahlen müssen. Das sind die sogenannten Trassenpreise, andere sprechen von einer Maut. "Speziell in Sachsen-Anhalt hat die DB-Netz AG seinerzeit festgestellt, einen erhöhten Instandhaltungs- und Betriebsaufwand zu haben. Deswegen ist die DB-Netz AG gekommen und hat gesagt, ich schlage auf die Nebenstrecken ein Zusatzentgelt drauf, das müsse bezahlt werden. Andernfalls könne die Strecke nicht mehr vorgehalten werden."
Von einer Droh-Gebärde der Bahn will Rüdiger Malter nicht sprechen. Er ist der Geschäftsführer der zuständigen Landesbehörde - dem Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt. Aber man fühle sich von der Bahn in gewisser Weise schon vorgeführt. Denn der Staatskonzern habe doch so versucht, erklärt der Landesbeamte Rüdiger Malter, die Folgen der schlechten Infrastruktur auf das Land Sachsen-Anhalt abzuwälzen.
"Nach dem Grundgesetz gibt es eine klare Trennung, wer für was verantwortlich ist. Und für die Schienenstrecken des Bundes ist nach dem Grundgesetz Artikel 87e eindeutig der Bund zuständig. Und nicht die Länder."
Bahnsteige müssen dringend saniert werden
Weshalb das Land Sachsen-Anhalt vor dem Landgericht Frankfurt nun 155 Millionen Euro von der Bahn zurückfordert. Inklusive Prozesskosten würde sich das - nach Angaben des Landes - auf etwa 240 Millionen Euro summieren. Im Juli sollte darüber entschieden werden, doch die Entscheidung ist vertagt. Das Landgericht Frankfurt will zunächst ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs abwarten, das noch im laufenden Jahr erwartet wird.
Zurück nach Eisleben. Denn während der Bahnhof saniert ist, sind die Bahnsteige - die Eigentum der Bahn sind - noch immer in einem sehr schlechten, man kann auch sagen, miserablen Zustand. 2017 sollten sie eigentlich bereits saniert sein, doch bis jetzt ist nichts passiert. Jetzt hat die Bahn das Jahr 2020 avisiert.
Warum sich die Bahn so viel Zeit lasse, die Eislebener Rathauschefin Jutta Fischer kann es nicht verstehen. Startet aber einen dringenden Appell, der fast wie ein Hilferuf klingt: "Eisleben darf niemals abgekoppelt sein."