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Manuskript: Unsichtbare Kumpel

Im Norden Finnlands liegt die Lagerstätte Sotkamo. Der Erzgehalt ist gering, dennoch baut Talvivaara hier zehntausende Tonnen Nickel und Zink pro Jahr ab. Meterhohe Halden aus schwarzem Gestein ziehen sich durch die karge Landschaft, kalt und leblos wirkt das Erz. Doch der Schein trügt: Billionen winziger Bakterien verdauen die im Inneren gebundenen Metalle, verwandeln sie in lösliche Salze. Nach einer Phase der Stagnation boomt der Bergbau auch in Skandinavien wieder. In ihrem Bestreben, die Erze möglichst umweltfreundlich zu fördern, setzen die Minenbetreiber auf die Biolaugung, ein Verfahren, das seit Menschengedenken genutzt, seit Jahrzehnten verstanden und vor allem in südlichen Gefilden für den Kupfer- und Goldabbau genutzt wird.

Von Christine Westerhaus |
    Die Lagerstätte Sotkamo im Norden Finnlands. Meterhohe Halden aus schwarzem Gestein ragen in die karge Landschaft. Kilometerweit erstrecken sie sich über das schneebedeckte Gelände. Kalt und leblos erscheint das Erz, das unter der weißen Haube hervorlugt. Doch der Schein trügt. Für das menschliche Auge unsichtbar tummeln sich Billionen winziger Lebewesen im Inneren der Halde.

    "Niemand sonst auf der Welt hat eine Mine, in der Nickel von Bakterien aus dem Erz gelaugt wird. Talvivaara war die erste."

    Maria Riekkola-Vanhanen ist ein Kunststück gelungen. Obwohl das Erz in der Gegend nur einen vergleichsweise geringen Metallgehalt hat, liefert die Mine inzwischen mehr als 10.000 Tonnen Nickel und Zink pro Jahr. Die Biotechnologin arbeitet für das finnische Bergbauunternehmen Talvivaara. Sie hat Schwefelbakterien und sogenannte Archäen, also Urbakterien, dazu gebracht, Nickel, Zink und andere Metalle aus dem Gestein zu lösen.

    "Wir nutzen die Bakterien, die normalerweise in dem Gestein vorkommen. Es sind Mikroorganismen, die dort schon seit Millionen von Jahren leben."

    Seit Millionen von Jahren gewinnen diese Bakterien ihre Energie aus Gestein. Dabei bringen sie die an das Erz gebundenen Metalle in eine leichter lösliche Form. Ein natürlicher Vorgang, der deshalb als vergleichsweise umweltfreundlich gilt. Er erzeugt keine giftigen Schwefelgasemissionen und auch keine Treibhausgase. Gleichzeitig verschlingt die Biolaugung weniger Energie, weil die Metalle nicht durch chemische Verfahren gelöst und in Hochöfen eingeschmolzen werden müssen. Wer Mikroben für sich arbeiten lassen will, braucht allerdings viel Geduld. Riekkola-Vanhanen:

    "In Talvivaara holen wir die Metalle in zwei Schritten heraus. Die erste Laugung dauert eineinhalb Jahre und löst etwa 80 Prozent des Nickels und Zinks aus dem Erz. Dann tragen wir die ursprüngliche Halde Schicht für Schicht ab und bauen eine neue Halde daraus. Hier lassen wir die Bakterien noch einmal etwa drei Jahre lang arbeiten, um das restliche Nickel und Zink zu gewinnen. Dabei werden auch Kupfer und Kobalt freigesetzt. Bis wir alles aus dem Erz herausgeholt haben, vergehen also Jahre."

    Das Gelände der Sotkamo Lagerstätte. Bagger verladen tonnenweise Gestein, das nicht einmal ein halbes Prozent verwertbare Metalle enthält. Ein offener Tagebau, das Erz wird oberirdisch gewonnen. In mehreren Arbeitsschritten wird es zu kleinen schwarzen Steinchen zermahlen. Am Ende ist dieses Granulat nur noch vier Millimeter groß und damit für Mikroorganismen besonders gut verdaulich. Nur Mitarbeiter dürfen das Gelände zu Fuß betreten. Besucher müssen in einen Bus umsteigen.

    "And you can see that we have lot of these conveyor belts..."

    Von dort aus zeigt eine Talvivaara Mitarbeiterin die scheinbar endlosen Förderbänder, die das Granulat zu ihrem Bestimmungsort bringen: Eine schwarz schimmernde Halde, acht Meter hoch. Über mehrere Kilometer erstreckt sie sich über das Gelände. Weiße Schläuche durchziehen die oberste Schicht. Über diese Kanäle gelangen die Bakterien zu ihrem Arbeitsplatz. Vermischt mit verdünnter Schwefelsäure werden sie über das Erz verteilt.

    "On the surface of the heap you can probably see those irrigation lines. So we have a lot of those small tubes on top of the heap to supply the water or the PS solution."

    Unter der Halde liegt ein Auffangbecken, in der sich die metallhaltige Lauge zusammen mit der Bakteriensuspension sammelt. Die Mikrobenbrühe wird recycelt und über die Schläuche wieder auf dem Gestein verteilt, die metallhaltige Lauge zu einer Anlage weiter geleitet, in der die gelösten Rohstoffe mit einem elektrischen Verfahren getrennt werden.

    2008 ging die Mine in Sotkamo in Betrieb. 24 Millionen Tonnen Erz werden dort jährlich abgebaut. Daraus gewinnt der Betreiber mindestens 10.000 Tonnen Nickel pro Jahr. Bei voller Produktion könnten es bald 50.000 Tonnen werden. Damit würde Talvivaara etwa drei Prozent des weltweit produzierten Nickels liefern. Gleichzeitig wirft die Biolaugung bis zu 90.000 Tonnen Zink pro Jahr ab. Riekkola-Vanhanen musste viel Zeit investieren, bis sie die Bakterien auf diesen Großeinsatz vorbereitet hatte.

    "Das Verfahren ist nicht so einfach, wie es klingt. Man muss eine Menge wissen."

    Jahrelang testete die Forscherin die Biolaugung in einer Pilotanlage. Dafür hat sie das Erz in unterschiedliche Korngrößen zermahlen und untersucht, wie die Bakterien es am besten verwerten. Die Mikroben verwandeln unlösliche Erzmineralien in wasserlösliche Salze. Riekkola-Vanhanen:

    "Es ist ein biotechnologischer Prozess mit jeder Menge Chemie. Wir haben inzwischen verstanden, dass die Bakterien sowohl die nötigen Reagenzien produzieren als auch selbst einen Raum dafür schaffen. Um die Bakterien herum bildet sich eine so genannte extrazelluläre Matrix. Und hier läuft die Oxidation ab. Die chemischen Reaktionen brauchen also die Anwesenheit der Bakterien."

    Obwohl die Forscher inzwischen recht gut darüber Bescheid wissen, was bei der Biolaugung vor sich geht, gelingt es nicht immer, die Bakterien im Bergbau einzusetzen. Talvivaara ist bisher die einzige Firma in Nordeuropa, die Mikroben für sich arbeiten lässt.

    "Natürlich sind viele Leute sehr an unserer Methode interessiert. Viele kommen und schauen sich unsere Mine an und wollen wissen, wie wir das Metall mit Bakterien aus dem Erz holen. In Australien gab es eine Versuchsanlage. Aber die Betreiber haben es nicht geschafft, die Biolaugung in großem Maßstab aufzuziehen. Sagen wir es mal so: Talvivaara hat einen Weg gefunden und die anderen haben eben keinen Weg gefunden. "

    Ein kleines Geheimnis hat die erfahrene Bakterienzüchterin aber doch: Sie behandelt ihre Schützlinge wie Haustiere, verrät sie.

    "Wir sind sehr nett zu den Bakterien und sprechen mit ihnen."

    Neu ist die Idee des Bio-Bergbaus nicht. Seit vielen Jahren wird in Chile und Südafrika Kupfer mithilfe von Bakterien aus dem Erz gelöst. Und bereits in prähistorischer Zeit haben die mikroskopisch kleinen Bergarbeiter den Menschen dabei geholfen, Metalle zu gewinnen, erzählt Mark Dopson. An der Linnaeus Universität im schwedischen Kalmar untersucht der Mikrobiologe, wie gut sich skandinavische Bakterien im Bio-Bergbau einsetzen lassen.

    "Schon vor mehr als 1000 Jahren haben die Menschen Metalle aus dem spanischen Fluss Rio Tinto geholt – durch Biolaugung. Sie wussten nicht, dass sie Bakterien dafür nutzten. Doch genau das taten sie. Die Biolaugung wird also schon seit vielen 1000 Jahren genutzt. Doch wir haben erst in den letzten 30, 40 Jahren verstanden, was dabei passiert und das Verfahren optimiert."

    Erst 1947 entdeckten Forscher, dass Bakterien für die Biolaugung verantwortlich sind. In den 1970er-Jahren, während der Ölkrise, loteten Wissenschaftler erstmals aus, ob sich das Verfahren auch für den europäischen Markt eignet. Doch dann brach der Rohstoffmarkt ein. Niedrige Metallpreise und hohe Lohnkosten machten den Bergbau unrentabel. Rohstoffe wurden aus Billiglohnländern importiert, viele Minen geschlossen. Auch in Schweden. Der aus Finnland stammende Geologe Kai Lax bekam diese schlechte Stimmung während seines Studiums zu spüren.

    "Ich wurde ermahnt, dass ich auf keinen Fall eine Richtung einschlagen soll, die irgendetwas mit Bergbau zu tun hat. In ein paar Jahren werde diese Industrie in Nordeuropa ausgestorben sein, hieß es. Es werde höchstens noch eine einzige Grube in Finnland und Schweden zusammen geben. Das war natürlich total falsch. Doch es spiegelt die Stimmung wider, die damals herrschte."

    Heute leitet Lax die Abteilung für Mineralressourcen der schwedischen Bergbaubehörde SGU und ist ein viel gefragter Experte. Denn Schweden ist für Investoren wieder interessant geworden. 2012 erteilte die SGU mehr als 1000 Erkundungs-Genehmigungen an 100 Unternehmen. Darunter auch viele ausländische Firmen. Lax:

    "Alles fing damit an, dass die Metallpreise stiegen. Aus europäischer Sicht haben wir auch definitiv ein Problem: Unsere Rohstoffversorgung ist unsicher. Wir produzieren in Europa etwa drei bis vier Prozent der weltweiten Metallrohstoffe. Wir verbrauchen aber 23 bis 24 Prozent, sind also extrem vom Import abhängig."

    Doch nicht alle Schweden freuen sich über die neuen Arbeitsplätze, die der Bergbau-Boom verspricht. Der Widerstand regt sich vor allem im Norden des Landes, wo es auch die meisten Rohstoffvorkommen gibt. Vor allem Eisen, Kupfer, Zink, Blei und Gold. Zwar ist der Norden Schwedens nur recht dünn besiedelt. Doch das indigene Volk der Samen betreibt hier seine Rentierzucht. Die Samen folgen den Tieren über weite Entfernungen auf ihren Wanderrouten zwischen Waldland und Gebirge. Rentiere ernähren sich vor allem von Flechten und sind auf unbelastetes Futter angewiesen. Kai Lax:

    "Man darf nicht vergessen, dass es auch dort andere Interessen gibt. Die Rentierzucht nimmt große Flächen in Anspruch. Daneben gibt es den Tourismus. Über diese unterschiedlichen Ansprüche gibt es Diskussionen."

    Kai Lax ist dennoch überzeugt, dass Schweden schon in naher Zukunft an seine alte Tradition als Rohstoffexporteur anknüpfen wird.

    "In Europa ist es schwierig, Flächen zu finden, auf denen man Rohstoffe abbauen kann. Insofern ist vor allem Nordeuropa interessant, weil es hier große unbewohnte Flächen gibt, auf denen man nach interessanten Vorkommen suchen kann."

    Maria Riekkola-Vanhanen: "Wenn man eine Lagerstätte findet, in der das Erz einen hohen Metallgehalt hat, zum Beispiel fünf Prozent, hat man großes Glück. Dann bekommt man das Geld, das man in eine Mine investiert schnell zurück. Doch von diesen Lagerstätten gibt es nur sehr wenige in der Welt."

    Das Gelände der finnischen Mine Talvivaara in Sotkamo erstreckt sich über mehr als 60 Quadratkilometer. Etwa so groß wie eine mittelgroße Stadt in Deutschland. Solche freien Flächen gibt es auch in Schweden, vor allem in Nordschweden. Doch viele der dort vorhandenen Rohstoffvorkommen sind bisher nicht erschlossen. Oftmals haben sie nur einen sehr geringen Metallgehalt. Für Investoren lohnte es sich nicht, in eine komplizierte Technik zu investieren. Hier sieht auch der Forscher Mark Dopson eine echte Chance für die mikroskopisch kleinen Kumpel.

    "Es ist möglich, dass das Biomining vor allem bei Erzen mit einem geringen Metallgehalt einen Fuß in die Tür bekommt, oder bei Rohstoffvorkommen, die mit traditionellen Methoden kaum zu erschließen sind."

    In seinem Labor an der Linnaeus Universität im schwedischen Kalmar bereitet Dopson Bakterien auf ihren Einsatz im schwedischen Bergbau vor. Der gebürtige Brite interessiert sich vor allem für Organismen, die es für menschliche Begriffe extrem mögen: Sie fühlen sich bei klirrender Kälte wohl, schätzen ein saures Milieu und vermehren sich auch in Gesellschaft von Schwermetallen. Seine Versuchstiere sammelt der Forscher deshalb dort, wo das passende Klima herrscht: In alten Bergwerken im Norden Skandinaviens. Im Institutskeller hat Dopson es den Mikroben gemütlich gemacht. Bei 8 Grad Celsius können sie das tun, was sie am besten können: Metallhaltige Lösungen verdauen. Allzu lange möchte man ihnen dabei nicht Gesellschaft leisten: Der Raum ist nur wenige Quadratmeter groß und mit kaltem Neonlicht beleuchtet. Dopson:

    "Hier machen wir unsere Kälte-Experimente."

    Dopson betritt die Kältekammer und stößt mit seinem Kopf fast an die niedrige Decke. Ringsum stehen schmucklose Metallregale an der Wand. Darauf kompliziert aussehende Apparaturen, in denen es leise vor sich hin blubbert. Lange durchsichtige Plastikschläuche führen zu Glaskolben, in denen eine trübe, erdfarbene Flüssigkeit rotiert. Dopson deutet auf eine der Apparaturen, die an der Stirnseite des Raumes aufgebaut ist.

    "Bei diesem Experiment arbeiten wir mit der schwedischen Bergbaufirma Boliden zusammen. Boliden sucht nach Möglichkeiten, ihre Abwässer aus der Metallgewinnung mithilfe von Bakterien zu reinigen. Vor allem von Schwefelverbindungen und Nitrat. Nitrat ist in den im Bergbau verwendeten Sprengstoffen enthalten und es führt zu Überdüngung in der Umwelt."

    Die Mikroorganismen sollen die anorganischen Schwefelverbindungen, die in den Abwässern enthalten sind, in harmlose Verbindungen verwandeln. Dass es Bakterien gibt, die so etwas können, ist bekannt. Doch diese Stämme arbeiten nur bei Raumtemperatur und eignen sie sich nicht für den Einsatz in nördlichen Gefilden.
    Über einen langen Schlauch leitet Dopson eine gelbliche Flüssigkeit in die Flasche, in der sich die Bakterien befinden. In der Lösung schwimmen kleine Plastikteile, auf denen sich die Mikroben ansiedeln können.

    "Hier haben wir eine Pumpe, mit der wir die Lösung hinein pumpen. Die Mikroben sitzen auf einem festen Medium, damit sie nicht ausgewaschen werden. Die Idee ist, ein Kreislaufsystem zu schaffen: Das Abwasser wird in einer Art Lagune gesammelt und dort mit Bakterien in Kontakt gebracht. Später kann es gereinigt wieder in die Umwelt geleitet werden."

    Noch in diesem Jahr will Dopson ein Reinigungsteam in einer Pilotanlage in Nordschweden testen. Ganz ähnliche Organismen könnten aber auch dazu genutzt werden, in einer Mine Metalle aus dem Erz zu lösen. Viele der Mikroorganismen, die Dopson für seine Zwecke einsetzt, sind schon länger bekannt. Doch die Stämme, die er im Norden Schwedens einsammelt, sind an kältere Temperaturen angepasst. Insgesamt kennen Forscher heute an die 50 Mikrobenstämme, die sulfidische, also schwefelhaltige Erze laugen können. Dabei spielt es keine Rolle, um welches Metall es geht: Die gleichen Bakterien können unterschiedliche Rohstoffe laugen. In Nordeuropa setzt bisher jedoch nur das finnische Unternehmen Talvivaara die Helfer ein. Mark Dopson:

    "Talvivaara hat gezeigt, dass dieses Verfahren möglich ist, dass es ökonomisch ist und dass es funktioniert. Andere Betreiber werden es nicht 1:1 kopieren können, weil jedes Mineral seine ganz spezifischen Eigenschaften hat. Aber die finnische Mine ist ein erfolgreiches Beispiel dafür, was gemacht werden kann."

    Wirtschaftlich ist Talvivaara ein Erfolg, doch auch das Biomining birgt Risiken. Schon 2008 kam es in der finnischen Lagerstätte zu Zwischenfällen, im November 2012 trat nach starken Regenfällen schwermetall- und uranhaltiger Klärschlamm aus einem Klärbecken aus. In einem Gebiet von mehr als 100 Quadratkilometern wurden Gewässer und Böden verseucht. Auch im April diesen Jahres gab es ein Leck in den Klärbecken, 200.000 Kubikmeter Abwasser traten aus. Die Widerstandsorganisation "Stop Talvivaara" fordert deshalb, dass die Mine sofort geschlossen wird. Immer wieder rufen deren Mitglieder zu Protesten gegen das Projekt auf.

    "Talvivaara hat es nicht geschafft, die Probleme mit der Abwasserreinigung in den Griff zu bekommen. Die Auffangbecken sind schlecht konstruiert, wichtige Sicherheitsvorkehrungen wurden vernachlässigt. Wir fordern deshalb, dass ein Expertenteam die Mine schließt."

    Juha Aromaa von der finnischen Dependance der Umweltorganisation Greenpeace. Einmal in Gang gesetzt, lässt sich die Biolaugung nicht von heute auf morgen stoppen. Zudem ließen sich die Wasserströme nur schlecht kontrollieren, sagt Aromaa. Das Verfahren sei deshalb ungeeignet für nördliche Gebieten, in denen es viel regnet.

    "Bevor andere Betreiber das Verfahren in diesem Klima einsetzen, brauchen wir deutlich mehr Expertenwissen darüber, wie man es unter Kontrolle bringen kann. Nicht einmal Fachleute wissen, wie schnell man die Biolaugung stoppen kann. Manche sprechen von 30 Jahren. Das ist ein echtes Problem, das wir in den Griff bekommen müssen."

    Ursprünglich wollte der Betreiber Talvivaara noch in diesem Frühjahr damit beginnen, auch das in dem Erz enthaltene Uran zu nutzen. 350 Tonnen pro Jahr sollten produziert werden – damit wäre Talvivaara der größte Uran-Produzent Europas. Uran wird von den Bakterien automatisch mit aus dem Gestein gelaugt und gelangte bei den Störfällen in die Umwelt. Der Urangehalt habe sich im Umfeld der Mine auf das Zehnfache erhöht, sagt Greenpeace. Gegner werfen dem Unternehmen vor, der Öffentlichkeit bewusst verschwiegen zu haben, dass bei der Biolaugung auch Uran aus dem Erz gezogen wird.

    Auf einer Kundgebung im Jahr 2009 konfrontieren Umweltaktivisten die Betreiber der Mine mit diesem Vorwurf - "Kein Kommentar" lautet die Antwort aus dem Vorstand von Talvivaara. Die finnischen Behörden haben die Uranproduktion in Sotkamo vorerst gestoppt. Es wird nun weiterhin als Gips ausgefällt und gelagert.

    Maria Riekkola-Vanhanen: "Die Uranfabrik ist gebaut, wir haben alle Genehmigungen, nur noch nicht von der Umweltbehörde. Das Uran wird von den Bakterien sowieso aus dem Erz gelaugt und ist schon da. Ist es besser, es dort für immer zu lassen? Oder ist es besser, es aus dem Prozess herauszunehmen? Das ist die interessante Frage. Wir hatten so viele Diskussionen darüber mit so vielen Menschen. Es ist ziemlich merkwürdig, wie die Leute denken."

    Wie bei klassischen Bergbauverfahren sind vor allem die Abwässer bei der Biolaugung ein Problem. Die Probleme in der finnischen Mine traten nach einem nassen Sommer auf, erklärte der Betreiber. Doch die sind in Nordeuropa keine Seltenheit, entgegnen die Kritiker. Weil die Biolaugung in einer wässrigen Umgebung abläuft, ist es wichtig, die Wege des Wassers zu jeder Zeit steuern zu können. Auch Mark Dopson ist sich dieses Problems bewusst.

    "Ich denke, dass solche Anlagen sehr sorgfältig geplant werden müssen. Es ist offensichtlich, wie wichtig es ist, die Klärbecken so zu bauen, dass man so etwas kontrollieren kann."

    Dopson geht trotz der negativen Schlagzeilen davon aus, dass der Bakterien-Bergbau im Norden seine Chance bekommen wird. Doch die Unternehmen werden das Verfahren seiner Meinung nach eher in Minen einsetzen, die neu errichtet werden.

    "Es braucht Zeit, diese Technik zu entwickeln. Wenn ein Unternehmen schon Geld in eine andere Methode investiert hat wird es sich für sie nicht lohnen, auf das Biomining umzusatteln. Ich denke deshalb, dass dieses Verfahren eher dort eingesetzt wird, wo die Dinge etwas komplizierter sind. Wo das Erz zum Beispiel Metalle oder Chemikalien enthält, die giftig sind. Dort sind die Bakterien eine gute Alternative zu traditionellen Verfahren."

    Derweil geht die Suche nach besonders hart gesottenen Bakterien in Dopsons Labor weiter. Ein paar Dutzend durchsichtige Fläschchen reihen sich dort auf einer Laborbank nebeneinander. Darauf kleben gelbe, rote oder blaue Etiketten mit einer chemischen Formel darauf. Diese Aufkleber kennzeichnen, in welcher Lösung die Bakterien schwimmen. Es sind Sedimentproben, die Dopson bei seinen Streifzügen durch schwedische Bergwerke gesammelt hat. Die Bakteriengemeinschaften darin warten darauf, ihr Können in einem ganz besonderen Experiment unter Beweis stellen zu dürfen. Sie sollen Strom erzeugen. Aus Grubenwasser. Damit möchte Dopson gleich drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Bakterien sollen das Abwasser reinigen, die Metalle darin in eine verwertbare Form bringen und dabei sogar noch Energie produzieren. Eine Bakterien-Batterie also. Die trübe Flüssigkeit in dem kleinen Fläschchen, das Dopson gerade in der Hand hält sieht allerdings nicht so aus, als könne sie das alles leisten.

    "Hier haben wir all die Fläschchen, mit denen wir unsere Vorversuche machen. Wir hoffen, dass die Mikroorganismen darin wachsen, damit wir sie in unserer Bio-Batterie einsetzen können. Darin sehen wir, ob sie eine Spannung erzeugen können."

    Genau das testen Dopson und sein Team in einer kompliziert aussehenden Apparatur. Das Prinzip ist lange bekannt, gesucht werden jetzt Mikroben, die auch bei kühlen Temperaturen und hohen Metallgehalten noch mitspielen. Über lange Schläuche leiten sie eine metallhaltige Flüssigkeit in einen Plexiglaskasten. Dieser Kasten hat zwei Kammern, die durch eine Membran voneinander getrennt sind. Diese Kammern entsprechen den entgegengesetzten Polen einer Batterie. Auf einer Seite befindet sich die metallhaltige Lösung, auf der anderen Seite die Bakterien.

    "Die Mikroorganismen sitzen auf der Anode, also auf einem Pol der Batterie. Dies ist also die biologische Seite. Die Bakterien produzieren dort einen Biofilm und auf der anderen Seite der Batterie, der Kathode, lagern sich die Metalle aus der Lösung an. Dort können wir sie also aus der Lösung extrahieren."

    Das Verfahren ist umweltschonend, weil die in dem Abwasser enthaltenen Metallionen nicht durch Chemikalien ausgefällt und entsorgt werden müssen. Dass es tatsächlich funktioniert, haben Dopsons Forscherkollegen bereits bewiesen. Ihnen ist es gelungen, Kupferoxid mithilfe von Bakterien in Kupfer zu verwandeln und dabei Strom zu erzeugen. Doch bisher läuft die Biobatterie nur in kleinem Maßstab. Den Praxistest müssen Dopsons Stromlieferanten noch bestehen. Und weil es lebende Organismen sind, muss er seine Schützlinge besonders schonend auf ihren Einsatz vorbereiten:

    "Sie sind nicht wie ein Computer bei dem man bei einem bestimmten Input immer den gleichen Output bekommt. Mikroorganismen haben zwar keine Gefühle, aber an einem Tag machen sie dies und am nächsten irgendetwas anderes. Man muss nach ihnen schauen, sich um sie kümmern, sie pflegen und ihnen das geben, was sie brauchen. Deswegen schauen wir nach ihnen unter dem Mikroskop, um sicherzugehen, dass sie da sind. Dass sie wachsen und hoffentlich auch zu sehen, dass sie glücklich sind!"

    Ein paar Jahre wird es noch dauern, bis die mikroskopisch kleinen Helfer ihr Können auch im schwedischen Freiland unter Beweis stellen dürfen. Mark Dopson glaubt aber fest an das Potenzial seiner Schützlinge.

    "Ich denke Schweden ist ein umweltbewusstes Land und deshalb daran interessiert, den Bergbau so sauber und umweltfreundlich wie möglich zu betreiben. Als Mikrobiologe, der mit solchen Verfahren arbeitet, hoffe ich natürlich, dass viele Unternehmen sie in Zukunft einsetzen werden."

    Auch Kai Lax geht davon aus, dass der Bergbau-Boom in Schweden anhalten wird. Und die mikroskopisch kleinen Helfer können dabei einen wichtigen Beitrag leisten: Würden sie mit der nötigen Vorsicht eingesetzt, könnten sie langfristig das Image der Branche verbessern, meint Lax.

    "Ich denke, dass wir in Zukunft deutlich mehr Gruben in Schweden haben werden, als heute. Dabei hoffe ich, dass Schweden vermehrt auf umweltfreundliche Technologien setzen wird. Dass wir unsere Rohstoffe mit so wenig Umweltschäden wie möglich abbauen. Heutzutage haben wir immer noch ein Imageproblem: Der Bergbau wird als etwas Schmutziges, Gefährliches und Unheimliches angesehen. Ich hoffe, dass sich dieses Bild gerade rückt, denn es ist eine technologisch hoch entwickelte und spannende Branche."