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Maranke Rinck und Martijn van der Linden: "Tangramkatze"
Die Welt in sieben Puzzleteilen

Tangram – das sind sieben Puzzleteile, aus denen man einem chinesischen Sprichwort zufolge die ganze Welt formen kann. Die Niederländer Maranke Rinck und Martijn van der Linden erzählen nun eine komplette Bilderbuchgeschichte nur mit den sieben Tangram-Teilen.

Von Dina Netz |
Buchcover: Maranke Rinck und Martijn van der Linden: „Tangramkatze“
Buch mit Puzzelspiel: „Tangramkatze“ (Buchcover: Schaltzeit Verlag)
Das Tangram-Spiel gibt es in China schon seit mehr als zwei Jahrtausenden. In Europa verbreitete es sich im 19. Jahrhundert, eine damalige Ausgabe hieß sehr treffend "Kopfzerbrecher". Denn aus den nur sieben Puzzle-Teilen des Tangram eine erkennbare Form zu bilden, ist über die Jahrhunderte hinweg eine Herausforderung geblieben.
Die Legende vom Tangram-Puzzle geht so: Ein chinesischer Mönch schickte seinen Schüler hinaus in die Welt mit der Aufgabe, die Schönheit der ganzen Welt auf eine einzige Keramiktafel zu bannen. Die Tafel zerbrach in sieben Teile, und der Schüler versuchte tagelang vergeblich, sie wieder zusammenzusetzen. Statt einer quadratischen Tafel entstanden viele unterschiedliche Formen. Und der Schüler verstand die Botschaft: Die Schönheit muss man nicht in der Welt suchen, man kann sie auch in diesem Puzzle finden.
Einem chinesischen Sprichwort zufolge kann man dementsprechend wirklich alles mit dem Tangram-Puzzle formen. Die niederländische Kinderbuchautorin Maranke Rinck und der Illustrator Martijn van der Linden haben die Herausforderung angenommen: In ihrem neuen Bilderbuch "Tangramkatze" erzählen sie eine ganze Geschichte – nur mit den sieben Puzzleteilen des Tangram.
Einen Fisch zum Fressen gern
Der Erzähler der Geschichte ist ein kleiner Junge, der ein Puzzle geschenkt bekommt – erste Irritation beim kindlichen und beim erwachsenen Leser: Seltsam, das ist doch gar kein Puzzle, sondern ein hellblaues Quadrat! Das Viereck löst sich dann aber in sieben Teile auf: in zwei große, ein mittleres und zwei kleine Dreiecke, in ein Quadrat und ein Parallelogramm. Man könne alles daraus formen, hat man dem Jungen gesagt. Er glaubt das zwar nicht, aber fängt halt mal an. Und plötzlich sitzt da eine Katze. Martijn van der Linden hat alle Motive des Buches zunächst als blaue Puzzleteile gemalt. So kann man gut nachvollziehen, wie sich die Motive aus den sieben Tangram-Teilen zusammensetzen und sein Glück beim Nach-Puzzlen versuchen. Erst im nächsten Bild malt van der Linden die Figuren ihren typischen Merkmalen entsprechend aus – mit Fell, Federn, Augen.
Die Katze des Jungen scheint irgendwie unglücklich, und er versucht, ihre Laune zu heben. Der Junge puzzelt ihr ein Haus – die Katze ist nicht interessiert. Er puzzelt ihr einen Fisch zum Fressen – die Katze ist nicht hungrig. Er versucht, ihr eine Spielkameradin zu puzzeln, aber versehentlich entsteht ein Hund. Großes Drama, Hund und Katze sind Feinde, der Hund muss weg. Da hilft wohl – klar - nur ein Krokodil. Das muss wiederum vertrieben werden, damit es nicht die Katze frisst. Aber wer kann ein Krokodil in die Flucht schlagen? Ein Büffel, ein Dinosaurier? Ein ganzer Schwarm Vögel meistert die Aufgabe schließlich, alle natürlich ganz unterschiedlich aus sieben Puzzleteilen geformt – nebenbei eine schöne Allegorie für die Kraft der vielen. Die Geschichte findet – selbstverständlich – ein undramatisches und glückliches Ende.
Puzzleteile und Sofaritzen
Die erste Reaktion der Zielgruppe beim Öffnen des Buches ist: "Da sind keine schönen Bilder drin". Klar, Kinder sind konservativ, schön ist, was man kennt. Die Geschichte mit der Katze, die versehentlich Hund und Krokodil zur Gesellschaft bekommt, ist ohne Einschränkung lustig, zumal Maranke Rinck nur wenige knappe Sätze formuliert hat, die lediglich die Verbindungen zwischen den Bildern herstellen. Doch das kindliche Vergnügen an den Illustrationen der "Tangramkatze" muss man gemeinsam ein bisschen entwickeln, denn natürlich sind die kantigen Zeichnungen auf den ersten Blick etwas spröde. Dabei hat Martijn van der Linden geschickt die vorgegebenen Formen für Muster, Faltenwürfe und Schatten genutzt, so dass man die Tiere und Objekte nicht nur auf Anhieb erkennt, sondern – als Erwachsener - sogar über ihre den Puzzleteilen geschuldete Eckigkeit nur wenig irritiert ist.
Der kindliche Spaß an den Figuren beginnt beim Selbstversuch, die so einfach aussehenden Figuren mit den sieben Teilen nachzupuzzeln. Denn dabei stellt man schnell fest, wie kompliziert das eigentlich ist. Was für Erwachsene eine "Kopfzerbrecherei" ist, ist für Kinder natürlich gänzlich unlösbar. Aber mit elterlicher Hilfe wird eine schöne Heranführung an geometrische Formen und ihr Zusammenspiel daraus.
Die sieben stabilen Puzzleteile sind im übrigen so exakt aus der hinteren Pappe des Buches herausgeschnitten, dass die Hoffnung besteht, dass sie auch bei mehrmaligen Rein- und Rausnehmen nicht locker werden und von selbst herausfallen. Was nämlich ein häufiges Problem bei anderen Puzzle-Büchern ist, deren Teile sich gern beim Frühjahrsputz in Sofaritzen wiederfinden. Dieses einsame Schicksal dürfte der "Tangramkatze" erspart bleiben. "Tangramkatze" ist ein anregendes Buch für die ganze Familie: Als das Kind längst zu anderen Spielen übergegangen ist, versuchen die Eltern noch lange mit gefurchten Stirnen, aus den sieben Teilen eine Giraffe zu puzzlen.
Maranke Rinck und Martijn van der Linden: "Trangramkatze"
mit Puzzlespiel Tangram, ab ca. 5 Jahren
Schaltzeit Verlag, Berlin. 56 Seiten, 17,95 Euro.