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Manuskript: Der Schatz am Meeresgrund

Dass in den Ozeanen nach Öl und Gas gebohrt wird, ist schon seit Jahrzehnten selbstverständlich, ebenso der Abbau von Diamanten vor der namibischen Küste. Angesichts hoher Rohstoffpreise rücken inzwischen jedoch auch andere marine Bodenschätze ins Interesse der Bergbaufirmen

Von Dagmar Röhrlich |
    "Am 13. Februar 1977 tauchten wir mit Alvin vor den Galapagos-Inseln. Ich weiß es noch wie heute: Wir fuhren nach Norden, und nach 150, 200 Metern entdeckten wir vor dem Fenster eine Krabbe. Plötzlich wurde das Wasser milchig. Die Temperaturanzeige gab Alarm, weil es wärmer wurde. In diesem Moment wies der Pilot auf die vielen Krabben hin, sehr große Krabben, zwanzig, dreißig Zentimeter lang. Und sehr exotische Röhrenwürmer, die wie Plastikschläuche aussahen. Sie hatten rote Federn am Kopf, strahlend rote Federn."

    Am 13. Februar 1977 sahen der Geologe Jack Corliss und die Besatzung der Alvin als erste Menschen einen Black Smoker: vulkanische Quellen am Meeresgrund, aus deren Schloten heißes, mineralbeladenes Wasser wie schwarzer Rauch quillt:

    "Dort unten ist es pechschwarz. Diese unglaublich hohe biologische Produktivität in der ansonsten kargen Tiefsee musste also auf Mikroorganismen basieren und chemische Energie aus den Vulkanquellen."

    Als er diese Oase in der Tiefsee entdeckte, ahnte Jack Corliss, dass das biologische Dogma fällt, nach dem alles Leben von der Sonne abhängt. Nicht in den Sinn kam ihm, dass sie Stoff für Aktionärsträume abgeben könnte. Denn diese schwarzen Schlote bestehen aus Metallsalzen, die heiße Hydrothermalwässer aus dem Untergrund lösen. Die fallen beim Kontakt mit der eiskalten Tiefsee aus, und so wachsen die "rauchenden" Felder.

    "Bei den Metallerzen, die im Bereich dieser Schwarzen Raucher gebildet werden, hat man auf engem Raum zum Teil hohe Konzentrationen an Kupfer, Zink und Blei","

    Peter Herzig ist Direktor des Meeresforschungsinstituts Geomar in Kiel,

    ""aber auch Edelmetalle wie Gold und Silber oder auch Spezialelemente wie Indium, das wird benutzt um Flachbildschirme zu beschichten, also für Hochtechnologieanwendungen."

    Es ist der Metallbedarf der Hightechindustrie, der die Lagerstättensuche in der Tiefsee antreibt:

    "Wir wollen die Green Economy entwickeln, alternative Energiequellen stärken und Autos künftig mit Strom betreiben oder als Hybrid. Das bedeutet, dass wir immer mehr Metalle brauchen. Uns muss klar sein, dass wir dann weniger fossile Energieträger einsetzen, gleichzeitig jedoch mehr metallische und mineralische Rohstoffe verbrauchen."

    Samantha Smith propagiert den Tiefseebergbau. Sie arbeitet als Umweltmanagerin bei Nautilus Minerals, einem Unternehmen mit Hauptquartier in Toronto:

    "Nur ein Beispiel: Eine einzige Windturbine enthält 500 Kilogramm Nickel und 500 Kilogramm Kupfer. Das bedeutet, dass sich gegenüber der konventionellen Stromproduktion der Kupferbedarf pro Kilowattstunde verzwölffacht. Elektroautos verbrauchen doppelt so viel Kupfer wie konventionelle."

    Hinter Nautilus Minerals stehen große Metall- und Rohstoffkonzerne. Smith:

    "Wir werden uns entscheiden müssen, woher diese Metalle kommen sollen. Die Erde heißt Blauer Planet, weil sie zu 70 Prozent mit Meeren bedeckt ist. Sollten wir sie nicht in den Meeren abbauen statt an Land?"

    Die Metall-Schätze der Tiefsee stecken nicht nur in den Massivsulfidlagerstätten der Black Smoker. Interessant sind auch die Mangankrusten auf Tiefseebergen - einsamen, seit Jahrmillionen erloschenen Vulkanen. Als drittes sind da die unscheinbaren, schwärzlich-braunen Manganknollen. Die wachsen in den Schlammweiten des Pazifiks heran, liegen wie Kartoffeln im Tiefseeschlick. Die lieferten bereits 1965 Stoff für Träume: Mitten im Kalten Krieg waren die Preise für Kupfer, Nickel und Kobalt hoch und die Schätzungen über die Vorräte astronomisch. Allerdings steckte die Fördertechnik in den Kinderschuhen, die Navigation erfolgte im Grunde nach den Sternen, und die Preisschocks der Ölkrisen machten die entlegenen Meeresgebiete unattraktiv. Als große Lagerstätten an Land entdeckt wurden, erlosch das Interesse.

    "Wir sitzen jetzt Anfang des 21. Jahrhunderts in der Situation, dass die Metallpreise seit Jahren steigen und dass man dadurch nach neuen Rohstoffvorkommen schaut. Wir greifen praktisch den Faden aus den 70er-, 80er-Jahren auf und versuchen, mit unseren heutigen Methoden den Anlauf weiterzuführen."

    Michael Wiedicke von der BGR, der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover. Und so vergibt die Internationale Meeresbodenbehörde für 250.000 Dollar pro Lizenz Erkundungsrechte:

    "Die Internationale Meeresbodenbehörde ist durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen ins Leben gerufen worden. Unser Auftrag ist es, den Meeresbergbau jenseits der nationalen Gesetzgebung zu regeln."

    Michael Lodge gehört zum Führungsstab der UN-Organisation mit Sitz in Kingston, Jamaika. Sie wurde nach dem Manganknollen-Hype vor 40 Jahren gegründet. Damals wollten die in der Gruppe 77 organisierten Entwicklungsländer verhindern, dass die Industrienationen die Lagerstätten in internationalen Gewässern für sich reklamieren.

    "Die Seerechtskonvention sieht vor, dass den Entwicklungsländern ein bevorzugter Zugang zu den Bodenschätzen der Meere gewährt wird. Wer einen Claim in internationalen Gewässern untersucht - gleich ob auf Manganknollen, Massivsulfide oder Mangankrusten -, muss am Ende der Erkundung sein Gebiet gleichwertig aufteilen und eine Hälfte mit allen Daten an uns zurückgeben. Die ist dann für Entwicklungsländer reserviert. Tonga, Nauru und Kiribati haben die Chance genutzt und treten als Sponsorstaaten für Bergbauunternehmen auf."

    Denn Privatunternehmen erhalten nur dann Zugang zu einem Claim, wenn eine Nation die Patenschaft übernimmt. Michael Lodge:

    "Der Grund dafür ist, dass letztendlich ein Staat die Verantwortung dafür übernehmen muss, dass die Firma alle Verpflichtungen erfüllt und den Auflagen der Internationalen Meeresbodenbehörde nachkommt."

    Die Anfangsinvestitionen für den Manganknollenabbau werden auf ein bis zwei Milliarden US-Dollar geschätzt, die Betriebskosten jährlich auf 200 Millionen Dollar. Der Gewinn soll jedoch vielfach höher liegen: Obwohl er technologisches Neuland ist und die Vorkommen weitab industrieller Zentren liegen, kann er sich rechnen. Zu diesem Schluss kommen mehrere Studien. Also stecken Industrie- und Entwicklungsländer ihre Claims ab. Bei den Manganknollen passiert das im Clarion-Clipperton-Gürtel, einer Region zwischen Hawaii, dem Äquator und Mexiko. Dort werden sieben Milliarden Tonnen Mangan, 340 Millionen Tonnen Nickel, 290 Millionen Tonnen Kupfer und 78 Millionen Tonnen Kobalt vermutet. Frankreich und Indien halten Erkundungslizenzen auf Manganknollen, ebenso Japan, Russland, China, Korea, Großbritannien, Belgien und Deutschland. Inzwischen hat die Internationale Meeresbodenbehörde auch Lizenzen für die Black-Smoker-Felder vergeben. Michael Lodge:

    "Die Zahl der Claims hat sich in den vergangenen beiden Jahren stark erhöht. 2012 hatten wir allein fünf Bewerber auf neue Lizenzen."

    Derzeit seien im Atlantischen, Pazifischen und Indischen Ozean mehr als eine Million Quadratkilometer an Claims vergeben, erklärt Michael Lodge,

    "außerdem haben sich 2013 bereits Japan und China um eine Lizenz für Mangankrusten beworben. Es waren die ersten für diese Vorkommen. Inzwischen ist noch Russland dazu gekommen."

    Die Mangankrusten auf den erloschenen Tiefseevulkanen könnten sich als wertvollste Ressource der Tiefsee erweisen. Allerdings sind sie am wenigsten erforscht. Zwar wachsen sie mit höchstens fünf Millimetern pro Jahrmillion, aber in ihnen steckt so ziemlich alles, was die Hochtechnologie braucht - und in Mengen, bei denen nur die besten Lagerstätten an Land mithalten. Deshalb überlegen Tausende von Ingenieuren rund um die Welt, wie sich diese Krusten sauber von den Seebergen abkratzen lassen. Lodge:

    "In the last couple of weeks we had applications from the UK for another exploration license for nodules."

    Außerdem bewirbt sich Großbritannien um eine zweite Manganknollenlizenz. Es kommt Bewegung ins Spiel. Deshalb hält auch die Bundesrepublik seit 2006 wieder einen Claim im Clarion-Clipperton-Gürtel. Inzwischen hat er sich als erfolgversprechend erwiesen. Der Tiefseebergbau ist ein Zukunftsthema., erklärt Michael Wiedicke von der BGR:
    "Die Pfähle, die werden momentan eingeschlagen. Die Akteure, die das sehr frühzeitig angehen, die werden einen Vorsprung haben, um auch den beginnenden Markt deutlich stärker nutzen zu können als die, die warten bis der Status kommt und dann sagen: Oh, wir haben gar nichts entwickelt und würden gerne etwas bauen, aber das haben jetzt schon andere Länder gemacht, und dann wird man zähneknirschend feststellen, dass man offenbar den Startschuss verpasst hat."

    Aker Wirth in Erkelenz. Ein Spezialist für Tunnelbau und Fördertechnik - und mit Tiefseeerfahrung. Deshalb hat Aker Wirth zusammen mit der BGR im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie ein Abbau-Konzept für Manganknollen entwickelt und in seinen Werkshallen einen verkleinerten Prototypen des Crawlers gebaut. Schon der ist garagengroß, ein gelber Riese mit Raupenketten, Kameras, Greifarmen…

    "Das Problem ist , dass die Manganknollen auf Sedimenten liegen und dass man eine Förderung nur sehr schwer umweltverträglich realisieren kann","

    erklärt Steffen Knodt, Vizepräsident Technologie und Innovation bei dem Mittelständler. Wird Tiefseeschlick aufgewirbelt, können Schlammwolken entstehen, die dann von Tiefenströmungen verbreitet werden und das Bodenleben ersticken. Das sollen Abdeckungen verhindern und ein spezielles "Fächersystem": eine Walze mit zwei Metern Durchmesser, auf der so etwas wie Harken sitzen. Knodt:

    ""Das Konzept sieht vor, dass wir mit einem Fächersystem die Manganknollen aus dem Sediment heben und sie in einen Kollektor überführen, wo die Manganknollen gereinigt werden, transportiert werden zu einem Zwischenpuffer, um dann in einem Förderstrang auf 5000 Meter gehoben werden, um dann letztendlich einer weiteren Verarbeitung zugeführt zu werden."

    Zwei dieser Crawler müssten am Meeresboden arbeiten: 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche. Schließlich rentiert sich der Abbau erst bei einem jährlichen Fördervolumen von 2,2 Millionen Tonnen.

    "Zur Zeit - wie auch schon vor 40 Jahren - werden alle Lizenznehmer an ihren eigenen Lösungen arbeiten","

    erklärt Michael Wiedicke von der BGR,

    ""bei den Manganknollen gibt es eine ganze Reihe von Lizenznehmern, die ihre Lizenz seit 2001 haben. Die Lizenzen haben eine Laufzeit von 15 Jahren. Viele Lizenznehmer haben noch vier, fünf Jahre, dann müssen sie eine Entscheidung treffen: Hören wir mit dem auf, war das nur ein Versuch, den wir wegpacken oder gehen wir den nächsten Schritt und gehen auch den Abbau an."

    Außerdem sorgt ein neuer Spieler für Aufregung: Großbritannien will mit seiner zweiten Manganknollenlizenz eine britische Tochtergesellschaft des US-Technologie- und Rüstungskonzerns Lockheed Martin sponsorn:

    "UK Seabed Resources, a whole owned subsidiary of Lockheed Martin UK will assemble a deep sea manganese recovering and processing system using low risk commercially available equipment and technology."

    Die Firma will Manganknollen abbauen - mit kommerziell verfügbarer Ausrüstung. Einen sehr guten Datensatz über das Gebiet besitzt Lockheed Martin bereits…

    Druck macht auch Nautilus Minerals. Dazu hat sich die kanadische Firma mit dem Inselstaat Nauru zusammengetan:

    "Nauru ist ein verhältnismäßig kleine Inselgruppe, war früher eine deutsche Kolonie, was kaum einer weiß, wurde dann von Australien nach Phosphaten ausgebeutet. Und ich hoffe, keiner auf Nauru nimmt daran Anstoß: Die Insel hat heute das Aussehen einer Mondlandschaft. Von der Insel selbst können die Einwohner nicht leben","

    beschreibt Rüdiger Wolfrum, Richter am Internationalen Seegerichtshof in Hamburg. Nachdem Nauru in den 1970er Jahren das zweithöchste Pro-Kopf-Einkommen der Welt gehabt hatte, war das Land am Ende des Phosphatbooms auf den Stand eines Entwicklungslands abgestürzt. Da geben die Schätze der Tiefsee Hoffnung. Sicherheitshalber ließ Nauru beim Internationalen Seegerichtshofes in Hamburg ein Rechtsgutachten über die Haftungsfragen beim Tiefseebergbau erstellen. Das Ergebnis, so Rüdiger Wolfrum:

    ""Das Land haftet, wenn seine Gesetzeslage nicht adäquat ist. Es muss ein Bergbaugesetz vorliegen, es muss sichergestellt werden, dass die Regelungen der Meeresbodenbehörde geltendes Recht sind, es muss geregelt werden, dass Schadensersatzansprüche gegen das Unternehmen in dem betreffenden Lande vor Gericht verhandelt und durchgesetzt werden können. Es muss eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemacht werden, es gilt das Vorsorgeprinzip."

    Ein Hindernis dürfte die Haftung jedoch nicht darstellen, denn Versicherungen und Dienstleister bieten, was Nauru mit seinen 10.000 Einwohnern nicht liefern kann.

    Michael Lodge: "Bislang hat der kommerzielle Abbau noch nicht begonnen. Es hat nur einige kleine Versuche gegeben, um die Umweltfolgen abzuschätzen."

    Auf die Ressourcen der Tiefsee habe ein beispielloser Run eingesetzt, hieß es jetzt bei der Vorstellung einer Studie der UN-Meeresbodenbehörde. Man rechnet damit, dass bald Abbaulizenzen beantragt werden. Michael Lodge:

    "Noch gibt es kein Regelwerk dafür, aber wir haben aufgrund der Anfragen von Mitgliedsstaaten mit der Erarbeitung begonnen. In zwei, drei Jahren könnte es fertig sein. Darin wird es darum gehen, wieviel die Vertragspartner für die Lizenz und an Gebühren zahlen müssen. Der andere wichtige Punkt wird der Umweltschutz beim kommerziellen Abbau sein."

    Der Abbau wird Umweltschäden hinterlassen, heißt es in der Studie explizit. Denn wer Manganknollen fördert, verändert die Ökosysteme für immer. Das belegt ein Versuch, den deutsche Forscher vor mehr als 20 Jahren vor der Küste Perus unternommen haben. Pedro Martínez, Leiter des Deutschen Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung in Wilhelmshaven:

    "Da wurde im Perubecken eine Fläche zerstört mit einem Pflug , und dann wurde geguckt, wie hat sich dieses Gebiet dann erholt, die Artenvielfalt und die Anzahl der Organismen nach einem halben Jahr, nach drei Jahren, nach vier Jahren und nach sieben Jahren."

    Das Pflügen war verheerend, tötete die Tiere. Und die Zeit heilte die Wunden nicht. Martínez:

    "Da konnte man sehen, dass nach drei Jahren, was die Abundanz der Organismen angeht, die Anzahl der Lebewesen pro Quadratmeter, hatte sich da schon ziemlich schnell erholt nach drei Jahren. Aber die Anzahl der Arten hat sich nach sieben Jahren immer noch nicht erholt."

    Wer auf Steinen siedelt oder sie als Ansitz nutzt, kehrte nicht zurück, auch nicht die Arten, die als Larven harten Untergrund brauchen: Mit den Knollen verschwindet ihr Lebensraum. Erholt haben sich nur die Schlammbewohner. Alarm schlugen auch französische Meeresforscher. Sie waren auf Spuren gestoßen, die ein experimenteller Manganknollenabbau 1978 hinterlassen hatte: 30 Jahre später wirkten die Narben im Tiefseeschlamm immer noch frisch. 2012 reagierte die Internationale Meeresbodenbehörde: Lizenznehmer müssen nun in ihrem Claim-Zonen ausweisen, die sie nicht anrühren. Schon zuvor waren über die Clarion-Clipperton-Gürtel neun Sperrgebiete mit einer Fläche von 1,6 Millionen Quadratkilometern als Schutzgebiete verteilt worden.

    Trotz des Tempos bei den Manganknollen könnte die Premiere des Tiefseebergbaus in einem anderen Bereich stattfinden: den Massivsulfidlagerstätten an den Black Smokern. Dabei geht es um ein Projekt der Firma Nautilus Minerals. Samantha Smith:

    "Unsere erste Lagerstätte heißt Solwara 1 und liegt in 1600 Metern Wassertiefe in den Gewässern von Papua-Neuguinea. Der Kupfergehalt in diesem Vorkommen liegt bei sieben Prozent, und wir haben mehr als sechs Gramm Gold pro Tonne Gestein."

    Zum Vergleich: An Land werden Lagerstätten mit 2,3 Gramm Gold pro Tonne Gestein abgebaut. Das Areal, das von Solwara 1 betroffen wäre, ist mit zehn Fußballfeldern für Tiefseeverhältnisse winzig. 20 bis 30 Meter tief soll es abgeraspelt werden. Die technische Infrastruktur für das Projekt ist zu 80 Prozent fertig. Der Plan, so Samantha Smith:

    "Drei Maschinen sollen das Erz aus dem Boden schneiden, das dann über eine Steigleitung zum Schiff gepumpt wird. An Bord des Schiffs werden Erz und Tiefenwasser getrennt."

    Das Tiefenwasser wird - fein gefiltert - über eine zweite Pipeline dorthin zurück geleitet, wo es herkam: zum Meeresboden. Smith:

    "Solwara 1 ist ein schwach aktives Black-Smoker-Feld, von dem die Geologen sagen, dass es abstirbt. Die aus dem Fernsehen bekannten Kamine mit den schwarzen Schwaden gibt es nicht. Auch die Artenvielfalt an Solwara-1 ist - verglichen mit anderen Black Smokern - extrem niedrig."

    Ein paar Schneckenarten fühlen sich jedoch wohl und sitzen manchmal dicht an dicht auf den Kaminen. Dazwischen hocken Rankenfußkrebse und Korallen. Allerdings wirkt dieses Black-Smoker-Feld für den Laien auf den ersten Blick kaum spektakulär. Auch deshalb könnte Solwara 1 den Startschuss geben - falls im August die finanzielle Auseinandersetzung zwischen Nautilus Minerals und der Regierung von Papua Neuguinea vor einem australischen Schiedsgericht beigelegt wird.

    Die Massivsulfidlagerstätten, die Russland, Frankreich und China erkunden und für die sich auch Deutschland interessiert, liegen nicht in nationalen Gewässern, sondern im Zuständigkeitsbereich der Internationalen Meeresbodenbehörde. Rund um die Welt sind derzeit rund 500 aktive Black-Smoker-Felder bekannt.

    "Von diesen 500 haben 165 Massivsulfidvorkommen aufgebaut, die wirtschaftlich interessant und abbauwürdig sein könnten. Das sind nur die bislang entdeckten Vorkommen in den heute vulkanisch aktiven Gebieten am Meeresboden."

    Ein paar 1000 lohnende Vorkommen könnte es geben, schätzt Marc Hannington, Wirtschaftsgeologe an der University of Ottawa. Die fossilen Gegenstücke dieser Massivsulfidlagerstätten an Land bergen zwischen einer und 100 Millionen Tonnen Erz, Hannington:

    "Die uns bekannten Vorkommen am Meeresboden sind jedoch kleiner, haben durchschnittlich eine Größe von 75.000, manche auch zehn oder 20 Millionen Tonnen. Deshalb gehen wir in unseren Abschätzungen über die marinen Massivsulfidvorräte für 1000 Vorkommen von rund 600 Millionen Tonnen Erz aus."

    Black Smoker sind kurzlebige Systeme, die an aktiven Vulkanismus gebunden sind - und die bizarre Lebenswelt gibt es nur dort. Deshalb sollen nach Wunsch der Internationale Meeresbodenbehörde möglichst erloschene Felder abgebaut werden. Solwara 1 vor der Küste Papua Neuguineas ist jedoch aktiv. Deshalb ließt Nautilus Minerals die Auswirkungen erforschen und ein Umweltkonzept erarbeiten:

    "Meines Erachtens unterscheiden sich die Folgen des Abbaus nicht von denen einer Vulkaneruption am Meeresboden: In beiden Fällen sterben alle Tiere. Ausbrüche sind in Black-Smoker-Feldern nichts Ungewöhnliches. Wir haben so etwas bereits mehrfach erlebt: Die Lava tötet alles ab, aber innerhalb eines Jahres gibt es große Kolonien von Jungtieren und bald darauf ist kein Unterschied mehr zum Zustand davor zu erkennen."

    Cindy van Dover von der Duke University in Beaufort, North Carolina gehört zu den wissenschaftlichen Beratern der Firma. Der Lebensraum Black Smoker sei von Natur aus instabil, erklärt sie, die Organismen könnten mit Störungen umgehen. Deshalb sieht das Umweltkonzept unter anderem vor, die Wiederbesiedlung von Solwara 1 durch ein zweites Black Smoker Feld in der Nähe zu erleichtern: Das wird geschützt und soll die Larven für den Neuanfang liefern:

    "Ökologische Sanierungen in der Tiefsee gibt es bislang nicht. Hier sind sie geplant. Vielleicht erholen sich die Ökosysteme schneller, wenn über den Austrittsstellen der Hydrothermalwässer Steine gestapelt werden, die den Neuaufbau der Kamine unterstützen. Dorthin könnte man die Schnecken setzen, die vor dem Abbau weggeräumt werden. Ob das etwas bringt, werden Experimente zeigen."

    Viele Bürger von Papua Neuguinea fürchten, zu Versuchskaninchen einer neuen Industrie zu werden. Deshalb beauftragten die Aktivisten der Deep Sea Mining Campaign eine australische Firma, das Umweltgutachten von Nautilus Minerals zu prüfen. John Luick von Austides Consulting:

    "Solwara 1 ist in Küstennähe, und die Anwohner fürchten um ihre Fischgründe. Wir haben uns die Unterlagen vorgenommen, und die biologischen Arbeiten sind sehr gut. Was die Gutachten über die Strömungen angeht, sind sie nicht so überzeugend. Trotzdem glaube ich, dass der Tiefseebergbau bei Normalbetrieb die Küstengewässer nicht belastet. Der Punkt ist: Mit ihrem Reichtum an Lebewesen sind die Black Smoker Oasen in der Tiefsee, und wir zerstören sie. Es gibt so wenige davon, dass wir sie innerhalb weniger Jahrzehnte alle vernichten könnten."

    Die Befürchtung ist nicht unbegründet. Schließlich sei ein Vorteil des Tiefseebergbaus, dass man nur einmal in die Abbautechnologie investieren müsse, erklärt Peter Herzig vom IFM Geomar:

    "Man kann dann mit seinem Bergwerk im übertragenen Sinne von Ort zu Ort reisen . Wenn Sie an Land einen Massivsulfidvorkommen abbauen wollen, in Nordkanada, dann ist das eine Investitionen von einer Milliarde kanadischer Dollar. Da wird die ganze Infrastruktur errichtet, es wird ein Tagebau errichtet, danach ein Tiefbau errichtet, und wenn die Lagerstätte ausgeerzt ist, ist die Investition verloren."

    Ob vor allem der Abbau von Manganknollen umweltverträglich möglich ist, davon ist Peter Herzig nicht so recht überzeugt. Auch Stephan Lutter vom Internationalen Zentrum für Meeresschutz des WWF in Hamburg ist besorgt:

    "Es ist eine allgemeine Gier nach Rohstoffen und Goldrauschstimmung offenbar ausgebrochen. Auf jeden Fall ist es ein Wettrennen. Und das Wettrennen um die Ressourcen, insbesondere der hohen See, das kennen wir schon von der Fischerei, geht meistens zu Ungunsten der Natur aus, weil die wirtschaftlichen Vereinbarungen doch viel schneller voranschreiten als die Instrumente zum Schutz der Natur."

    Stephan Lutter glaubt nicht, dass die Umweltauflagen der Internationalen Meeresbodenbehörde schnell genug ausgearbeitet und durchgesetzt werden, um mit der rasanten Entwicklung Schritt zu halten. Dass die metallhungrige Menschheit die Ressourcen der Tiefsee unangetastet lässt, scheint wenig wahrscheinlich. Die Wissenschaftler hoffen, dass die Internationale Meeresbodenbehörde auf sie hört und strenge Umweltschutzauflagen erlässt, deren Einhaltung sie durchsetzt. Bei den Verhandlungen um die Regulierungen, wollen einige Nationen jedoch nur wenig Umweltschutz akzeptieren, heißt es. Und es ist eine Frage der Mehrheiten, wer sich durchsetzt. Anders als vor 40 Jahren scheint es für den Tiefseebergbau jedenfalls keine wirklichen Hindernisse mehr zu geben.