Es war einmal ein tiefer, fast undurchdringlicher Wald. Er zog sich von den Küsten des Atlantiks bis in die weiten Ebenen im Osten. Totholz, Moose und Flechten bedeckten den Boden, bis zu dem kaum ein Lichtstrahl reichte. Wilde Tiere durchstreiften das Gehölz: Bären, Wölfe, Wisente und Luchse.
Lynx lynx - Der Eurasische Luchs. In Deutschland ausgestorben 1850
Spechte hausten in seinen Stämmen, Raubvögel überflogen ihn, Käfer und Frösche lebten an seinem Grund. - Bis das mächtigste Raubtier der Welt sie alle zurückdrängte.
Canis lupus – der Wolf. In den meisten Ländern Europas ausgerottet im 19. Jahrhundert
Das alte Farmgelände an der schwedischen Schärenküste glänzt in der Frühlingssonne. Umrahmt von dunklem Wald, mehreren Schuppen und eingezäunten Wiesen liegt ein braunangestrichenes, flaches Holzgebäude.
"So this is the first breeding centre so to speak we built for the woodpeckers."
Dies sei das ursprüngliche Brutzentrum für die Spechte gewesen, erzählt Christer Larsson. Der Mann mit den weißen Haaren und brauner Weste betritt einen schmalen Gang, von dem alle paar Meter eine Tür abzweigt.
"Es ist ein besonderer Bau, in dem die Volieren direkt nebeneinander liegen. Das erleichtert uns die Fütterung und die Beobachtung der Tiere."
Das Brutzentrum ist Teil der Nordens Ark – der Arche des Nordens: Ein Zoo, der sich auf die Aufzucht und Auswilderung bedrohter Tierarten spezialisiert hat. Eine dieser Arten ist der Weißrückenspecht. Anfang der 90er-Jahre lebten in Schweden nur noch 20 Paare. Und von Jahr zu Jahr wurden es weniger. Deshalb holten Christer Larsson und seine Kollegen wilde Brutpaare aus Norwegen und versuchten, die Art in Gefangenschaft zu züchten. Das hatte noch niemand zuvor probiert. Und niemand wusste, wie es funktionieren sollte.
"Sie hatten eine gute Zeit hier und machten einen glücklichen Eindruck. Aber sie haben nie gebrütet."
Felis silvestris silvestris – die Europäische Wildkatze. Im 19. Jahrhundert in vielen Teilen Europas fast vollständig ausgerottet
"Wir haben die Wildnis zurückgedrängt, wir haben die Moore entwässert, um dort leben zu können, um dort Dörfer zu bauen. In der Rhön zum Beispiel ist man, denke ich, bis heute stolz, dass man diesen wilden Buchenurwald Buchonia beseitigt hat und diese schöne offene Rhön heute dort hat auf der Hochrhön. Also man hat die Wildnis verdrängt, und man hat große Angst vor zurückkehrenden Wildtieren, vor dem Wolf, vor Braunbären, vor dem Luchs."
Michael Brombacher leitet bei der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt das Referat Deutschland und Europa. Die Naturschutzorganisation ZGF versucht auf vier Kontinenten, Tierarten vor dem Aussterben zu bewahren und ihre Lebensräume zu schützen.
"Dennoch hat die Einwanderung des Wolfes gezeigt, dass es geht, dass Wildtiere hier wieder eine Heimat finden in Deutschland. Und wir haben ja gerade im Osten Deutschlands große unzerschnittene Flächen, die, weil sie dem Naturschutz zugefallen sind durch die Aufgabe von Truppenübungsplätzen, auch eine Chance sind, um eben Wildtieren einen Raum zu geben."
Auch der Weißrückenspecht sollte eine Chance bekommen, doch es lief nicht rund in den ersten Jahren. Die Spechtpaare im schwedischen Brutzentrum achteten extrem auf ihre Nachbarn. Alle Vogelpaare taten immer das gleiche zur gleichen Zeit. Und das war nicht das einzig Seltsame. Denn das einzelne Spechtpaar, das fernab der Zuchtstation in einem Schaugehege auf dem Zoogelände lebte, brütete. Das machte Christer Larsson und seine Kollegen stutzig. Vielleicht brauchten die Vögel mehr Privatsphäre? Die Forscher bauten mehrere Vogelvolieren weit voneinander entfernt. Und kaum hatten die Vögel die neuen Käfige bezogen, fingen sie an zu brüten.
"Hören Sie das? Einer von beiden hämmert in der Nisthöhle, vergrößert sie ein wenig und räumt um die Küken herum ein bisschen auf. Heute ist unsere Brutvogelpopulation hier wahrscheinlich größer, als die gesamte Wildpopulation in Schweden."
Jedes Brutpaar zeugt ein bis vier Küken pro Jahr. Nach etwa zwei Monaten werden die Jungen von ihren Eltern getrennt. Dabei müssen die Tierpfleger genau den kurzen Zeitraum im Leben der Küken abpassen, in dem sie sich auf eine neue Umgebung einstellen können. Verpassen sie diese Phase, scheitert das Projekt.
"Die Auswilderung dauert lange. Es ist nicht damit getan, einfach den Käfig zu öffnen. Wir haben spezielle Auswilderungsvolieren in Waldgebieten gebaut, die noch sehr naturnah sind, mit viel Totholz, in dem die jungen Spechte reichlich Insekten und andere Nahrung finden. In diesen Käfigen verbringen die Jungtiere etwa eine Woche bis zehn Tage. Dann öffnen wir sie. Die Spechte können hinaus, aber auch wieder hinein. In der Regel verbringen sie die Nächte noch in den geschützten Käfigen. Es dauert von Ende Juli/ Anfang August bis in den Herbst hinein, bis die Tiere die offenen Käfige endgültig verlassen. Und wir füttern sie dort so lange, wie sie wollen."
In den vergangenen fünf Jahren sind einige Dutzend Jungvögel auf diesem Weg ausgewildert worden. Trotzdem ist der Weißrückenspecht in Schweden immer noch akut vom Aussterben bedroht. In Norwegen und auch im Baltikum dagegen sind die Bestände stabil. Warum also der ganze Aufwand? Larsson:
"Es geht nicht allein um den Weißrückenspecht. Wenn wir seinen Lebensraum nicht retten können, verlieren wir hier in Schweden auch 200 andere Arten, die auf dieselben alten Wälder angewiesen sind. Und wir haben eine Verantwortung den Generationen gegenüber, die nach uns kommen."
Die meisten Wälder Schwedens sind heute reine Wirtschaftswälder, ohne Totholz und Nahrung. Die großen alten Laubmischwälder voller Insekten und Brutplätze sind eine Seltenheit geworden. Wenn es gelingt, sie zurückzuholen, ist ein ganzes Ökosystem gerettet, dessen Symbol der Weißrückenspecht ist.
Ursus arctos arctos - der Europäische Braunbär. Nur noch in Nord- und Osteuropa heimisch. In Mitteleuropa bis auf Restpopulationen im südöstlichen Alpenraum weitgehend ausgerottet.
Es gibt keinen anderen Kontinent der Welt, den der Mensch so massiv verändert hat wie Europa. Die Landschaft ist geprägt von seit Jahrtausenden andauernden Eingriffen. Systematisch wurden Raubtiere ausgelöscht, Lebensräume zerstört und eine Kulturlandschaft geschaffen, die den Spielregeln des Menschen gehorcht. Lässt ein solcher Kontinent die Rückkehr wilder Tiere überhaupt zu?
"Das geht auf jeden Fall."
Carsten Nowak leitet beim Forschungsinstitut Senckenberg den Bereich Naturschutzgenetik und beschäftigt sich mit der Wiederkehr großer Tierarten nach Deutschland.
"Wir denken immer, dass gerade große Tiere wie Wölfe oder Luchse Wildnis brauchen, wir sehen die als Synonym, als Stellvertreter für Wildnis, weil wir diese Tiere automatisch nach Kanada oder nach Norwegen oder irgendwas zuordnen und das stimmt überhaupt nicht. Wölfe kommen in Nordspanien in der Agrarsteppe vor, Wölfe leben in den Vororten Roms, die kommen in Rumänien in die Städte, die stören sich gar nicht so sehr am Menschen. Wenn man sieht, wie Wölfe, welchen Aktionsraum sie haben auch in Deutschland, dann kommen sie durchaus nah an die Dörfer, können sogar mal eine ihrer Pfoten in ein besiedeltes Gebiet hineinsetzen. Wir können sicherlich mit ihnen koexistieren, wenn wir akzeptieren, dass sie auch manchmal Schäden verursachen, Nutztiere reißen zum Beispiel."
Die Wölfe sind von allein zurückgekommen, niemand hat sie in Europa ausgewildert.
"Also meine Funktion ist Bärenanwalt und Wolfsbeauftragter und ich arbeite im Management, im Großraubtiermanagement in Österreich."
Georg Rauers Arbeitsplatz ist das Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Hochschule Wien.
"Ich schau, wo die Bären sind und wie sie sich verhalten, ich stehe als Berater für die jeweiligen Landesverwaltungen zur Verfügung, also Sachverständiger. Ich schau mir Schäden an und überprüfe, ob das Bärenschäden sind oder eben als Wolfsbeauftragter, der ich auch bin, ob es Wolfsschäden sind, und ich gebe Ratschläge in der Richtung, wie man sich vor Bären schützen kann also für Imker oder Landwirte."
1989 wilderte die Naturschutzorganisation WWF in Österreich drei Bären aus. Zwei Weibchen und ein Männchen. Sie sollten einem Bären Gesellschaft leisten, der bereits einige Jahre zuvor von allein aus Slowenien eingewandert war. Georg Rauer:
"Insgesamt muss man sagen es sind 31 Jungtiere in dem Gebiet, also mindestens 31 Jungtiere geboren worden, also das Potential war auf alle Fälle gegeben"
Und die Population entwickelte sich gut. In den ersten Jahren. Dann aber verschwanden immer mehr Tiere. Seit 2011 lebt kein einziger Braunbär mehr in Österreich. Rauer:
"Man fragt sich natürlich, warum sind die verschwunden und einerseits muss man schon sagen, dass die Ausgangsbasis natürlich sehr klein war, dass eine Ausgangspopulation von vier Bären halt sehr gering ist, und damit schon Zufälligkeiten eine große Rolle spielen. Aber der andere Faktor, der wirklich im Raum steht, sind illegale Abschüsse. "
Viele Schaf- und Rinderhalter sehen in den wilden Räubern eine Gefahr für ihre Tiere, für viele Jäger sind sie unliebsame Konkurrenten. Wilderei ist daher beileibe kein Problem, das nur in Afrika oder Asien auftritt.
"Wir haben einen Nachweis dafür, es sind zwei besenderte Bären spurlos verschwunden, von denen wir auch ausgehen können, dass die so ums Leben gekommen sind und dann gibt es jede Menge Gerüchte natürlich, aber keine hard facts."
Das Bärenauswilderungsprogramm in Österreich gilt als gescheitert. Eine Neuauflage wird es nicht geben. Doch der Bärenanwalt Georg Rauer ist überzeugt davon, dass es hätte klappen können. Schließlich sei Slowenien deutlich kleiner und genauso dicht besiedelt wie Österreich. In Slowenien leben 500 Bären. Und auch das Auswilderungsprogramm in der norditalienischen Provinz Trentino ist erfolgreich. Dort waren zehn Bären ausgewildert worden in einem Gebiet, in dem zuvor schon Bären gelebt hatten.
"Da waren zwar nur noch die letzten Mohikaner sozusagen übrig, also drei Individuen schlussendlich, aber die Jahre davor hatte es eine kleine Population gegeben, das heißt der Bär war im Gebiet präsent immer. Das waren die Unterschiede in der Ausgangsposition. Und die Betreuung war auch eine andere. Anfangs war das ein Projekt des Naturparks Adamello-Brenta. Aber dann hat das Management eben die Provinzverwaltung übernommen und auch den Leuten das Gefühl gegeben, dass da ein klares Management dahintersteht mit auch Schadensabgeltungsprozeduren, die abgesichert sind mit Präventionsmaßnahmen, die finanziert werden und auch diese Betreuung durch die Wildhüter, während in Österreich eine Landesverwaltung keinerlei Personal hat, um jetzt aktiv Management durchzuführen im Gebiet draußen."
Ein gutes Management sei entscheidend für die Akzeptanz der Bevölkerung, sagt der Bärenanwalt. Irgendjemand müsse die Tiere überwachen und notfalls eingreifen, wenn der Bär die Spielregeln des Menschen nicht befolgt.
"Ablaufen tut das so: Wenn der Bär dieses Verhalten zeigt, das er nicht zeigen sollte, also sich zum Beispiel Nahrungsquellen in Menschennähe nähert, dass man ihm Schmerzreize zufügt indem man ihn mit Gummikugeln beschießt, mit Knallkörpern und ihn also möglichst verschreckt und auch ein schmerzhaftes Erlebnis bereitet. Und das muss man aber sich bemühen in einer Phase dann wirklich zu machen, bei jedem Versuch wenn er dieses Verhalten zeigt. Also es ist notwendig dass dieses Tier besendert ist damit man im Bilde ist, was er treibt und wann er ansetzt, das ungewollte Verhalten zu zeigen, und ihm dann eben durch Strafreize das auszutreiben."
Ein solches Erziehungsprogramm erfordert eine ständige Überwachung der Bären. Dann kann, muss es aber nicht funktionieren. Und sobald eine Bärin ungewollte Verhaltensweisen erst einmal an ihre Jungen weitergegeben hat, lasse sich kaum noch etwas tun, sagt Rauer. So geschehen vor einigen Jahren im Trentino. Ein Mitglied der damals entstandenen "Problemfamilie" hieß Bruno.
Gypaetus barbatus - der Bartgeier. Der größte Vogel der Alpen wurde viele Jahrhunderte lang erbittert gejagt, weil er im Verdacht stand, junge Lämmer oder gar Kinder zu töten. Anfang des 20. Jahrhunderts starb der letzte wilde Bartgeier im Aostatal.
"Also das am längsten laufenden Projekt ist das Bartgeierwiederansiedlungsprojekt. Da sind wir seit 30 Jahren mitbeteiligt."
Michael Brombacher von der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt. Seit 1986 wurden in den Alpen fast 200 Tiere ausgewildert. Verbunden mit sehr intensiven wissenschaftlichen Begleitstudien und einer Imagekampagne, die das Bild vom grausamen Vogel revidieren sollte. Mit Erfolg. Heute ist die Bartgeierpopulation im Alpenraum zwar immer noch bedroht, aber sie wächst von Jahr zu Jahr. Brombacher:
"Dann sind wir beteiligt an einem Projekt zur Wiederansiedlung des Gänsegeiers im Balkangebirge in Bulgarien, und sind momentan dabei in Kasachstan, was für uns auch noch zu Europa zählt, die Przewalski-Pferde wieder in die Steppe zurückzubekommen. Da sind wir in der Planungsphase. Da kann man noch nicht sagen, ob wir das wirklich schultern wollen weil die Erfahrung aus der Mongolei zeigt, dass man da eben auch langfristig da sein muss, dass wir eben gucken müssen, sind die Grundvoraussetzungen gegeben? Bekommen wir genügend Pferde? Können wir uns das leisten? Und wie sind die Grundvoraussetzungen in Kasachstan, wenn die Pferde dorthin kommen? Die müssen betreut werden. Wenn die in den ersten Jahren oder ersten Wochen krank werden, muss da ein Tierarzt sein, der die Pferde untersuchen kann, der feststellen kann, was ist passiert, und ja, auch Krankheiten dann behandeln kann. Also das ist ein riesiger Aufwand. Wir sind gerade dabei, das vorzubereiten mit Zoos in Deutschland, und entscheiden dann, ob wir dieses Programm stemmen wollen."
Equus ferus przewalski - das Przewalski-Pferd. Einst in weiten Teilen der eurasischen Steppe heimisch. Die zunehmende Jagd durch den Menschen und die Nahrungskonkurrenz mit Nutztieren drängten das Przewalski-Pferd in immer kargere Lebensräume. 1969 wurde zum letzten Mal ein Tier in der mongolischen Steppe gesichtet. Seit Anfang der 1990er-Jahre werden dort wieder Pferde ausgewildert. Ein ungewöhnlich strenger Winter vor zwei Jahren löschte allerdings zwei Drittel der Population aus.
Die meisten Auswilderungsprojekte werden von Naturschutzorganisationen durchgeführt. Wilde Tiere sind prestigeträchtig, eine spektakuläre Freisetzung bringt Aufmerksamkeit und Spendengelder. Darüber vergäßen aber viele Projektträger das Wichtigste, sagt Michael Brombacher.
"Leider wird es ganz selten wissenschaftlich begleitet. Oft ist es eine Hauruckaktion, man zieht irgendwie ein paar Tiere zusammen, und schickt die dann in die Steppe zum Beispiel oder in ein Schutzgebiet und denkt dann, man hat alles getan, man hat die Tiere dorthin gebracht und dann werden die da reproduzieren und dann wird das schon laufen."
Bombina bombina - die Rotbauchunke. In Mitteleuropa noch weitverbreitet. In Schweden um 1960 ausgestorben.
Einige Kilometer von den Spechtvolieren entfernt, ist in einem gelb angestrichenen alten Herrenhaus aus Holz das Büro von Claes Andrén untergebracht. Der Biologe ist der wissenschaftliche Leiter der Nordens Ark. Er hat viele Jahre damit zugebracht, Rotbauchunken wieder in Schweden heimisch werden zu lassen.
"Wir waren sehr erfolgreich darin, sie zu züchten, aber in den ersten Jahrzehnten gelang es uns einfach nicht, die Art erfolgreich auszuwildern. Die kleinen Populationen gediehen und dann, nach ein paar Jahren, brachen sie wieder zusammen."
Erst als die Forscher anfingen, neue Habitate zu erschaffen und ganz viele kleine Populationen in den verschiedensten Lebensräumen aufzubauen, hielten die Unken länger durch.
"Ein strenger Winter oder eine Dürre kann eine ganze Population auslöschen. Deshalb brauchen Sie viele kleine Gruppen, die in ganz unterschiedlichen Habitaten leben. Was auch immer dann passiert, einige dieser Gruppen werden überleben."
Seit dem Jahr 2000 wächst die schwedische Population der Rotbauchunken wieder. Jedes Jahr zählen Claes Andrén und seine Kollegen doppelt so viele Unken wie noch im Vorjahr. Vor zwei Jahren dann wurde die Art von der Roten Liste gestrichen. Heute brüten in Schweden etwa 20.000 Tiere in 300 verschiedenen Teichen. Damit ist die Wiederansiedlung der Rotbauchunke neben der des Bartgeiers eines der ganz wenigen wirklich erfolgreichen Auswilderungsprojekte in Europa. Andrén:
"Sehr viele Projekte scheitern, weil uns noch viel Wissen fehlt. Wenn Sie an einem Wiederansiedlungsprojekt arbeiten und es geht schief, weil Sie viele Fehler gemacht haben, sind Sie natürlich nicht sonderlich erpicht darauf, Ihre Ergebnisse zu veröffentlichen. Das führt aber dazu, dass andere Leute Ihre Fehler wiederholen werden. Wenn es uns also gelänge, über die Fehler die ja jeder von uns macht, offen zu reden, könnten wir alle voneinander lernen. Das wäre sehr wichtig."
Tetrao urogallus - das Auerhuhn. In Mitteleuropa nur noch in wenigen ursprünglichen Bergwaldregionen anzutreffen. In Deutschland ist es vom Aussterben bedroht.
"Deren Lebensraum ist weg, sehr strukturreiche Wälder mit verschiedenen Nahrungsquellen über das ganze Jahr hinweg, wie Beeren und ja in unseren reinen Wirtschaftswäldern haben es diese Tiere teilweise schwer, zum Teil wurden sie natürlich auch bejagt, das ist ein Mitgrund ihrer Ausrottung aber hauptsächlich ist es die Habitatzerstörung und es ist sehr sehr schwierig großflächig die geeigneten Bedingungen wiederherzustellen dazu reichen oft auch die wenigen Nationalparks beispielsweise und sehr kleinräumigen Schutzgebiete in Deutschland einfach nicht aus."
Der Europäische Kontinent hat sich verändert. Die großen Urwälder sind verschwunden und einige Tiere können hier kein Zuhause mehr finden. Gerade beim Auerhuhn, erzählt Carsten Nowak vom Forschungsinstitut Senckenberg scheiterten Auswilderungsprojekte immer wieder. ]
Bison bonasus – der Wisent. Das größte Landsäugetier Europas lebte bis ins frühe Mittelalter in den weiten Urwäldern des Kontinents. Durch Rodungen und die Jagd wurde es immer weiter zurückgedrängt. Geschützt einzig im Białowieża Wald, dem Jagdrevier polnischer Könige und russischer Zaren. Der letzte freie Wisent starb 1927.
"Can you see them? No? In the front of us right of this roofed haystack there is a few individuals."
Rafał Kowalczyk deutet durch das Autofenster. Der Wald ist von einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Vor dem Weiß der Umgebung zeichnen sich in der Entfernung massige braune Leiber ab. Einer davon setzt sich in Bewegung.
"Das ist ein altes Weibchen. Es trägt seit neun Jahren ein Sendehalsband. Wir wissen also sehr viel über diese Kuh. Sie ist eine der Leitkühe."
In Zoos und Tierparks hatten einige Wisente den Tod ihres letzten wilden Artgenossen überlebt. Mit ihnen startete Ende der 1920er-Jahre ein Zuchtprogramm. 1952 kehrten dann die ersten Tiere in den Wald von Białowieża zurück.
"Heute haben wir hier die größte wildlebende Population der Welt, mit 900 Tieren. Das ist ein Drittel aller in der Wildnis lebenden Wisente."
Rafał Kowalczyk ist Direktor des Säugetierforschungszentrums der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Białowieża. Seit fast zwanzig Jahren erforscht er die Wisente des Urwalds im Grenzgebiet zwischen Polen und Weißrussland. Hier leben mittlerweile so viele Tiere, dass die Fortpflanzung ihnen selbst überlassen bleibt. In kleineren Herden, wie etwa bei den im April 2013 im Rothaargebirge ausgewilderten Wisenten ist das unmöglich. Dort müssen immer wieder Tiere ausgetauscht werden, um ein Mindestmaß an genetischer Vielfalt zu garantieren. Aber auch wenn die Wisente im Białowieża Wald selbst entscheiden können, mit wem sie sich paaren - wirklich wild sind auch sie nicht.
"Sie beobachten genau, was wir tun. Aber sehen Sie? Wir sind wirklich nah dran, und trotzdem sind die Tiere nicht scheu. Das ist ganz typisch für intensiv gefütterte Wisente."
Statt vor den Eindringlingen zu flüchten, fressen die Tiere Heu, das in großen Fladen auf dem Schnee liegt. Im Winter finden die Wisente im Wald nicht genug Futter. Um zu verhindern, dass sie auf die Felder und Äcker in der Umgebung des Parks ausweichen und dort Schaden anrichten, versorgt die Nationalparkverwaltung die Tiere regelmäßig mit Heu. Genau daran stört sich Rafał Kowalczyk. Denn die Fütterung erzeuge jede Menge neuer Probleme.
"Die Nationalparkmanager füttern die Tiere, um sie im Wald zu halten, aber dadurch erhöhen sie gleichzeitig die Überlebens- und Reproduktionsraten. In diesen intensiv gefütterten Herden bekommen 50 Prozent der Weibchen Kälber. In weniger intensiv oder gar nicht gefütterten Herden sind es nur 30 Prozent. Die Fütterungen vergrößern also die Population. Und dann wieder glauben die Manager, es seien zu viele Tiere und töten einen Teil von ihnen."
Dadurch dass sich die Wisente im Winter in großen Gruppen an den Futterplätzen sammeln, könnten außerdem Krankheiten leicht von einem Tier aufs andere überspringen. Rafał Kowalczyks Ansicht nach liegt das Grundproblem darin, dass die Tiere unter wirklich natürlichen Bedingungen gar nicht ausschließlich im Wald leben würden. Um diese These zu überprüfen haben er und seine Kollegen zahlreiche Hunderte bis Tausende Jahre alte Wisentknochen untersucht. Deren Isotopenzusammensetzung gibt Auskunft über die Nahrung und dementsprechend den Lebensraum der Tiere.
"Die vorläufigen Ergebnisse dieser Analyse zeigen, dass Wisente ursprünglich offenere Gebiete besiedelten und erst vor etwa 5000 bis 6000 Jahren in die Wälder flüchteten, als der Mensch begann ihren Lebensraum in landwirtschaftliche Flächen umzuwandeln. In dieser Zeit sehen wir eine Abnahme der Populationen und eine Abnahme der Fitness der Tiere. Die einzigen Gebiete in denen die Art trotzdem überlebte, waren Wälder, in denen sie unter einem gewissen Schutz stand und gefüttert wurde, wie hier in Białowieża, wo die Könige und Zaren die Wisente für die Jagd hegten. Nur durch dieses Management hat die Art hier bis ins 20. Jahrhundert überleben können."
Rafał Kowalczyk drängt darauf, dass zukünftige Wiederansiedlungsprogramme diese Ergebnisse berücksichtigen und Standorte auswählen, die nicht nur Wald sondern auch offenen Landschaften umfassen, in denen die Tiere auch im Winter Nahrung finden können.
"In der Ukraine und Russland etwa gibt es riesige Gebiete, die einen optimalen Lebensraum für die Wisente bieten würden. Dort sind ganze Landstriche entvölkert, weil die Menschen in die Städte gezogen sind. Das Problem ist nur: in diesen Ländern ist das Schutzsystem nicht sehr stabil."
Die Tiere seien dort kaum vor Wilderei zu retten, sagt der Forscher. Er plädiert deshalb dafür, die Wisente im Białowieża Wald zu halten, aber sie dort wenigstens weniger stark zu füttern, um sie wieder etwas wilder werden zu lassen. Dass die Tiere eines Tages wirklich wild – ohne jeden Einfluss des Menschen irgendwo leben können, hält er für unmöglich.
"Natürlich brauchen sie etwas Unterstützung. Im modernen Europa können wir so große Tiere nicht einfach sich selbst überlassen. Aber wir müssen versuchen, unseren Einfluss so weit wie möglich zu reduzieren."
Falco peregrinus - der Wanderfalke. Wurde in den 1970er-Jahren fast überall in Europa Opfer von Quecksilber, DDT und anderen Giftstoffen in seiner Nahrung. Mittlerweile haben die Bestände sich erholt, auch weil der Felsbrüter Städte für sich entdeckt.
Einige wilde Tiere hat Europa auf immer verloren, andere können zurückkommen, wenn sie sich an die Spielregeln des Menschen halten. Aber jedes dieser Projekte fordert Zeit, Wissen und viel Geld. Carsten Nowak:
"Ganz ketzerisch kann man sagen wir brauchen keinen Luchs und wir brauchen keinen Wolf, genauso kann man allerdings auch fragen, ob der Mensch Kunst braucht, ob der Mensch Sportveranstaltungen braucht. Wenn wir das wirklich weiterdenken und die totale Ökonomisierung eigentlich des Lebens fordern, brauchen wir möglicherweise einige dieser Arten nicht. Für mich persönlich ist es eine unglaubliche Bereicherung, wenn ich durch eine Landschaft laufe wie die Karpaten oder die Pyrenäen, wo es noch große Wildtiere gibt. Allein das Wissen darum, dass wir, wo wir uns gerade bewegen, nicht das Ende der Nahrungskette sind, möglicherweise, und dass es solche seltenen und spektakulären Arten gibt, ist ein sehr, sehr schönes Gefühl und wir können uns das in Deutschland locker leisten."
Lynx lynx - Der Eurasische Luchs. In Deutschland ausgestorben 1850
Spechte hausten in seinen Stämmen, Raubvögel überflogen ihn, Käfer und Frösche lebten an seinem Grund. - Bis das mächtigste Raubtier der Welt sie alle zurückdrängte.
Canis lupus – der Wolf. In den meisten Ländern Europas ausgerottet im 19. Jahrhundert
Das alte Farmgelände an der schwedischen Schärenküste glänzt in der Frühlingssonne. Umrahmt von dunklem Wald, mehreren Schuppen und eingezäunten Wiesen liegt ein braunangestrichenes, flaches Holzgebäude.
"So this is the first breeding centre so to speak we built for the woodpeckers."
Dies sei das ursprüngliche Brutzentrum für die Spechte gewesen, erzählt Christer Larsson. Der Mann mit den weißen Haaren und brauner Weste betritt einen schmalen Gang, von dem alle paar Meter eine Tür abzweigt.
"Es ist ein besonderer Bau, in dem die Volieren direkt nebeneinander liegen. Das erleichtert uns die Fütterung und die Beobachtung der Tiere."
Das Brutzentrum ist Teil der Nordens Ark – der Arche des Nordens: Ein Zoo, der sich auf die Aufzucht und Auswilderung bedrohter Tierarten spezialisiert hat. Eine dieser Arten ist der Weißrückenspecht. Anfang der 90er-Jahre lebten in Schweden nur noch 20 Paare. Und von Jahr zu Jahr wurden es weniger. Deshalb holten Christer Larsson und seine Kollegen wilde Brutpaare aus Norwegen und versuchten, die Art in Gefangenschaft zu züchten. Das hatte noch niemand zuvor probiert. Und niemand wusste, wie es funktionieren sollte.
"Sie hatten eine gute Zeit hier und machten einen glücklichen Eindruck. Aber sie haben nie gebrütet."
Felis silvestris silvestris – die Europäische Wildkatze. Im 19. Jahrhundert in vielen Teilen Europas fast vollständig ausgerottet
"Wir haben die Wildnis zurückgedrängt, wir haben die Moore entwässert, um dort leben zu können, um dort Dörfer zu bauen. In der Rhön zum Beispiel ist man, denke ich, bis heute stolz, dass man diesen wilden Buchenurwald Buchonia beseitigt hat und diese schöne offene Rhön heute dort hat auf der Hochrhön. Also man hat die Wildnis verdrängt, und man hat große Angst vor zurückkehrenden Wildtieren, vor dem Wolf, vor Braunbären, vor dem Luchs."
Michael Brombacher leitet bei der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt das Referat Deutschland und Europa. Die Naturschutzorganisation ZGF versucht auf vier Kontinenten, Tierarten vor dem Aussterben zu bewahren und ihre Lebensräume zu schützen.
"Dennoch hat die Einwanderung des Wolfes gezeigt, dass es geht, dass Wildtiere hier wieder eine Heimat finden in Deutschland. Und wir haben ja gerade im Osten Deutschlands große unzerschnittene Flächen, die, weil sie dem Naturschutz zugefallen sind durch die Aufgabe von Truppenübungsplätzen, auch eine Chance sind, um eben Wildtieren einen Raum zu geben."
Auch der Weißrückenspecht sollte eine Chance bekommen, doch es lief nicht rund in den ersten Jahren. Die Spechtpaare im schwedischen Brutzentrum achteten extrem auf ihre Nachbarn. Alle Vogelpaare taten immer das gleiche zur gleichen Zeit. Und das war nicht das einzig Seltsame. Denn das einzelne Spechtpaar, das fernab der Zuchtstation in einem Schaugehege auf dem Zoogelände lebte, brütete. Das machte Christer Larsson und seine Kollegen stutzig. Vielleicht brauchten die Vögel mehr Privatsphäre? Die Forscher bauten mehrere Vogelvolieren weit voneinander entfernt. Und kaum hatten die Vögel die neuen Käfige bezogen, fingen sie an zu brüten.
"Hören Sie das? Einer von beiden hämmert in der Nisthöhle, vergrößert sie ein wenig und räumt um die Küken herum ein bisschen auf. Heute ist unsere Brutvogelpopulation hier wahrscheinlich größer, als die gesamte Wildpopulation in Schweden."
Jedes Brutpaar zeugt ein bis vier Küken pro Jahr. Nach etwa zwei Monaten werden die Jungen von ihren Eltern getrennt. Dabei müssen die Tierpfleger genau den kurzen Zeitraum im Leben der Küken abpassen, in dem sie sich auf eine neue Umgebung einstellen können. Verpassen sie diese Phase, scheitert das Projekt.
"Die Auswilderung dauert lange. Es ist nicht damit getan, einfach den Käfig zu öffnen. Wir haben spezielle Auswilderungsvolieren in Waldgebieten gebaut, die noch sehr naturnah sind, mit viel Totholz, in dem die jungen Spechte reichlich Insekten und andere Nahrung finden. In diesen Käfigen verbringen die Jungtiere etwa eine Woche bis zehn Tage. Dann öffnen wir sie. Die Spechte können hinaus, aber auch wieder hinein. In der Regel verbringen sie die Nächte noch in den geschützten Käfigen. Es dauert von Ende Juli/ Anfang August bis in den Herbst hinein, bis die Tiere die offenen Käfige endgültig verlassen. Und wir füttern sie dort so lange, wie sie wollen."
In den vergangenen fünf Jahren sind einige Dutzend Jungvögel auf diesem Weg ausgewildert worden. Trotzdem ist der Weißrückenspecht in Schweden immer noch akut vom Aussterben bedroht. In Norwegen und auch im Baltikum dagegen sind die Bestände stabil. Warum also der ganze Aufwand? Larsson:
"Es geht nicht allein um den Weißrückenspecht. Wenn wir seinen Lebensraum nicht retten können, verlieren wir hier in Schweden auch 200 andere Arten, die auf dieselben alten Wälder angewiesen sind. Und wir haben eine Verantwortung den Generationen gegenüber, die nach uns kommen."
Die meisten Wälder Schwedens sind heute reine Wirtschaftswälder, ohne Totholz und Nahrung. Die großen alten Laubmischwälder voller Insekten und Brutplätze sind eine Seltenheit geworden. Wenn es gelingt, sie zurückzuholen, ist ein ganzes Ökosystem gerettet, dessen Symbol der Weißrückenspecht ist.
Ursus arctos arctos - der Europäische Braunbär. Nur noch in Nord- und Osteuropa heimisch. In Mitteleuropa bis auf Restpopulationen im südöstlichen Alpenraum weitgehend ausgerottet.
Es gibt keinen anderen Kontinent der Welt, den der Mensch so massiv verändert hat wie Europa. Die Landschaft ist geprägt von seit Jahrtausenden andauernden Eingriffen. Systematisch wurden Raubtiere ausgelöscht, Lebensräume zerstört und eine Kulturlandschaft geschaffen, die den Spielregeln des Menschen gehorcht. Lässt ein solcher Kontinent die Rückkehr wilder Tiere überhaupt zu?
"Das geht auf jeden Fall."
Carsten Nowak leitet beim Forschungsinstitut Senckenberg den Bereich Naturschutzgenetik und beschäftigt sich mit der Wiederkehr großer Tierarten nach Deutschland.
"Wir denken immer, dass gerade große Tiere wie Wölfe oder Luchse Wildnis brauchen, wir sehen die als Synonym, als Stellvertreter für Wildnis, weil wir diese Tiere automatisch nach Kanada oder nach Norwegen oder irgendwas zuordnen und das stimmt überhaupt nicht. Wölfe kommen in Nordspanien in der Agrarsteppe vor, Wölfe leben in den Vororten Roms, die kommen in Rumänien in die Städte, die stören sich gar nicht so sehr am Menschen. Wenn man sieht, wie Wölfe, welchen Aktionsraum sie haben auch in Deutschland, dann kommen sie durchaus nah an die Dörfer, können sogar mal eine ihrer Pfoten in ein besiedeltes Gebiet hineinsetzen. Wir können sicherlich mit ihnen koexistieren, wenn wir akzeptieren, dass sie auch manchmal Schäden verursachen, Nutztiere reißen zum Beispiel."
Die Wölfe sind von allein zurückgekommen, niemand hat sie in Europa ausgewildert.
"Also meine Funktion ist Bärenanwalt und Wolfsbeauftragter und ich arbeite im Management, im Großraubtiermanagement in Österreich."
Georg Rauers Arbeitsplatz ist das Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Hochschule Wien.
"Ich schau, wo die Bären sind und wie sie sich verhalten, ich stehe als Berater für die jeweiligen Landesverwaltungen zur Verfügung, also Sachverständiger. Ich schau mir Schäden an und überprüfe, ob das Bärenschäden sind oder eben als Wolfsbeauftragter, der ich auch bin, ob es Wolfsschäden sind, und ich gebe Ratschläge in der Richtung, wie man sich vor Bären schützen kann also für Imker oder Landwirte."
1989 wilderte die Naturschutzorganisation WWF in Österreich drei Bären aus. Zwei Weibchen und ein Männchen. Sie sollten einem Bären Gesellschaft leisten, der bereits einige Jahre zuvor von allein aus Slowenien eingewandert war. Georg Rauer:
"Insgesamt muss man sagen es sind 31 Jungtiere in dem Gebiet, also mindestens 31 Jungtiere geboren worden, also das Potential war auf alle Fälle gegeben"
Und die Population entwickelte sich gut. In den ersten Jahren. Dann aber verschwanden immer mehr Tiere. Seit 2011 lebt kein einziger Braunbär mehr in Österreich. Rauer:
"Man fragt sich natürlich, warum sind die verschwunden und einerseits muss man schon sagen, dass die Ausgangsbasis natürlich sehr klein war, dass eine Ausgangspopulation von vier Bären halt sehr gering ist, und damit schon Zufälligkeiten eine große Rolle spielen. Aber der andere Faktor, der wirklich im Raum steht, sind illegale Abschüsse. "
Viele Schaf- und Rinderhalter sehen in den wilden Räubern eine Gefahr für ihre Tiere, für viele Jäger sind sie unliebsame Konkurrenten. Wilderei ist daher beileibe kein Problem, das nur in Afrika oder Asien auftritt.
"Wir haben einen Nachweis dafür, es sind zwei besenderte Bären spurlos verschwunden, von denen wir auch ausgehen können, dass die so ums Leben gekommen sind und dann gibt es jede Menge Gerüchte natürlich, aber keine hard facts."
Das Bärenauswilderungsprogramm in Österreich gilt als gescheitert. Eine Neuauflage wird es nicht geben. Doch der Bärenanwalt Georg Rauer ist überzeugt davon, dass es hätte klappen können. Schließlich sei Slowenien deutlich kleiner und genauso dicht besiedelt wie Österreich. In Slowenien leben 500 Bären. Und auch das Auswilderungsprogramm in der norditalienischen Provinz Trentino ist erfolgreich. Dort waren zehn Bären ausgewildert worden in einem Gebiet, in dem zuvor schon Bären gelebt hatten.
"Da waren zwar nur noch die letzten Mohikaner sozusagen übrig, also drei Individuen schlussendlich, aber die Jahre davor hatte es eine kleine Population gegeben, das heißt der Bär war im Gebiet präsent immer. Das waren die Unterschiede in der Ausgangsposition. Und die Betreuung war auch eine andere. Anfangs war das ein Projekt des Naturparks Adamello-Brenta. Aber dann hat das Management eben die Provinzverwaltung übernommen und auch den Leuten das Gefühl gegeben, dass da ein klares Management dahintersteht mit auch Schadensabgeltungsprozeduren, die abgesichert sind mit Präventionsmaßnahmen, die finanziert werden und auch diese Betreuung durch die Wildhüter, während in Österreich eine Landesverwaltung keinerlei Personal hat, um jetzt aktiv Management durchzuführen im Gebiet draußen."
Ein gutes Management sei entscheidend für die Akzeptanz der Bevölkerung, sagt der Bärenanwalt. Irgendjemand müsse die Tiere überwachen und notfalls eingreifen, wenn der Bär die Spielregeln des Menschen nicht befolgt.
"Ablaufen tut das so: Wenn der Bär dieses Verhalten zeigt, das er nicht zeigen sollte, also sich zum Beispiel Nahrungsquellen in Menschennähe nähert, dass man ihm Schmerzreize zufügt indem man ihn mit Gummikugeln beschießt, mit Knallkörpern und ihn also möglichst verschreckt und auch ein schmerzhaftes Erlebnis bereitet. Und das muss man aber sich bemühen in einer Phase dann wirklich zu machen, bei jedem Versuch wenn er dieses Verhalten zeigt. Also es ist notwendig dass dieses Tier besendert ist damit man im Bilde ist, was er treibt und wann er ansetzt, das ungewollte Verhalten zu zeigen, und ihm dann eben durch Strafreize das auszutreiben."
Ein solches Erziehungsprogramm erfordert eine ständige Überwachung der Bären. Dann kann, muss es aber nicht funktionieren. Und sobald eine Bärin ungewollte Verhaltensweisen erst einmal an ihre Jungen weitergegeben hat, lasse sich kaum noch etwas tun, sagt Rauer. So geschehen vor einigen Jahren im Trentino. Ein Mitglied der damals entstandenen "Problemfamilie" hieß Bruno.
Gypaetus barbatus - der Bartgeier. Der größte Vogel der Alpen wurde viele Jahrhunderte lang erbittert gejagt, weil er im Verdacht stand, junge Lämmer oder gar Kinder zu töten. Anfang des 20. Jahrhunderts starb der letzte wilde Bartgeier im Aostatal.
"Also das am längsten laufenden Projekt ist das Bartgeierwiederansiedlungsprojekt. Da sind wir seit 30 Jahren mitbeteiligt."
Michael Brombacher von der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt. Seit 1986 wurden in den Alpen fast 200 Tiere ausgewildert. Verbunden mit sehr intensiven wissenschaftlichen Begleitstudien und einer Imagekampagne, die das Bild vom grausamen Vogel revidieren sollte. Mit Erfolg. Heute ist die Bartgeierpopulation im Alpenraum zwar immer noch bedroht, aber sie wächst von Jahr zu Jahr. Brombacher:
"Dann sind wir beteiligt an einem Projekt zur Wiederansiedlung des Gänsegeiers im Balkangebirge in Bulgarien, und sind momentan dabei in Kasachstan, was für uns auch noch zu Europa zählt, die Przewalski-Pferde wieder in die Steppe zurückzubekommen. Da sind wir in der Planungsphase. Da kann man noch nicht sagen, ob wir das wirklich schultern wollen weil die Erfahrung aus der Mongolei zeigt, dass man da eben auch langfristig da sein muss, dass wir eben gucken müssen, sind die Grundvoraussetzungen gegeben? Bekommen wir genügend Pferde? Können wir uns das leisten? Und wie sind die Grundvoraussetzungen in Kasachstan, wenn die Pferde dorthin kommen? Die müssen betreut werden. Wenn die in den ersten Jahren oder ersten Wochen krank werden, muss da ein Tierarzt sein, der die Pferde untersuchen kann, der feststellen kann, was ist passiert, und ja, auch Krankheiten dann behandeln kann. Also das ist ein riesiger Aufwand. Wir sind gerade dabei, das vorzubereiten mit Zoos in Deutschland, und entscheiden dann, ob wir dieses Programm stemmen wollen."
Equus ferus przewalski - das Przewalski-Pferd. Einst in weiten Teilen der eurasischen Steppe heimisch. Die zunehmende Jagd durch den Menschen und die Nahrungskonkurrenz mit Nutztieren drängten das Przewalski-Pferd in immer kargere Lebensräume. 1969 wurde zum letzten Mal ein Tier in der mongolischen Steppe gesichtet. Seit Anfang der 1990er-Jahre werden dort wieder Pferde ausgewildert. Ein ungewöhnlich strenger Winter vor zwei Jahren löschte allerdings zwei Drittel der Population aus.
Die meisten Auswilderungsprojekte werden von Naturschutzorganisationen durchgeführt. Wilde Tiere sind prestigeträchtig, eine spektakuläre Freisetzung bringt Aufmerksamkeit und Spendengelder. Darüber vergäßen aber viele Projektträger das Wichtigste, sagt Michael Brombacher.
"Leider wird es ganz selten wissenschaftlich begleitet. Oft ist es eine Hauruckaktion, man zieht irgendwie ein paar Tiere zusammen, und schickt die dann in die Steppe zum Beispiel oder in ein Schutzgebiet und denkt dann, man hat alles getan, man hat die Tiere dorthin gebracht und dann werden die da reproduzieren und dann wird das schon laufen."
Bombina bombina - die Rotbauchunke. In Mitteleuropa noch weitverbreitet. In Schweden um 1960 ausgestorben.
Einige Kilometer von den Spechtvolieren entfernt, ist in einem gelb angestrichenen alten Herrenhaus aus Holz das Büro von Claes Andrén untergebracht. Der Biologe ist der wissenschaftliche Leiter der Nordens Ark. Er hat viele Jahre damit zugebracht, Rotbauchunken wieder in Schweden heimisch werden zu lassen.
"Wir waren sehr erfolgreich darin, sie zu züchten, aber in den ersten Jahrzehnten gelang es uns einfach nicht, die Art erfolgreich auszuwildern. Die kleinen Populationen gediehen und dann, nach ein paar Jahren, brachen sie wieder zusammen."
Erst als die Forscher anfingen, neue Habitate zu erschaffen und ganz viele kleine Populationen in den verschiedensten Lebensräumen aufzubauen, hielten die Unken länger durch.
"Ein strenger Winter oder eine Dürre kann eine ganze Population auslöschen. Deshalb brauchen Sie viele kleine Gruppen, die in ganz unterschiedlichen Habitaten leben. Was auch immer dann passiert, einige dieser Gruppen werden überleben."
Seit dem Jahr 2000 wächst die schwedische Population der Rotbauchunken wieder. Jedes Jahr zählen Claes Andrén und seine Kollegen doppelt so viele Unken wie noch im Vorjahr. Vor zwei Jahren dann wurde die Art von der Roten Liste gestrichen. Heute brüten in Schweden etwa 20.000 Tiere in 300 verschiedenen Teichen. Damit ist die Wiederansiedlung der Rotbauchunke neben der des Bartgeiers eines der ganz wenigen wirklich erfolgreichen Auswilderungsprojekte in Europa. Andrén:
"Sehr viele Projekte scheitern, weil uns noch viel Wissen fehlt. Wenn Sie an einem Wiederansiedlungsprojekt arbeiten und es geht schief, weil Sie viele Fehler gemacht haben, sind Sie natürlich nicht sonderlich erpicht darauf, Ihre Ergebnisse zu veröffentlichen. Das führt aber dazu, dass andere Leute Ihre Fehler wiederholen werden. Wenn es uns also gelänge, über die Fehler die ja jeder von uns macht, offen zu reden, könnten wir alle voneinander lernen. Das wäre sehr wichtig."
Tetrao urogallus - das Auerhuhn. In Mitteleuropa nur noch in wenigen ursprünglichen Bergwaldregionen anzutreffen. In Deutschland ist es vom Aussterben bedroht.
"Deren Lebensraum ist weg, sehr strukturreiche Wälder mit verschiedenen Nahrungsquellen über das ganze Jahr hinweg, wie Beeren und ja in unseren reinen Wirtschaftswäldern haben es diese Tiere teilweise schwer, zum Teil wurden sie natürlich auch bejagt, das ist ein Mitgrund ihrer Ausrottung aber hauptsächlich ist es die Habitatzerstörung und es ist sehr sehr schwierig großflächig die geeigneten Bedingungen wiederherzustellen dazu reichen oft auch die wenigen Nationalparks beispielsweise und sehr kleinräumigen Schutzgebiete in Deutschland einfach nicht aus."
Der Europäische Kontinent hat sich verändert. Die großen Urwälder sind verschwunden und einige Tiere können hier kein Zuhause mehr finden. Gerade beim Auerhuhn, erzählt Carsten Nowak vom Forschungsinstitut Senckenberg scheiterten Auswilderungsprojekte immer wieder. ]
Bison bonasus – der Wisent. Das größte Landsäugetier Europas lebte bis ins frühe Mittelalter in den weiten Urwäldern des Kontinents. Durch Rodungen und die Jagd wurde es immer weiter zurückgedrängt. Geschützt einzig im Białowieża Wald, dem Jagdrevier polnischer Könige und russischer Zaren. Der letzte freie Wisent starb 1927.
"Can you see them? No? In the front of us right of this roofed haystack there is a few individuals."
Rafał Kowalczyk deutet durch das Autofenster. Der Wald ist von einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Vor dem Weiß der Umgebung zeichnen sich in der Entfernung massige braune Leiber ab. Einer davon setzt sich in Bewegung.
"Das ist ein altes Weibchen. Es trägt seit neun Jahren ein Sendehalsband. Wir wissen also sehr viel über diese Kuh. Sie ist eine der Leitkühe."
In Zoos und Tierparks hatten einige Wisente den Tod ihres letzten wilden Artgenossen überlebt. Mit ihnen startete Ende der 1920er-Jahre ein Zuchtprogramm. 1952 kehrten dann die ersten Tiere in den Wald von Białowieża zurück.
"Heute haben wir hier die größte wildlebende Population der Welt, mit 900 Tieren. Das ist ein Drittel aller in der Wildnis lebenden Wisente."
Rafał Kowalczyk ist Direktor des Säugetierforschungszentrums der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Białowieża. Seit fast zwanzig Jahren erforscht er die Wisente des Urwalds im Grenzgebiet zwischen Polen und Weißrussland. Hier leben mittlerweile so viele Tiere, dass die Fortpflanzung ihnen selbst überlassen bleibt. In kleineren Herden, wie etwa bei den im April 2013 im Rothaargebirge ausgewilderten Wisenten ist das unmöglich. Dort müssen immer wieder Tiere ausgetauscht werden, um ein Mindestmaß an genetischer Vielfalt zu garantieren. Aber auch wenn die Wisente im Białowieża Wald selbst entscheiden können, mit wem sie sich paaren - wirklich wild sind auch sie nicht.
"Sie beobachten genau, was wir tun. Aber sehen Sie? Wir sind wirklich nah dran, und trotzdem sind die Tiere nicht scheu. Das ist ganz typisch für intensiv gefütterte Wisente."
Statt vor den Eindringlingen zu flüchten, fressen die Tiere Heu, das in großen Fladen auf dem Schnee liegt. Im Winter finden die Wisente im Wald nicht genug Futter. Um zu verhindern, dass sie auf die Felder und Äcker in der Umgebung des Parks ausweichen und dort Schaden anrichten, versorgt die Nationalparkverwaltung die Tiere regelmäßig mit Heu. Genau daran stört sich Rafał Kowalczyk. Denn die Fütterung erzeuge jede Menge neuer Probleme.
"Die Nationalparkmanager füttern die Tiere, um sie im Wald zu halten, aber dadurch erhöhen sie gleichzeitig die Überlebens- und Reproduktionsraten. In diesen intensiv gefütterten Herden bekommen 50 Prozent der Weibchen Kälber. In weniger intensiv oder gar nicht gefütterten Herden sind es nur 30 Prozent. Die Fütterungen vergrößern also die Population. Und dann wieder glauben die Manager, es seien zu viele Tiere und töten einen Teil von ihnen."
Dadurch dass sich die Wisente im Winter in großen Gruppen an den Futterplätzen sammeln, könnten außerdem Krankheiten leicht von einem Tier aufs andere überspringen. Rafał Kowalczyks Ansicht nach liegt das Grundproblem darin, dass die Tiere unter wirklich natürlichen Bedingungen gar nicht ausschließlich im Wald leben würden. Um diese These zu überprüfen haben er und seine Kollegen zahlreiche Hunderte bis Tausende Jahre alte Wisentknochen untersucht. Deren Isotopenzusammensetzung gibt Auskunft über die Nahrung und dementsprechend den Lebensraum der Tiere.
"Die vorläufigen Ergebnisse dieser Analyse zeigen, dass Wisente ursprünglich offenere Gebiete besiedelten und erst vor etwa 5000 bis 6000 Jahren in die Wälder flüchteten, als der Mensch begann ihren Lebensraum in landwirtschaftliche Flächen umzuwandeln. In dieser Zeit sehen wir eine Abnahme der Populationen und eine Abnahme der Fitness der Tiere. Die einzigen Gebiete in denen die Art trotzdem überlebte, waren Wälder, in denen sie unter einem gewissen Schutz stand und gefüttert wurde, wie hier in Białowieża, wo die Könige und Zaren die Wisente für die Jagd hegten. Nur durch dieses Management hat die Art hier bis ins 20. Jahrhundert überleben können."
Rafał Kowalczyk drängt darauf, dass zukünftige Wiederansiedlungsprogramme diese Ergebnisse berücksichtigen und Standorte auswählen, die nicht nur Wald sondern auch offenen Landschaften umfassen, in denen die Tiere auch im Winter Nahrung finden können.
"In der Ukraine und Russland etwa gibt es riesige Gebiete, die einen optimalen Lebensraum für die Wisente bieten würden. Dort sind ganze Landstriche entvölkert, weil die Menschen in die Städte gezogen sind. Das Problem ist nur: in diesen Ländern ist das Schutzsystem nicht sehr stabil."
Die Tiere seien dort kaum vor Wilderei zu retten, sagt der Forscher. Er plädiert deshalb dafür, die Wisente im Białowieża Wald zu halten, aber sie dort wenigstens weniger stark zu füttern, um sie wieder etwas wilder werden zu lassen. Dass die Tiere eines Tages wirklich wild – ohne jeden Einfluss des Menschen irgendwo leben können, hält er für unmöglich.
"Natürlich brauchen sie etwas Unterstützung. Im modernen Europa können wir so große Tiere nicht einfach sich selbst überlassen. Aber wir müssen versuchen, unseren Einfluss so weit wie möglich zu reduzieren."
Falco peregrinus - der Wanderfalke. Wurde in den 1970er-Jahren fast überall in Europa Opfer von Quecksilber, DDT und anderen Giftstoffen in seiner Nahrung. Mittlerweile haben die Bestände sich erholt, auch weil der Felsbrüter Städte für sich entdeckt.
Einige wilde Tiere hat Europa auf immer verloren, andere können zurückkommen, wenn sie sich an die Spielregeln des Menschen halten. Aber jedes dieser Projekte fordert Zeit, Wissen und viel Geld. Carsten Nowak:
"Ganz ketzerisch kann man sagen wir brauchen keinen Luchs und wir brauchen keinen Wolf, genauso kann man allerdings auch fragen, ob der Mensch Kunst braucht, ob der Mensch Sportveranstaltungen braucht. Wenn wir das wirklich weiterdenken und die totale Ökonomisierung eigentlich des Lebens fordern, brauchen wir möglicherweise einige dieser Arten nicht. Für mich persönlich ist es eine unglaubliche Bereicherung, wenn ich durch eine Landschaft laufe wie die Karpaten oder die Pyrenäen, wo es noch große Wildtiere gibt. Allein das Wissen darum, dass wir, wo wir uns gerade bewegen, nicht das Ende der Nahrungskette sind, möglicherweise, und dass es solche seltenen und spektakulären Arten gibt, ist ein sehr, sehr schönes Gefühl und wir können uns das in Deutschland locker leisten."