Archiv

Marburg-Fieber in Westafrika
"Guinea hat die Expertise, gut mit dem Fall umzugehen"

Im Guinea starb kürzlich ein Mann am hochansteckenden Marburg-Virus. Die WHO befürchtet, der tödliche Erreger könnte sich regional schnell ausbreiten. Dank der Erfahrungen mit Ebola sei Guinea aber gut gewappnet, das Virus zu stoppen, sagte der Virologe Stephan Becker im Dlf.

Prof. Stephan Becker im Gespräch mit Lennart Pyritz | 18.08.2021
Vielfarbige Ansicht einer Illustration des Marbug Virus
Das Marburg-Virus in einer bereinigten Illustration (IMAGO / Science Photo Library)
Hohes Fieber, starke Kopfschmerzen, innere Blutungen: Die Symptome nach einer Ansteckung mit dem Marburg-Virus ähneln jenen einer Ebola-Infektion und sind meist tödlich. Ähnlich große Ausbrüche wie die Ebola-Epidemien in mehreren westafrikanischen Ländern, die zwischen 2014 und 2016 mehr als 11.000 Menschen das Leben kosteten, gab es bislang glücklicherweise nicht.

Erste Marburg-Infektion in Guinea

Doch kürzlich wurde in Guinea erstmals eine Infektion mit dem Marburg-Virus offiziell bestätigt - bei einem Mann, der am 2. August im Süden des Landes verstorben war. Das örtliche Gesundheitsministerium ließ daraufhin über 150 Kontakte des Verstorbenen überprüfen und hofft, so die Verbreitung des hämorragischen Fiebers einzudämmen. Die Weltgesundheitsorganisation befürchtet dennoch, dass sich der Erreger regional schnell weiter verbreiten könnte. Das Risiko einer weltweiten Epidemie hält die WHO aber für gering.

Keine Ausbreitung über Aerosole

Der Virologe Professor Stephan Becker von der Universität Marburg forscht in jener Stadt, wo das Marburg-Virus 1967 erstmals identifiziert wurde, und gilt als einer der führenden Experten auf dem Gebiet. Er schätzt das Marburg-Virus infektiologisch ähnlich ein wie das Ebola-Virus. Bei beiden passieren Infektionen, "wenn jemand schon erkrankt ist - also nicht in der Inkubationsphase wie beim SARS-CoV-2-Virus, sondern erst, wenn die Menschen wirklich krank werden". Die Ausbreitung von Marburg-Viren passiere deshalb "nicht so schnell" wie die von "Viren, die durch die Luft und während der Inkubationszeit schon übertragen werden", so Becker. Der Virologe benennt damit einen weiteren wichtigen Unterschied des Marburg-Virus gegenüber der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus' und seiner Varianten.

Das Interview im Wortlaut:
Lennart Pyritz: Welche Eigenschaften des Marburg-Virus stecken hinter der Einschätzung der WHO, eine Pandemie sei nicht zu befürchten?
Stephan Becker: Ja, man muss Marburg-Virus ganz ähnlich einschätzen wie das Ebola-Virus. Es ist so, dass die Infektion durch direkten Kontakt übertragen wird, dass die Infektionen dann passieren, wenn jemand schon erkrankt ist, also nicht in der Inkubationsphase wie beim SARS-CoV-2-Virus, sondern erst, wenn die Menschen wirklich krank werden. Und das bedeutet, dass die Ausbreitung von solchen Viren natürlich nicht so schnell passiert wie von Viren, die durch die Luft übertragen werden und die während der Inkubationszeit schon übertragen werden. Aber wir haben gesehen, es gab 2013, 2014 bis 2016 diesen großen Ebola-Virus-Ausbruch in Westafrika, in genau dem gleichen Setting wie jetzt der Marburg-Virus-Fall. Das hat zu einer wirkliche extrem gefährlichen Situation geführt, die für die gesamte Region wirklich sehr bedrohlich war.

"Kranke müssen sofort in Quarantäne"

Pyritz: Welche Maßnahmen sind jetzt in Guinea ganz entscheidend, um so einen größeren regionalen Ausbruch zu verhindern?
Becker: Es ist genau dasselbe, wie man beim Ebola-Virus auch handeln würde. Man guckt um die Patienten herum, die identifiziert worden sind mit dem Marburg-Virus: Wie viele Kontakte haben die gehabt? Und die einzelnen Kontakte werden nachverfolgt. Man schaut, ob die krank werden oder ob die gesund bleiben. Und wenn sie krank werden, dann müssen die sofort in Quarantäne genommen werden. Dann muss natürlich den Menschen, die infiziert sind, denen muss dann geholfen werden. Das sind dann oftmals auch intensivmedizinische Betreuung, die die benötigen, und das muss jetzt aufgebaut werden. Das Gute ist, dass Guinea, wo dieser Fall stattgefunden hat, auch auf das Ebola-Virus eben vorbereitet war und deswegen, glaube ich, die Expertise hat, um auch mit dem Marburg-Virus-Fall gut umzugehen.
Pyritz: In Guinea gab es kürzlich einen Ebola-Ausbruch, jetzt gibt es gerade einen Ebola-Fall in der Elfenbeinküste, der bekannt geworden ist. Da wurde jetzt mit Schutzimpfungen für Kontaktpersonen und Mitarbeitende des Gesundheitswesens angefangen, der Impfstoff wurde aus Guinea geliefert. Es gibt also inzwischen gezielte Impfstoffe und Therapeutika gegen Ebola, beim Marburg-Virus ist das nicht Fall. Woran liegt das?
Becker: Das liegt daran, dass das Marburg-Virus bisher noch keinen so großen Ausbruch ausgelöst hat wie das Ebola-Virus. 2005 hat man gesehen, dass man gegen das Ebola-Virus gut impfen kann und dass auch die Affen, die geimpft worden sind, gut geschützt waren gegen eine Infektion mit dem Ebola-Virus. Zum gleichen Zeitpunkt hat man auch einen Impfstoff gegen das Marburg-Virus entwickelt.

Einen zugelassenen Marburg-Impfstoff gibt es noch nicht

Und während der Ebola-Impfstoff dann weiterentwickelt wurde im Jahr 2013, 2014, 2015 in einen Impfstoff, der jetzt auch mittlerweile zugelassen wurde, gab es diese Aktivitäten für das Marburg-Virus nicht, weil man da die Notwendigkeit zu diesem Zeitpunkt nicht unbedingt gesehen hat. Und deswegen sind wir jetzt in einer ähnlichen Situation, vielleicht eine bisschen bessere Situation als damals mit Ebola, aber im Prinzip ist es auch jetzt so, dass es Impfstoffe gegen Marburg-Virus gibt, die sind auch an Tieren getestet und scheinen in den Tieren auch zu schützen, aber wir haben nicht genügend klinische Studien für diese Impfstoffe, sodass man sagen könnte, die sind sicher und immunogen. Und natürlich haben wir nicht genügend Impfstoffe, die unter solchen Qualitätsbedingungen hergestellt worden sind, dass man sie bei den Menschen auch jetzt in größeren klinischen Studien anwenden könnte.
Pyritz: Welche Forschungsprojekte zu Wirk- und Impfstoffen gezielt gegen das Marburg-Virus laufen denn und wie lange würde es dauern, die tatsächlich relativ großflächig bei einem regionalen Ausbruch zur Anwendung zu bringen?
Becker: Wenn man jetzt wieder das Beispiel vom Ebola-Virus nimmt, dann war das im Jahr 2014 so, dass innerhalb kürzester Zeit eine ganze Reihe von klinischen Phase-I-Studien angestoßen wurde unter dem Dach der WHO und dann diese Daten auch genommen wurden, um dann Phase-II-Studien zu initiieren und mehrere Phase-III-Studien. Daraus sind dann eben die Impfstoffe entstanden, die jetzt auch zugelassen wurden. Das hat etwa ein Jahr gedauert. Und vor diesem Hintergrund gibt es jetzt eine WHO-Initiative, um auch Impfstoffe gegen Marburg-Virus nach vorne zu bringen.

Binnen eines Jahres könnte ein Vakzin produziert werden

Ich könnte mir vorstellen, dass das noch deutlich schneller gehen kann als damals beim Ebola-Virus, weil es einige Firmen gibt, die jetzt bereit sind, solche Impfstoffe auch produzieren unter GMP-Bedingungen, so nennt man das, das sind die Qualitätsbedingungen, die man braucht für die Anwendung von einem Impfstoff bei Menschen.
Pyritz: Was wäre Ihre Vermutung, wie ist es jetzt zu diesem Infektionsfall gekommen? Bisher ist ja nur diese eine Person gefunden worden. Gab es da eine Übertragung direkt aus dem Tierreich?
Becker: Im Moment wissen wir noch nicht genau, ob sich der Patient direkt von einem Tier angesteckt hat, beim Marburg-Virus wissen wir, dass das sehr gut Flughunde sein können, da ist das gezeigt, oder ob sich dieser Index-Fall, also der erste Fall, den wir jetzt kennen, ob der sich von einem anderen Menschen angesteckt hat und quasi gar nicht der Index-Fall ist. Prinzipiell gehen wir davon aus, dass sowohl Ebola-Virus als auch Marburg-Virus eine Zoonose ist, also von Tieren von Menschen übertragen werden kann, dann aber nach dieser ersten Übertragung auch von Mensch zu Mensch übertragen werden kann.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.