Auf einem Felsvorsprung kniet ein betender Christus. Im Hintergrund ragt eine gewaltige Stadt auf, römische Soldaten nähern sich, um Christus zu verhaften. Andrea Mantegnas "Christus im Garten Gethsemane" von 1455 zeigt einige der Merkmale seiner Kunst: sein Interesse an Felsformationen, an Architektur, seine Faszination für die Antike, seine Verwendung der verkürzten Perspektive von Figuren, hier die im Vordergrund schlafenden Jünger.
Daneben hängt Giovanni Bellinis zwei Jahre später entstandene Version desselben Motivs. Die Komposition lehnt sich eng an Mantegna an, doch die Landschaft ist luftiger, die Stadt weniger dominierend. Besonders das Licht des frühen Morgens ist auffallend. Mantegnas eher harte Stimmung wird bei Bellini fast zärtlich, als wolle er Hoffnung machen.
Der eine Selfmade-Man, der andere Spross einer Künstlerdynastie
Auch die Herkunft der beiden hätte unterschiedlicher nicht sein können. Mantegna ist der Selfmade-Man und Senkrechtstarter, der Sohn eines Schreiners aus einem Dorf bei Padua. Sein Talent wurde bald erkannt, in der Universitätsstadt stillte er seinen Hunger nach Wissen und wurde schon bald zum Malerstar.
Bellini dagegen stammt aus der führenden venezianischen Künstlerdynastie, Vater Jacopo führte die erfolgreichste Malerwerkstatt der Lagunenstadt. 1453 verheiratete er seine Tochter Nicolosia mit dem jungen Mann aus Padua, um ihn zu neutralisieren. Sieben Jahre lang arbeiteten die beiden Schwager eng zusammen, bis Mantegna Hofmaler der mächtigen Gonzaga in Mantua wurde. Waren die beiden Konkurrenten? Michael Eissenhauer ist Direktor der Berliner Gemäldegalerie, wo die Ausstellung ab März nächsten Jahres zu sehen sein wird.
"Sie waren zunächst einmal verwandt, haben sich angeregt, haben sich gemocht, aber sie waren auch Konkurrenten und sind sich in der Konsequenz in ihrem Einzugsbereich auch ausgewichen. Und ich glaube, auch das zeigt: die beiden haben schon auch darauf geschaut, dass sie in ihrer Andersartigkeit und als Konkurrenten auf dem Kunstmarkt auch eigene Auftraggeber erschließen können."
Kreuzigungen, Grablegungen, Auferstehungen im Vergleich
Der Rundgang durch die sechs Räume der Schau ist ein wahres Vergnügen für das Auge. Zu Beginn sieht man erste Gehversuche der jungen Maler und eine Gegenüberstellung: Mantegnas "Darstellung Christi im Tempel", die Figuren ganz nah an den Bildrand gerückt, rechts ein Mann, links eine Frau, die, so glaubt man, Porträts des Malers und seiner Gattin sind. 20 Jahre später pauste Bellini das Gemälde durch und schuf seine eigene Version, ähnlich und doch so verschieden. Die Figuren sind etwas nach hinten gerückt, dominieren den Bildraum nicht so sehr, auch hier wieder eine sanftere Stimmung.
Es folgen weitere Vergleiche: Kreuzigungen, Grablegungen, Auferstehungen. Dazwischen erstaunliche Zeichnungen, auf denen vor allem Mantegna mögliche Posen seiner skulpturalen Figuren durchspielt.
Im letzten Raum dann der Höhepunkt: Die letzten Werke der beiden Meister. Drei gewaltige Paneele von Mantegnas neunteiligem Zyklus "Der Triumphzug Caesars" zeigen seine Kenntnis der Antike und seine Erzählkraft. Gegenüber hängt Bellinis "Der trunkene Noah", eines seiner wenigen erzählerischen Werke, ganz locker und frei gemalt.
Mantegna meißelt, Bellini streichelt
Schon dem zeitgenössischen Chronisten Giorgio Vasari war Mantegnas "Härte" aufgefallen – "als male er Stein und nicht lebendiges Fleisch". Mantegna meißelt, Bellini streichelt. Der Venezianer ist der Maler des "sfumato", der verschwimmenden Umrisse, sowie der Maler der Farbe und des Lichts, wie Barbara Korbacher, eine der Kuratorinnen und Direktorin des Berliner Kupferstichkabinetts, erläutert.
"Das schönste Beispiel ist bei uns in der Gemäldegalerie natürlich die "Auferstehung Christi", wo im Hintergrund diese zartrosa Wolken den Ostermorgen ankündigen. Was man nicht mit Linien, nicht mit genauer Konstruktion inszenieren kann. Das geht nur durch Licht und durch Farbe."
Ein Juwel der Berliner Sammlung ist so klein, dass man es bei dem Rundgang fast übersieht. Mantegnas sogenannte "Simon Madonna mit Kind" zeigt eine junge Frau ohne Heiligenschein in inniger Zweisamkeit. Beweis, dass der harte Mantegna ebenso Emotion darstellen konnte wie der sanftere Bellini.