"Erdgeschoss: Pazifik"
Der Aufstieg beginnt. Ein Aufstieg ins All. Ein leises Surren und Fracht und Passagiere schweben entlang eines Seils von der Erdoberfläche in den Orbit. Science Fiction. Noch.
"Einzelne Kohlenstoffnanoröhrchen sind unglaublich stark. Sie halten Kräfte von bis zu 50 Gigapascal aus. Das entspricht etwa dem 500.000-fachen Druck der Erdatmosphäre. Unter solchen Bedingungen verwandelt sich Kohlenstoff in Diamant. Uns ist es gelungen, die Kohlenstoffröhrchen miteinander zu verknüpfen. Sie verzwirbeln sich selbstständig untereinander, so wie Garn beim Spinnen. Nun müssen wir noch für die entsprechende Stabilität sorgen – und dann könnte man sie für einen Aufzug ins All verwenden. Wir sind hier in unserem Labor, wo wir die Eigenschaften von Kohlenstoffnanoröhrchen untersuchen. Dabei handelt es sich um kleine Zylinder aus Karbon. Und wenn ich sage ‚klein‘, meine ich ‚wirklich klein‘! Der Durchmesser beträgt wenige Nanometer."
Ein Nanometer verhält sich zu einem ein Meter langen Stock so wie eine Murmel zum gesamten Erdball. Mit Materialien dieser Größenordnung experimentiert der Chemiker Ray Baughman und sein Team am NanoTech Institute der University of Texas.
"Das Geräusch hier stammt von einer Maschine, mit der wir Stärke und Dehnbarkeit unserer Nanoröhrchen messen."
Die Chinesin Na Li testet, wie belastbar die neuen Materialien sind. Aus ihnen lassen sich beispielsweise künstliche Muskeln entwickeln, die 100 Mal stärker sind als natürliche Muskeln. Auch in funktioneller Kleidung finden die Nanomaterialien Anwendung, in Stoffen also, die Wasser abweisen. Ob sie auch für Hochleistungsseile taugen, wird derzeit hier untersucht.
"Menschen träumen schon lange von der Möglichkeit eines Aufzugs ins All. Forscher in aller Welt versuchen das Problem mit einem sehr dicken und langen Kabel aus Kohlenstoffnanoröhrchen zu lösen. Derzeit kommen wir auf eine Dicke von zehn Mikrometern. Das entspricht einem Hundertstel Millimeter. Diese Fäden können beliebig lang sein, auch kilometerlang, wenn wir nur genug Zeit haben."
Mit dem Lift ins All: Dies ist auch die Vision der amerikanischen Firma LiftPort. Das Zwei-Mann- Unternehmen mit Sitz im US-Bundesstaat Washington wartet derzeit nur darauf, dass die Forschung Fortschritte macht, um ihn endlich bauen zu können.
"Erstes Obergeschoss: Mond-Basis"
Schon seit mehr als einer Dekade liebäugelt die Firma mit der Idee eines Megalifts. Mit ihren ursprünglichen Plänen, damit den Erd-Orbit zu erschließen, musste das Unternehmen im Zuge der weltweiten Finanzkrise 2007 Konkurs anmelden. Seit letztem Jahr unternimmt Firmen-Gründer Michael Laine einen neuen Anlauf und konzentriert sich nun auf den Mond. In einer ersten Phase soll ein Test-Roboter automatisch zwei Kilometer an einem Seil senkrecht nach oben klettern. Für dieses Projekt hat LiftPort im letzten Jahr versucht, Spendengelder einzutreiben. Zusammen kamen über 100.000 Dollar. Geld also ist da – es hakt derzeit an der technischen Umsetzung. Doch das dürfte nur eine Frage der Zeit sein, findet Jerome Pearson, Präsident von Star Technology and Research im US-Bundesstaat South Carolina. Dieses private Unternehmen entwickelt seit 15 Jahren Konzepte für die US-Raumfahrtbehörde Nasa und das Pentagon. Und da stehen auch Weltraumfahrstühle auf der Wunschliste.
"Das ist ein extrem ehrgeiziges Projekt. Einen Weltraumfahrstuhl zu errichten, würde Dinge wie den Bau der ersten Atombombe oder die Errichtung des Panama-Kanals in den Schatten stellen. Es wäre das größte Projekt, das die Menschheit jemals in Angriff genommen hat. Wir bräuchten Materialien, über die wir noch nicht verfügen, und möglichst gleich Millionen von Tonnen davon. Aber derzeit sieht es so aus, als machten wir bei der Entwicklung der nötigen Kohlenstoffnanoröhrchen Fortschritte."
Mit Konzepten von Fahrstühlen ins All überholen private Firmen derzeit staatliche Agenturen wie die Nasa. In Zeiten schrumpfender Etats muss sich die US-Raumfahrtbehörde auf das zurückbesinnen, was technisch machbar und finanzierbar ist. Derzeit beschränken sich ihre Aktivitäten weitestgehend auf den Betrieb der Internationalen Raumstation und einige Missionen unbemannter Sonden durch das Sonnensystem. Wirklich innovativ sind dagegen Firmen wie SpaceX oder Orbital. Sie entwickelten mit wenig Manpower und vergleichsweise geringen Budgets neue Raketen und Raumschiffe. 2002 vom PayPal-Millionär Elon Musk gegründet, begann zum Beispiel SpaceX mit 30 Mitarbeitern. Heute beschäftigt die Firma 3000 Angestellte und macht Milliarden-Umsätze mit Transport-Aufträgen der Nasa in erdnahe Umlaufbahnen. Erfolgsgeschichten wie diese haben Begehrlichkeiten geweckt – solche, die über den Erd-Orbit hinausgehen.
"Die Idee, Privatpersonen um den Mond herum zu schicken, hatten wir schon vor ein paar Jahren. Nachdem wir mit Hilfe der russischen Weltraumagentur 2001 erstmals einen zahlenden Passagier zur Internationalen Raumstation geschickt hatten, war dies der nächste logische Schritt. Wir haben nun ein logistisches Konzept für solche Flüge ausgearbeitet und bewerben unsere Geschäftsidee derzeit. Einen ersten Kunden haben wir schon. Damit sich das Projekt lohnt, suchen wir noch einen zweiten."
Tom Shelley ist der Präsident von Space Adventures. Die Firma mit Sitz in Washington, DC, ist eine Art Reisebüro für Trips ins All. Bekannt wurde Space Adventures mit dem Aufenthalt von Dennis Tito als erstem zahlenden Privatpassagier an Bord der ISS. Diesen einwöchigen Trip hatte sich der amerikanische Multi-Millionär 2001 für rund 20 Millionen Dollar gegönnt. Sechs weitere Weltraumtouristen folgten; als siebter hat sich im letzten Jahr die Sängerin Sarah Brightman ins Gespräch gebracht. Außerdem verdient Space Adventures Geld mit Parabelflügen an Bord von Flugzeugen oder komplett durchorganisierten Pauschalreisen zu russischen Raketenstarts in Baikonur. Ehrgeizigstes Projekt sind jedoch die Mond-Flüge. Shelley:
"Wir sind sehr zuversichtlich, dass es einen Markt für solche Flüge gibt. Auch wenn der Preis natürlich den Kreis möglicher Kunden begrenzt, sind wir guten Mutes, zwei Kandidaten für den Flug in einer Sojus-Kapsel zu finden, zu denen sich dann noch ein Pilot gesellt. Den ersten Interessenten haben wir mittlerweile. In Frage kommen eigentlich nur Milliardäre. Die sind jedoch meistens so beschäftigt, dass sie sich nicht einfach eben mal für drei, vier Monate von ihren laufenden Geschäften verabschieden können, um ein Training zu absolvieren. Die Terminschwierigkeiten möglicher Aspiranten sind also ein größeres Problem, als solche überhaupt zu finden."
Dabei ist Space Adventures nur für die Vorbereitung des Fluges zuständig, bewirbt ihn, sucht Kunden und organisiert das Training auf dem Boden. Die Durchführung liegt bei der russischen Weltraumbehörde Roskosmos. In ihrem Trainingszentrum bei Moskau, dem sogenannten Sternenstädtchen, sollen die Mond-Touristen trainieren. Außerdem stellt Roskosmos die Trägerrakete und ein Sojus-Raumschiff bereit. Tom Shelley:
"Space is most definitely becoming a business. And manned space flight is becoming a business as well."
Privatflüge einmal um den Mond herum oder Fahrstühle in die Mondumlaufbahn – zwei Zukunftsprojekte, die für den Weltraumexperten John Logsdon vor allem eines sind: Geschäftsmodelle, bei denen es auf die richtige Mischung aus Anschubfinanzierung und Technologie ankommt.
"I think it’s a combination of money and technology that has been the barrier to private entry into space activity beyond Earth orbit."
John Logsdon ist ehemaliger Direktor des Space Policy Institute der George Washington University in der amerikanischen Hauptstadt. Er berät die US-Raumfahrtbehörde Nasa und saß unter anderem in der Untersuchungskommission, die 2003 den Unfall der Raumfähre Columbia aufklären sollte.
"40 Jahre lang ist das bemannte amerikanische Weltraumprogramm ziemlich uninteressant gewesen. Wir sind wieder und wieder in die Umlaufbahn geflogen zu einem Labor, in dem eigentlich eher langweilige Experimente vonstatten gehen. Seit der letzten Mond-Mission vor 40 Jahren bewegen wir uns im Kreis und kreisen um die Erde. Flüge von Menschen tiefer hinaus ins All, ob zum Mond, zu einem Asteroiden oder zum Mars, könnten die Öffentlichkeit wieder für den Weltraum begeistern."
Einige mutige Pioniere müssten vorangehen. Die zu finden sollte kein Problem sein, glaubt John Logsdon.
"Während ich das hier spreche sind wieder vier Personen beim Versuch umgekommen, den Mount Everest auf einer privaten Expedition zu besteigen. Menschen sind nun einmal gewillt, mit ihrem Geld aufregende, riskante Dinge zu unternehmen. Einmal um den Mond herum zu fliegen gehört in diese Kategorie aufregender, riskanter Dinge."
Derzeit gibt es weltweit so einige Felder, auf denen Tüftler ihre Weltraumvisionen umsetzen wollen – Sonnenenergie aus dem All ist eine davon.
"Die Technologie für Photovoltaik hat sich dramatisch verbessert und die Kosten seit den 70ern drastisch gesenkt. Solarzellen befinden sich heute auf jedem Satelliten, der die Erde umkreist, und sind ein Massenprodukt, mit dem sich Gewinn erwirtschaften lässt. Auch sonst hat die technologische Entwicklung seit den 70er-Jahren Fortschritte gemacht: Roboter arbeiten heute so autonom, dass wir ohne den kostspieligen Einsatz von Astronauten automatisch entsprechende Anlagen in der Erdumlaufbahn zusammenbauen könnten, was außerdem die Kosten senkt."
Mark Hopkins, damals und heute in Diensten der US-amerikanischen National Space Society. Zumindest die Konzepte für "Space Solar Power" sind mittlerweile ausgereift. Eines stammt von der amerikanischen Moon Society, einem privaten Interessenverband, der sich für eine Rückkehr zum Mond stark macht, sich aber auch für andere Innovationen in der Weltraumfahrt einsetzt. Peter Kokh, der Präsident der Moon Society, reist derzeit durch die Lande und präsentiert auf Weltraummessen und -kongressen ein tischgroßes Modell. In Wirklichkeit soll die Spannweite mehrere Kilometer messen.
"Hier haben wir zwei gigantische Solarpaneele, die das Sonnenlicht einfangen und auf einen zentralen Kollektor konzentrieren. Er wandelt diese Energie um und beamt sie als Mikrowellen hinunter auf die Erde. Schon eine solche Anlage könnte den Energiebedarf einer Großstadt abdecken. Im Weltraum hätten wir 24 Stunden am Tag die Gelegenheit, das Licht der Sonne einzufangen. Wir könnten die ganze Welt mit so viel Energie versorgen wie nötig."
Während er spricht, bringt Peter Kokh eine an den Kollektor angeschlossene Diode durch Strom der Solarpaneele zum Leuchten. Die prinzipielle Umwandlung von Licht in Mikrowellen und schließlich in Strom also funktioniert. Die Rolle des Pioniers, der dieses Prinzip erstmals in die Praxis umsetzt, sollte Solaren übernehmen, ein Start-Up-Unternehmen mit rund einem Dutzend Beschäftigter im kalifornischen Manhattan Beach. 2009 schloss Solaren einen Vertrag mit der Pacific Gas and Electric Company PG&E. Ab 2016 sollte sie den kalifornischen Stromlieferanten mit Sonnenenergie aus dem All beliefern – bis zu 200 Megawatt für den Süden des US-Bundesstaates. Die entsprechende Hardware zum Start der Satelliten sollte bei etablierten amerikanischen Raumfahrtfirmen wie Boeing oder Lockheed in Auftrag gegeben werden. Die Anfangsfinanzierung hätte durch Sponsoring reicher Privatpersonen erfolgen sollen und durch Unternehmen, die in das aufstrebende Unternehmen investieren wollten. Doch dann geriet Solaren in Verzug. Die Finanzierung reichte nicht aus, der Bau der teuren Hardware konnte nicht in Auftrag gegeben werden. Ende letzten Jahres schließlich löste Kaliforniens Stromlieferant PG&E den Vertrag mit Solaren.
"Ich glaube, dass wir mit dieser Technologie kurz vor einem Durchbruch stehen, sie aber noch nicht wirklich getestet und schon gar nicht bewährt ist. Es bedarf noch einer Reihe von Experimenten auf dem Boden und im Weltraum, bevor wir sagen können, ob sich dieses Verfahren auch wirtschaftlich rechnet und wie hoch die Kosten für Energie aus dem All am Schluss sein werden."
John Mankins, der sechs Jahre lang bei der US-Raumfahrtbehörde Nasa die Forschungsgruppe zur weltraumgestützten Sonnenenergie geleitet hat und heute Artemis Innovation als Präsident vorsteht. Diese Beratungsfirma in der Nähe von Washington, DC, macht sich für die Förderung neuartiger Technologien stark, zu denen sie auch Space Solar Power zählt, die Sonnenenergie aus dem All.
"Space Solar Power bedeutet Millionen Dollar für die Infrastruktur auf dem Boden, Dutzende von Millionen für eine Demonstration des gesamten Systems, Hunderte von Millionen für die Transportkosten in den Weltraum, Milliarden von Dollar um einen voll funktionierenden Prototypen im All zu entwickeln."
Auch von der Arithmetik her glaubt Mankins nicht, dass Solaren die Menge von 200 Megawatt an Strom hätte liefern können. Zum Vergleich: Die Internationale Raumstation mit ihren Sonnensegeln liefert etwa 100 Kilowatt. Die von Solaren geplanten Satelliten müssten also 2000 Mal so leistungsstark sein. Dennoch will die Firma nun einen neuen Anlauf nehmen und erneut mit PG&E verhandeln, um ab 2020 endlich liefern zu können.
"Weltraumfahrstühle, Space-Solar-Power-Satelliten und Reisen um den Mond herum sind keine Science Fiction. Zwar sind diese Projekte derzeit noch nicht real, aber sie sind eben nicht Science Fiction. Der Grund ist, dass wir uns technisch vorstellen können, wie sie funktionieren könnten. Ob sich diese Ideen momentan komplett umsetzen lassen, steht auf einem anderen Blatt. In allen Fällen jedoch gibt es bereits Modelle, die beweisen, dass das jeweilige Prinzip funktioniert."
Roger Launius ist Kurator für die Apollo-Sammlung am National Air and Space Museum in Washington, DC. Als Weltraumhistoriker beobachtet er die Entwicklungen der Raumfahrt über die Jahrzehnten. Technisch sei vieles heute schon machbar. Es bedürfe jedoch einer immensen Anfangsfinanzierung. Die könnten Risiko-Kapital-Geber durchaus stemmen, oder einzelne Privatpersonen, denen es egal ist, ob sie Geld verdienen oder Geld verlieren.
"Beim Weltraumfahrstuhl besteht das Problem darin, dass uns die Materialien noch nicht zur Verfügung stehen. Bei der Konstruktion von Seilen aus Kohlenstoffnanoröhren sind Wissenschaftler jedoch in jüngster Zeit ein gutes Stück vorangekommen. Wir sehen also, wie es funktionieren könnte. Na ja, und dass wir in der Lage sind, den Mond zu umkreisen, haben wir bereits bewiesen. Entscheidender ist eine andere Frage: Gibt es für solche Projekte einen Markt?"
Shackleton ist der Name eines Kraters in der Nähe des Mond-Südpols. Nach ihm hat sich die Shackleton Energy Company benannt. Jim Keravala, der Chief Operating Officer, ist überzeugt: Der Nachfrage kann man auf die Sprünge helfen.
"Es wäre für BMW sehr schwer, Fahrzeuge mit wiederauffüllbaren Tanks zu bauen, ohne sicher sein zu können, dass es überall auf den Straßen Tankstellen gibt. Es muss also Sicherheiten für die Kunden geben. Erst dann macht es für Hersteller Sinn, entsprechende Güter auf den Markt zu bringen."
Die Shackleton Energy Company will im Shackleton Krater Eis abbauen und so aufbereiten, dass daraus Treibstoff für Raumschiffe gewonnen werden kann. Sprit für weitere Reisen müsste nicht mehr kostspielig von der Erde mitgenommen werden; nachgetankt werden könnte im All.
"Es kostet derzeit ungefähr 10.000 Dollar, ein Kilogramm Nutzlast in die Erdumlaufbahn zu schicken. Für einen Trip zum Mond liegt der Preis bei etwa 100.000 Dollar pro Kilogramm. Wenn Firmen sich den Treibstoff für ihre Reise kostengünstig im All besorgen könnten, würde dies die Preise senken und gleichzeitig ein völlig neues Geschäftsfeld eröffnen. Neue Anbieter werden in den Wettbewerb eintreten. Dieser neue Markt dürfte für Jahrzehnte wenn nicht für Jahrhunderte wachsen."
Wer die Anschubfinanzierung leisten soll, wer die Flüge zum Mond und die Ausrüstung vor Ort finanzieren wird, will Jim Keravala nicht verraten. Wie es offensichtlich nicht geht, hat seine Firma in den letzten Monaten jedoch schon erfahren müssen.
"Wir haben im letzten Jahr versucht, über das Internet Geld einzutreiben. Die Ausbeute war jedoch sehr gering. Es gab fast nur ideelle Begeisterung und Unterstützung, nur wenige waren bereit, uns finanziell zu sponsern. Dieses Verfahren haben wir jetzt ad acta gelegt."
Auf der Internet-Seite der Shackleton Energy Company wird deutlich, dass bislang erst etwa ein Prozent der anvisierten eine Million Dollar in Form von Spenden eingegangen sind. Wie es nun dennoch gehen soll, will die Firma erst verraten, wenn die Finanzierung wirklich steht. Keravala:
"Wir verfolgen einen sehr aggressiven Zeitplan. Bis spätestens 2020 sollen unsere Kunden Wasser vom Mond als Rohstoff geliefert bekommen. Dazu wollen wir zunächst in drei Jahren den unbemannten Rover Prospector zum Mond schicken, um nach geeigneten Landestellen zu suchen. Je nachdem, wie zügig wir mit der Finanzierung des Projektes vorankommen, könnten wir unsere erste bemannte Expedition bis Juli 2019 zum Mond schicken."
"Mehrere Dutzend Ingenieure" seien derzeit an den Planungen beteiligt, so heißt es. Ihren Hauptsitz hat die Shackleton Energy Company im texanischen Houston, von wo aus sie ein Konsortium betreibt, zu dem Unternehmen im ganzen Land gehörten. Auch die bleiben jedoch vorerst Geheimsache. Mögliche Interessenten für das Wasser vom Mond jedoch sind schon klar ausgemacht. Keravala:
"Unsere Kunden kommen aus zwei Bereichen: aus dem staatlichen Raumfahrtsektor und aus der kommerziellen Raumfahrt. Regierungen und Weltraumbehörden benötigen bei ihren Missionen vor allem eins: Energie, in Form von Treibstoff. Wenn sie ihre Raumschiffe vor Ort, im All, auftanken könnten, brächte das eine enorme Kostenersparnis mit sich."
Das abgebaute Wasser sollen Astronauten vor Ort in Mini-Fabriken per Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff trennen, woraus sich wiederum Raketentreibstoff gewinnen lässt. Dieser ließe sich in Treibstoffdepots lagern, die im Weltraum schweben und für jeden zugänglich sind – gegen Bezahlung, versteht sich. Keravala:
"Private Raumfahrtunternehmen sind auch auf Wasser angewiesen. Egal, ob als Treibstoff zum Auftanken für Satelliten oder als Trinkwasser für Astronauten – wenn kommerzielle Anbieter sicher sein können, ständig einen Vorrat an Wasser im All zur Verfügung zu haben, werden sie auch die Raumschiffe bauen, die dieses Wasser unserer Station nutzen."
Auf dem Mond lockt Wasser, noch lohnender könnten Asteroiden sein, denn die bestehen zum Teil aus Eisen, Nickel und seltenen Metallen der Platin-Gruppe. Das Unternehmen, das sich den einen oder anderen erdnahen Asteroiden als Ziel vorgenommen hat, nennt sich Planetary Resources. Die Firma aus dem US-Bundesstaat Washington setzt ganz auf automatisierten Bergbau, ohne Einsatz von Astronauten. Chris Lewicki, der Präsident von Planetary Resources.
"Wir werden Ende des Jahres unser erstes Teleskop vom Typ Arkyd starten, das nach einem geeigneten Asteroiden Ausschau halten soll. Gegen Ende des Jahrzehnts wollen wir damit beginnen, auf diesem Asteroiden Bodenschätze abzubauen."
Noch in diesem Jahr also soll es losgehen. Demnach müsste das erste Arkyd-Teleskop eigentlich schon so gut wie fertig sein und Flugtests unterlaufen. Doch ganz so weit sei man dann doch noch nicht, muss Chris Lewicki zugeben.
"Wir kommen mit dem Design des Teleskops gut voran. Derzeit entwickeln wir einen Prototypen. Unser Zeitplan ist ehrgeizig, aber wir kennen uns mit solchen Dingen aus. Das schaffen wir schon."
Ungefähr ein Jahr vor dem Start also befindet sich Planetary Resources noch in der Design-Phase. Dass daraus binnen weniger Monate ein flugfähiges Weltraumteleskop hervorgehen wird, erscheint unwahrscheinlich, angesichts der Vorlaufzeiten, die man von ähnlichen Raumfahrtprojekten kennt. Weltraumexperte John Logsdon sieht die Pläne daher kritisch:
"Die Firma Planetary Resources will – nach eigenen Angaben - allmählich die technischen Möglichkeiten entwickeln, Bodenschätze auf einem Asteroiden abzubauen. Einerseits finde ich das hochspekulativ. Andererseits stehen hinter dem Projekt gescheite Leute – Visionäre, die bereit sind, Risiken einzugehen. Es ist also zumindest eine interessante Idee."
Zweifel am Zeitplan und an der Durchführbarkeit des gesamten Programms entkräftet das Unternehmen mit der gesammelten Manpower und Kompetenz, die hinter dem Projekt steht: Präsident Chris Lewicki kommt selbst direkt von der Nasa, ebenso wie sein Vize-Präsident. Andere Berater sind ehemalige Astronauten – und der Filmregisseur James Cameron. Als Geldgeber stehen unter anderem der Gründer von Google, Larry Page, und der frühere Chefprogrammierer von Microsoft, Charles Simonyi, hinter dem Projekt sowie weitere Multi-Millionäre.
"Zweites Obergeschoss/Endstation: Mars. Bitte alle aussteigen!"
Für einige der ehrgeizigen Start-Up-Unternehmen war zwischenzeitlich schon Endstation. Ob auch Shackleton scheitert – wer sollte das mit Bestimmtheit sagen. Es scheint die Regel zu gelten: Je mehr eine aufstrebende Privatfirma auf die Pauke haut und öffentlichkeitswirksam für sich werbt, desto geringer ihr Erfolg – dies ist zumindest die Ansicht von John Mankins, dem Präsidenten der Ideenschmiede Artemis Innovation mit Sitz in Washington D.C.
"Zwei, drei dieser aggressiven Start-Up-Unternehmen vermochten es nicht, die Geschäftswelt von ihren Ideen zu überzeugen. Das ist so, als wollten Sie Ihr Auto aus dem Schlamm befreien. Das Dümmste, was Sie tun können, ist, noch stärker auf das Gaspedal zu treten, denn das gräbt Ihre Räder nur noch tiefer ein. Beschleunigen Sie aber langsam und vorsichtig, dann bewegt sich Ihr Wagen Stück für Stück und Sie kommen vorwärts. Wenn also die zweite Generation von Start Ups etwas behutsamer vorgeht und etwas weniger Gas gibt, könnte im Laufe des kommenden Jahres viel passieren."
Zur zweiten Generation zählt John Mankins auch sich selbst. Für die Nasa entwickelt er derzeit ein völlig neues Konzept für Sonnenenergie aus dem All, das kostengünstiger und technisch leichter zu realisieren sein soll als die großen Solar-Kollektoren in der Umlaufbahn, wie sie von Firmen wie Solaren oder Space Energy favorisiert wurden.
"This particular new project is looking at a completely new architecture for space solar power, a new technical approach."
Wie das Konzept genau aussieht, so Mankins, das sei derzeit noch höchste Geheimsache.
Der Aufstieg beginnt. Ein Aufstieg ins All. Ein leises Surren und Fracht und Passagiere schweben entlang eines Seils von der Erdoberfläche in den Orbit. Science Fiction. Noch.
"Einzelne Kohlenstoffnanoröhrchen sind unglaublich stark. Sie halten Kräfte von bis zu 50 Gigapascal aus. Das entspricht etwa dem 500.000-fachen Druck der Erdatmosphäre. Unter solchen Bedingungen verwandelt sich Kohlenstoff in Diamant. Uns ist es gelungen, die Kohlenstoffröhrchen miteinander zu verknüpfen. Sie verzwirbeln sich selbstständig untereinander, so wie Garn beim Spinnen. Nun müssen wir noch für die entsprechende Stabilität sorgen – und dann könnte man sie für einen Aufzug ins All verwenden. Wir sind hier in unserem Labor, wo wir die Eigenschaften von Kohlenstoffnanoröhrchen untersuchen. Dabei handelt es sich um kleine Zylinder aus Karbon. Und wenn ich sage ‚klein‘, meine ich ‚wirklich klein‘! Der Durchmesser beträgt wenige Nanometer."
Ein Nanometer verhält sich zu einem ein Meter langen Stock so wie eine Murmel zum gesamten Erdball. Mit Materialien dieser Größenordnung experimentiert der Chemiker Ray Baughman und sein Team am NanoTech Institute der University of Texas.
"Das Geräusch hier stammt von einer Maschine, mit der wir Stärke und Dehnbarkeit unserer Nanoröhrchen messen."
Die Chinesin Na Li testet, wie belastbar die neuen Materialien sind. Aus ihnen lassen sich beispielsweise künstliche Muskeln entwickeln, die 100 Mal stärker sind als natürliche Muskeln. Auch in funktioneller Kleidung finden die Nanomaterialien Anwendung, in Stoffen also, die Wasser abweisen. Ob sie auch für Hochleistungsseile taugen, wird derzeit hier untersucht.
"Menschen träumen schon lange von der Möglichkeit eines Aufzugs ins All. Forscher in aller Welt versuchen das Problem mit einem sehr dicken und langen Kabel aus Kohlenstoffnanoröhrchen zu lösen. Derzeit kommen wir auf eine Dicke von zehn Mikrometern. Das entspricht einem Hundertstel Millimeter. Diese Fäden können beliebig lang sein, auch kilometerlang, wenn wir nur genug Zeit haben."
Mit dem Lift ins All: Dies ist auch die Vision der amerikanischen Firma LiftPort. Das Zwei-Mann- Unternehmen mit Sitz im US-Bundesstaat Washington wartet derzeit nur darauf, dass die Forschung Fortschritte macht, um ihn endlich bauen zu können.
"Erstes Obergeschoss: Mond-Basis"
Schon seit mehr als einer Dekade liebäugelt die Firma mit der Idee eines Megalifts. Mit ihren ursprünglichen Plänen, damit den Erd-Orbit zu erschließen, musste das Unternehmen im Zuge der weltweiten Finanzkrise 2007 Konkurs anmelden. Seit letztem Jahr unternimmt Firmen-Gründer Michael Laine einen neuen Anlauf und konzentriert sich nun auf den Mond. In einer ersten Phase soll ein Test-Roboter automatisch zwei Kilometer an einem Seil senkrecht nach oben klettern. Für dieses Projekt hat LiftPort im letzten Jahr versucht, Spendengelder einzutreiben. Zusammen kamen über 100.000 Dollar. Geld also ist da – es hakt derzeit an der technischen Umsetzung. Doch das dürfte nur eine Frage der Zeit sein, findet Jerome Pearson, Präsident von Star Technology and Research im US-Bundesstaat South Carolina. Dieses private Unternehmen entwickelt seit 15 Jahren Konzepte für die US-Raumfahrtbehörde Nasa und das Pentagon. Und da stehen auch Weltraumfahrstühle auf der Wunschliste.
"Das ist ein extrem ehrgeiziges Projekt. Einen Weltraumfahrstuhl zu errichten, würde Dinge wie den Bau der ersten Atombombe oder die Errichtung des Panama-Kanals in den Schatten stellen. Es wäre das größte Projekt, das die Menschheit jemals in Angriff genommen hat. Wir bräuchten Materialien, über die wir noch nicht verfügen, und möglichst gleich Millionen von Tonnen davon. Aber derzeit sieht es so aus, als machten wir bei der Entwicklung der nötigen Kohlenstoffnanoröhrchen Fortschritte."
Mit Konzepten von Fahrstühlen ins All überholen private Firmen derzeit staatliche Agenturen wie die Nasa. In Zeiten schrumpfender Etats muss sich die US-Raumfahrtbehörde auf das zurückbesinnen, was technisch machbar und finanzierbar ist. Derzeit beschränken sich ihre Aktivitäten weitestgehend auf den Betrieb der Internationalen Raumstation und einige Missionen unbemannter Sonden durch das Sonnensystem. Wirklich innovativ sind dagegen Firmen wie SpaceX oder Orbital. Sie entwickelten mit wenig Manpower und vergleichsweise geringen Budgets neue Raketen und Raumschiffe. 2002 vom PayPal-Millionär Elon Musk gegründet, begann zum Beispiel SpaceX mit 30 Mitarbeitern. Heute beschäftigt die Firma 3000 Angestellte und macht Milliarden-Umsätze mit Transport-Aufträgen der Nasa in erdnahe Umlaufbahnen. Erfolgsgeschichten wie diese haben Begehrlichkeiten geweckt – solche, die über den Erd-Orbit hinausgehen.
"Die Idee, Privatpersonen um den Mond herum zu schicken, hatten wir schon vor ein paar Jahren. Nachdem wir mit Hilfe der russischen Weltraumagentur 2001 erstmals einen zahlenden Passagier zur Internationalen Raumstation geschickt hatten, war dies der nächste logische Schritt. Wir haben nun ein logistisches Konzept für solche Flüge ausgearbeitet und bewerben unsere Geschäftsidee derzeit. Einen ersten Kunden haben wir schon. Damit sich das Projekt lohnt, suchen wir noch einen zweiten."
Tom Shelley ist der Präsident von Space Adventures. Die Firma mit Sitz in Washington, DC, ist eine Art Reisebüro für Trips ins All. Bekannt wurde Space Adventures mit dem Aufenthalt von Dennis Tito als erstem zahlenden Privatpassagier an Bord der ISS. Diesen einwöchigen Trip hatte sich der amerikanische Multi-Millionär 2001 für rund 20 Millionen Dollar gegönnt. Sechs weitere Weltraumtouristen folgten; als siebter hat sich im letzten Jahr die Sängerin Sarah Brightman ins Gespräch gebracht. Außerdem verdient Space Adventures Geld mit Parabelflügen an Bord von Flugzeugen oder komplett durchorganisierten Pauschalreisen zu russischen Raketenstarts in Baikonur. Ehrgeizigstes Projekt sind jedoch die Mond-Flüge. Shelley:
"Wir sind sehr zuversichtlich, dass es einen Markt für solche Flüge gibt. Auch wenn der Preis natürlich den Kreis möglicher Kunden begrenzt, sind wir guten Mutes, zwei Kandidaten für den Flug in einer Sojus-Kapsel zu finden, zu denen sich dann noch ein Pilot gesellt. Den ersten Interessenten haben wir mittlerweile. In Frage kommen eigentlich nur Milliardäre. Die sind jedoch meistens so beschäftigt, dass sie sich nicht einfach eben mal für drei, vier Monate von ihren laufenden Geschäften verabschieden können, um ein Training zu absolvieren. Die Terminschwierigkeiten möglicher Aspiranten sind also ein größeres Problem, als solche überhaupt zu finden."
Dabei ist Space Adventures nur für die Vorbereitung des Fluges zuständig, bewirbt ihn, sucht Kunden und organisiert das Training auf dem Boden. Die Durchführung liegt bei der russischen Weltraumbehörde Roskosmos. In ihrem Trainingszentrum bei Moskau, dem sogenannten Sternenstädtchen, sollen die Mond-Touristen trainieren. Außerdem stellt Roskosmos die Trägerrakete und ein Sojus-Raumschiff bereit. Tom Shelley:
"Space is most definitely becoming a business. And manned space flight is becoming a business as well."
Privatflüge einmal um den Mond herum oder Fahrstühle in die Mondumlaufbahn – zwei Zukunftsprojekte, die für den Weltraumexperten John Logsdon vor allem eines sind: Geschäftsmodelle, bei denen es auf die richtige Mischung aus Anschubfinanzierung und Technologie ankommt.
"I think it’s a combination of money and technology that has been the barrier to private entry into space activity beyond Earth orbit."
John Logsdon ist ehemaliger Direktor des Space Policy Institute der George Washington University in der amerikanischen Hauptstadt. Er berät die US-Raumfahrtbehörde Nasa und saß unter anderem in der Untersuchungskommission, die 2003 den Unfall der Raumfähre Columbia aufklären sollte.
"40 Jahre lang ist das bemannte amerikanische Weltraumprogramm ziemlich uninteressant gewesen. Wir sind wieder und wieder in die Umlaufbahn geflogen zu einem Labor, in dem eigentlich eher langweilige Experimente vonstatten gehen. Seit der letzten Mond-Mission vor 40 Jahren bewegen wir uns im Kreis und kreisen um die Erde. Flüge von Menschen tiefer hinaus ins All, ob zum Mond, zu einem Asteroiden oder zum Mars, könnten die Öffentlichkeit wieder für den Weltraum begeistern."
Einige mutige Pioniere müssten vorangehen. Die zu finden sollte kein Problem sein, glaubt John Logsdon.
"Während ich das hier spreche sind wieder vier Personen beim Versuch umgekommen, den Mount Everest auf einer privaten Expedition zu besteigen. Menschen sind nun einmal gewillt, mit ihrem Geld aufregende, riskante Dinge zu unternehmen. Einmal um den Mond herum zu fliegen gehört in diese Kategorie aufregender, riskanter Dinge."
Derzeit gibt es weltweit so einige Felder, auf denen Tüftler ihre Weltraumvisionen umsetzen wollen – Sonnenenergie aus dem All ist eine davon.
"Die Technologie für Photovoltaik hat sich dramatisch verbessert und die Kosten seit den 70ern drastisch gesenkt. Solarzellen befinden sich heute auf jedem Satelliten, der die Erde umkreist, und sind ein Massenprodukt, mit dem sich Gewinn erwirtschaften lässt. Auch sonst hat die technologische Entwicklung seit den 70er-Jahren Fortschritte gemacht: Roboter arbeiten heute so autonom, dass wir ohne den kostspieligen Einsatz von Astronauten automatisch entsprechende Anlagen in der Erdumlaufbahn zusammenbauen könnten, was außerdem die Kosten senkt."
Mark Hopkins, damals und heute in Diensten der US-amerikanischen National Space Society. Zumindest die Konzepte für "Space Solar Power" sind mittlerweile ausgereift. Eines stammt von der amerikanischen Moon Society, einem privaten Interessenverband, der sich für eine Rückkehr zum Mond stark macht, sich aber auch für andere Innovationen in der Weltraumfahrt einsetzt. Peter Kokh, der Präsident der Moon Society, reist derzeit durch die Lande und präsentiert auf Weltraummessen und -kongressen ein tischgroßes Modell. In Wirklichkeit soll die Spannweite mehrere Kilometer messen.
"Hier haben wir zwei gigantische Solarpaneele, die das Sonnenlicht einfangen und auf einen zentralen Kollektor konzentrieren. Er wandelt diese Energie um und beamt sie als Mikrowellen hinunter auf die Erde. Schon eine solche Anlage könnte den Energiebedarf einer Großstadt abdecken. Im Weltraum hätten wir 24 Stunden am Tag die Gelegenheit, das Licht der Sonne einzufangen. Wir könnten die ganze Welt mit so viel Energie versorgen wie nötig."
Während er spricht, bringt Peter Kokh eine an den Kollektor angeschlossene Diode durch Strom der Solarpaneele zum Leuchten. Die prinzipielle Umwandlung von Licht in Mikrowellen und schließlich in Strom also funktioniert. Die Rolle des Pioniers, der dieses Prinzip erstmals in die Praxis umsetzt, sollte Solaren übernehmen, ein Start-Up-Unternehmen mit rund einem Dutzend Beschäftigter im kalifornischen Manhattan Beach. 2009 schloss Solaren einen Vertrag mit der Pacific Gas and Electric Company PG&E. Ab 2016 sollte sie den kalifornischen Stromlieferanten mit Sonnenenergie aus dem All beliefern – bis zu 200 Megawatt für den Süden des US-Bundesstaates. Die entsprechende Hardware zum Start der Satelliten sollte bei etablierten amerikanischen Raumfahrtfirmen wie Boeing oder Lockheed in Auftrag gegeben werden. Die Anfangsfinanzierung hätte durch Sponsoring reicher Privatpersonen erfolgen sollen und durch Unternehmen, die in das aufstrebende Unternehmen investieren wollten. Doch dann geriet Solaren in Verzug. Die Finanzierung reichte nicht aus, der Bau der teuren Hardware konnte nicht in Auftrag gegeben werden. Ende letzten Jahres schließlich löste Kaliforniens Stromlieferant PG&E den Vertrag mit Solaren.
"Ich glaube, dass wir mit dieser Technologie kurz vor einem Durchbruch stehen, sie aber noch nicht wirklich getestet und schon gar nicht bewährt ist. Es bedarf noch einer Reihe von Experimenten auf dem Boden und im Weltraum, bevor wir sagen können, ob sich dieses Verfahren auch wirtschaftlich rechnet und wie hoch die Kosten für Energie aus dem All am Schluss sein werden."
John Mankins, der sechs Jahre lang bei der US-Raumfahrtbehörde Nasa die Forschungsgruppe zur weltraumgestützten Sonnenenergie geleitet hat und heute Artemis Innovation als Präsident vorsteht. Diese Beratungsfirma in der Nähe von Washington, DC, macht sich für die Förderung neuartiger Technologien stark, zu denen sie auch Space Solar Power zählt, die Sonnenenergie aus dem All.
"Space Solar Power bedeutet Millionen Dollar für die Infrastruktur auf dem Boden, Dutzende von Millionen für eine Demonstration des gesamten Systems, Hunderte von Millionen für die Transportkosten in den Weltraum, Milliarden von Dollar um einen voll funktionierenden Prototypen im All zu entwickeln."
Auch von der Arithmetik her glaubt Mankins nicht, dass Solaren die Menge von 200 Megawatt an Strom hätte liefern können. Zum Vergleich: Die Internationale Raumstation mit ihren Sonnensegeln liefert etwa 100 Kilowatt. Die von Solaren geplanten Satelliten müssten also 2000 Mal so leistungsstark sein. Dennoch will die Firma nun einen neuen Anlauf nehmen und erneut mit PG&E verhandeln, um ab 2020 endlich liefern zu können.
"Weltraumfahrstühle, Space-Solar-Power-Satelliten und Reisen um den Mond herum sind keine Science Fiction. Zwar sind diese Projekte derzeit noch nicht real, aber sie sind eben nicht Science Fiction. Der Grund ist, dass wir uns technisch vorstellen können, wie sie funktionieren könnten. Ob sich diese Ideen momentan komplett umsetzen lassen, steht auf einem anderen Blatt. In allen Fällen jedoch gibt es bereits Modelle, die beweisen, dass das jeweilige Prinzip funktioniert."
Roger Launius ist Kurator für die Apollo-Sammlung am National Air and Space Museum in Washington, DC. Als Weltraumhistoriker beobachtet er die Entwicklungen der Raumfahrt über die Jahrzehnten. Technisch sei vieles heute schon machbar. Es bedürfe jedoch einer immensen Anfangsfinanzierung. Die könnten Risiko-Kapital-Geber durchaus stemmen, oder einzelne Privatpersonen, denen es egal ist, ob sie Geld verdienen oder Geld verlieren.
"Beim Weltraumfahrstuhl besteht das Problem darin, dass uns die Materialien noch nicht zur Verfügung stehen. Bei der Konstruktion von Seilen aus Kohlenstoffnanoröhren sind Wissenschaftler jedoch in jüngster Zeit ein gutes Stück vorangekommen. Wir sehen also, wie es funktionieren könnte. Na ja, und dass wir in der Lage sind, den Mond zu umkreisen, haben wir bereits bewiesen. Entscheidender ist eine andere Frage: Gibt es für solche Projekte einen Markt?"
Shackleton ist der Name eines Kraters in der Nähe des Mond-Südpols. Nach ihm hat sich die Shackleton Energy Company benannt. Jim Keravala, der Chief Operating Officer, ist überzeugt: Der Nachfrage kann man auf die Sprünge helfen.
"Es wäre für BMW sehr schwer, Fahrzeuge mit wiederauffüllbaren Tanks zu bauen, ohne sicher sein zu können, dass es überall auf den Straßen Tankstellen gibt. Es muss also Sicherheiten für die Kunden geben. Erst dann macht es für Hersteller Sinn, entsprechende Güter auf den Markt zu bringen."
Die Shackleton Energy Company will im Shackleton Krater Eis abbauen und so aufbereiten, dass daraus Treibstoff für Raumschiffe gewonnen werden kann. Sprit für weitere Reisen müsste nicht mehr kostspielig von der Erde mitgenommen werden; nachgetankt werden könnte im All.
"Es kostet derzeit ungefähr 10.000 Dollar, ein Kilogramm Nutzlast in die Erdumlaufbahn zu schicken. Für einen Trip zum Mond liegt der Preis bei etwa 100.000 Dollar pro Kilogramm. Wenn Firmen sich den Treibstoff für ihre Reise kostengünstig im All besorgen könnten, würde dies die Preise senken und gleichzeitig ein völlig neues Geschäftsfeld eröffnen. Neue Anbieter werden in den Wettbewerb eintreten. Dieser neue Markt dürfte für Jahrzehnte wenn nicht für Jahrhunderte wachsen."
Wer die Anschubfinanzierung leisten soll, wer die Flüge zum Mond und die Ausrüstung vor Ort finanzieren wird, will Jim Keravala nicht verraten. Wie es offensichtlich nicht geht, hat seine Firma in den letzten Monaten jedoch schon erfahren müssen.
"Wir haben im letzten Jahr versucht, über das Internet Geld einzutreiben. Die Ausbeute war jedoch sehr gering. Es gab fast nur ideelle Begeisterung und Unterstützung, nur wenige waren bereit, uns finanziell zu sponsern. Dieses Verfahren haben wir jetzt ad acta gelegt."
Auf der Internet-Seite der Shackleton Energy Company wird deutlich, dass bislang erst etwa ein Prozent der anvisierten eine Million Dollar in Form von Spenden eingegangen sind. Wie es nun dennoch gehen soll, will die Firma erst verraten, wenn die Finanzierung wirklich steht. Keravala:
"Wir verfolgen einen sehr aggressiven Zeitplan. Bis spätestens 2020 sollen unsere Kunden Wasser vom Mond als Rohstoff geliefert bekommen. Dazu wollen wir zunächst in drei Jahren den unbemannten Rover Prospector zum Mond schicken, um nach geeigneten Landestellen zu suchen. Je nachdem, wie zügig wir mit der Finanzierung des Projektes vorankommen, könnten wir unsere erste bemannte Expedition bis Juli 2019 zum Mond schicken."
"Mehrere Dutzend Ingenieure" seien derzeit an den Planungen beteiligt, so heißt es. Ihren Hauptsitz hat die Shackleton Energy Company im texanischen Houston, von wo aus sie ein Konsortium betreibt, zu dem Unternehmen im ganzen Land gehörten. Auch die bleiben jedoch vorerst Geheimsache. Mögliche Interessenten für das Wasser vom Mond jedoch sind schon klar ausgemacht. Keravala:
"Unsere Kunden kommen aus zwei Bereichen: aus dem staatlichen Raumfahrtsektor und aus der kommerziellen Raumfahrt. Regierungen und Weltraumbehörden benötigen bei ihren Missionen vor allem eins: Energie, in Form von Treibstoff. Wenn sie ihre Raumschiffe vor Ort, im All, auftanken könnten, brächte das eine enorme Kostenersparnis mit sich."
Das abgebaute Wasser sollen Astronauten vor Ort in Mini-Fabriken per Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff trennen, woraus sich wiederum Raketentreibstoff gewinnen lässt. Dieser ließe sich in Treibstoffdepots lagern, die im Weltraum schweben und für jeden zugänglich sind – gegen Bezahlung, versteht sich. Keravala:
"Private Raumfahrtunternehmen sind auch auf Wasser angewiesen. Egal, ob als Treibstoff zum Auftanken für Satelliten oder als Trinkwasser für Astronauten – wenn kommerzielle Anbieter sicher sein können, ständig einen Vorrat an Wasser im All zur Verfügung zu haben, werden sie auch die Raumschiffe bauen, die dieses Wasser unserer Station nutzen."
Auf dem Mond lockt Wasser, noch lohnender könnten Asteroiden sein, denn die bestehen zum Teil aus Eisen, Nickel und seltenen Metallen der Platin-Gruppe. Das Unternehmen, das sich den einen oder anderen erdnahen Asteroiden als Ziel vorgenommen hat, nennt sich Planetary Resources. Die Firma aus dem US-Bundesstaat Washington setzt ganz auf automatisierten Bergbau, ohne Einsatz von Astronauten. Chris Lewicki, der Präsident von Planetary Resources.
"Wir werden Ende des Jahres unser erstes Teleskop vom Typ Arkyd starten, das nach einem geeigneten Asteroiden Ausschau halten soll. Gegen Ende des Jahrzehnts wollen wir damit beginnen, auf diesem Asteroiden Bodenschätze abzubauen."
Noch in diesem Jahr also soll es losgehen. Demnach müsste das erste Arkyd-Teleskop eigentlich schon so gut wie fertig sein und Flugtests unterlaufen. Doch ganz so weit sei man dann doch noch nicht, muss Chris Lewicki zugeben.
"Wir kommen mit dem Design des Teleskops gut voran. Derzeit entwickeln wir einen Prototypen. Unser Zeitplan ist ehrgeizig, aber wir kennen uns mit solchen Dingen aus. Das schaffen wir schon."
Ungefähr ein Jahr vor dem Start also befindet sich Planetary Resources noch in der Design-Phase. Dass daraus binnen weniger Monate ein flugfähiges Weltraumteleskop hervorgehen wird, erscheint unwahrscheinlich, angesichts der Vorlaufzeiten, die man von ähnlichen Raumfahrtprojekten kennt. Weltraumexperte John Logsdon sieht die Pläne daher kritisch:
"Die Firma Planetary Resources will – nach eigenen Angaben - allmählich die technischen Möglichkeiten entwickeln, Bodenschätze auf einem Asteroiden abzubauen. Einerseits finde ich das hochspekulativ. Andererseits stehen hinter dem Projekt gescheite Leute – Visionäre, die bereit sind, Risiken einzugehen. Es ist also zumindest eine interessante Idee."
Zweifel am Zeitplan und an der Durchführbarkeit des gesamten Programms entkräftet das Unternehmen mit der gesammelten Manpower und Kompetenz, die hinter dem Projekt steht: Präsident Chris Lewicki kommt selbst direkt von der Nasa, ebenso wie sein Vize-Präsident. Andere Berater sind ehemalige Astronauten – und der Filmregisseur James Cameron. Als Geldgeber stehen unter anderem der Gründer von Google, Larry Page, und der frühere Chefprogrammierer von Microsoft, Charles Simonyi, hinter dem Projekt sowie weitere Multi-Millionäre.
"Zweites Obergeschoss/Endstation: Mars. Bitte alle aussteigen!"
Für einige der ehrgeizigen Start-Up-Unternehmen war zwischenzeitlich schon Endstation. Ob auch Shackleton scheitert – wer sollte das mit Bestimmtheit sagen. Es scheint die Regel zu gelten: Je mehr eine aufstrebende Privatfirma auf die Pauke haut und öffentlichkeitswirksam für sich werbt, desto geringer ihr Erfolg – dies ist zumindest die Ansicht von John Mankins, dem Präsidenten der Ideenschmiede Artemis Innovation mit Sitz in Washington D.C.
"Zwei, drei dieser aggressiven Start-Up-Unternehmen vermochten es nicht, die Geschäftswelt von ihren Ideen zu überzeugen. Das ist so, als wollten Sie Ihr Auto aus dem Schlamm befreien. Das Dümmste, was Sie tun können, ist, noch stärker auf das Gaspedal zu treten, denn das gräbt Ihre Räder nur noch tiefer ein. Beschleunigen Sie aber langsam und vorsichtig, dann bewegt sich Ihr Wagen Stück für Stück und Sie kommen vorwärts. Wenn also die zweite Generation von Start Ups etwas behutsamer vorgeht und etwas weniger Gas gibt, könnte im Laufe des kommenden Jahres viel passieren."
Zur zweiten Generation zählt John Mankins auch sich selbst. Für die Nasa entwickelt er derzeit ein völlig neues Konzept für Sonnenenergie aus dem All, das kostengünstiger und technisch leichter zu realisieren sein soll als die großen Solar-Kollektoren in der Umlaufbahn, wie sie von Firmen wie Solaren oder Space Energy favorisiert wurden.
"This particular new project is looking at a completely new architecture for space solar power, a new technical approach."
Wie das Konzept genau aussieht, so Mankins, das sei derzeit noch höchste Geheimsache.