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Marco Buschmann zur Hessenwahl
"Die FDP ist nicht bedeutungslos"

Bis Weihnachten soll die Regierung in Hessen stehen - doch die FDP hat dort bereits ein Jamaika-Bündnis ausgeschlossen. "Sich ohne Not aufzudrängen" sei eine kuriose Situation, weil die FDP dann als Koalitionspartner ohne Verhandlungsmacht kaum etwas durchsetzen könne, sagte FDP-Politiker Marco Buschmann im Dlf.

Marco Buschmann im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Marco Buschmann, 1. Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP- Bundestagsfraktion
    Der erste Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, geht von einer Fortführung von Schwarz-Grün in Hessen aus (imago / IPON)
    Christiane Kaess: Mitgehört hat Marco Buschmann, erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag. Guten Morgen!
    Marco Buschmann: Schönen guten Morgen. – Ich grüße Sie.
    Kaess: Herr Buschmann, jetzt wird die FDP doch nicht mehr als Königsmacher gebraucht. Wie schlimm ist das?
    Buschmann: Schauen Sie, ich freue mich erst mal darüber, dass wir die Zahl unserer Mandate mehr als verdoppelt haben. Das zeigt, dass wir unser Vertrauen ausbauen konnten in Hessen. Natürlich hätten wir gerne regiert, aber ich vermute, Volker Bouffier wird jetzt einfach versuchen, weiterzumachen wie bisher, um die über elf Prozentpunkte, die er verloren hat, möglichst schnell aus der öffentlichen Wahrnehmung zu verdrängen.
    Kaess: Aber wir müssen festhalten, obwohl die FDP Stimmen gewinnt, bleibt sie bedeutungslos.
    Buschmann: Ich glaube, Sie unterschätzen die Bedeutung der Opposition in der Demokratie. Sie können ja nicht sagen, dass jede Partei, die gerade nicht in einem Parlament regiert, bedeutungslos ist, sondern unsere Verfassung weist der Opposition eine ganz wichtige Rolle zu. Außerdem: Wir regieren ja in drei Bundesländern.
    Kaess: Bedeutungslos für die Regierungsbildung in Hessen.
    Buschmann: Wir regieren in drei Bundesländern. Wir sind nicht bedeutungslos. Für die Regierungsbildung in Hessen ist jetzt Volker Bouffier gefragt. Wenn es ihm gelingt, eine Mehrheit mit seinem bisherigen Koalitionspartner nicht nur zusammenzubringen, sondern auch in einer Koalition zusammenzuführen, dann ist unsere Aufgabe demokratische Opposition.
    "Bereit sein, den harten Weg zu gehen"
    Kaess: Jetzt war gestern sowohl vom Spitzenkandidaten der FDP in Hessen, von René Rock, als auch von Parteichef Christian Lindner zu hören, die FDP stehe für ein Regierungsbündnis bereit. Christian Lindner hat sogar noch mal klargestellt, dass seine Partei immer zur Verfügung stehe, wenn es um eine Regierungsbeteiligung gehe. Die einzige Voraussetzung ist, so hat er gesagt, es muss ein partnerschaftliches Miteinander sein. Ist das jetzt auch ein spätes Eingeständnis, dass es ein Fehler war, auf der Bundesebene einen Rückzieher zu machen?
    Buschmann: Nein, denn dieses partnerschaftliche Zusammenarbeiten setzt ja voraus, dass sich alle Partner in einer Koalition auch inhaltlich in den Ergebnissen wiederfinden können. Und wenn das möglich gewesen wäre im Herbst des letzten Jahres, hätten wir natürlich auch im Bund gerne mitregiert. Aber es war so, dass drei, vier Jahre Schwarz und Grün sich auf ein schwarz-grünes Bündnis miteinander vorbereitet haben und Frau Merkel nicht gezeigt hat, dass sie verstanden hat, dass es auch eine klare liberale Handschrift in den Ergebnissen geben musste. Und wenn sie dann das Vertrauen der Menschen, die sie ja für Ihre Position gewählt haben, nicht enttäuschen wollen, dann müssen Sie auch bereit sein, den harten Weg zu gehen und dann Nein zu sagen. Die Tatsache, dass wir in allen Wahlen, die seitdem stattgefunden haben, zugewonnen haben, zeigt ja auch, dass das nicht grundlegend falsch war.
    Kaess: Sie sagen, zugewonnen. Aber die Grünen, wenn man das vergleicht, haben da ganz andere Schritte gemacht. Muss man unterm Strich doch sagen, gedankt hat Ihnen der Wähler diesen Rückzieher nicht?
    Buschmann: Wenn man hinzugewinnt, dann straft einen der Wähler nicht ab, sondern der Wähler unterstützt einen. Wissen Sie, dieser Vergleich mit den Grünen, der passt ja deshalb nicht so richtig, weil der ganz übergroße Teil dieser Zugewinne stattfindet durch die extrem schlechte Verfassung der SPD. Wenn Sie sich die Wählerstrom-Analysen anschauen, stellen Sie fest, dass sich schlichtweg einfach im linken politischen Lager ein Stück weit die Rollen vertauschen. Viele Menschen, die früher SPD gewählt haben, sind entsetzt über die Große Koalition und wählen jetzt die Grünen. Ob diese Menschen ansonsten FDP gewählt hätten, dahinter würde ich ein großes Fragezeichen machen.
    "Personell stark aufgestellt"
    Kaess: Da kommen allerdings auch Stimmen von ehemaligen Wählern von der Union dazu. Warum kann die FDP nicht davon profitieren?
    Buschmann: Wir profitieren erst mal davon, dass wir ein eigenständiges Programm haben, dass wir personell stark aufgestellt sind. Deshalb legen wir ja auch bei allen Wahlen zu und stehen so stabil wie noch nie in unserer Geschichte in den Umfragen auf einem guten Niveau da. Wenn die Grünen jetzt möglicherweise auch taktische Unions-Wähler einsammeln, dann hat das sicherlich auch etwas mit der Jamaika-Entscheidung zu tun. Aber wie gesagt, im Ergebnis, wenn man eine Regierung mitgetragen hätte, die keine liberale Handschrift aufweist, dann wäre das sicherlich erstens nicht gut fürs Land und zweitens auch nicht gut für die Freien Demokraten gewesen. Schauen Sie, mittlerweile sagen fast 60 Prozent der Menschen, die FDP ist eine Partei, die nach der Wahl hält, was sie vor der Wahl verspricht, und ich finde, eine solche Vertrauenswürdigkeit ist auch etwas, was einen stärkt.
    Kaess: Wir wissen aber auch, Herr Buschmann, aus den Analysen, dass die Grünen mit ihren Kernthemen wie dem Klimaschutz punkten. Warum konnten Sie den Wählern denn bisher anscheinend viel weniger klarmachen, wofür die FDP steht?
    Buschmann: Wie gesagt, ich teile diese Einschätzung nicht, dass wir etwas weniger klarmachen konnten, weil wir ja zugelegt haben bei allen Wahlen, und weil wir auch, wie gesagt, sehr gut in den Umfragen, sehr stabil dastehen. Die Anhänger der FDP erwarten von uns Antworten auf die Fragen der Bildung, auf Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung, der Infrastruktur, der digitalen Transformation. Dafür werden wir gewählt. Natürlich haben wir auch Vorschläge für Umweltschutz und Klimaschutz, aber dass die Anhänger der Grünen darauf größeren Wert legen und dass die Grünen, die ja mit dem Ökologiethema ihre Gründung verbinden, wo das das Kernthema ist, dass die damit bei Leuten, denen das wichtig ist, punkten können, das ist jetzt für mich nicht weiter tragisch.
    "Wir sind eine Partei der Mitte"
    Kaess: Herr Buschmann, ich muss da trotzdem noch einmal nachhaken, weil der Vergleich einfach so offensichtlich ist. Die Grünen scheinen zumindest im Moment – wir wissen ja nicht, wie das weitergeht – in der Mitte angekommen zu sein. Deshalb noch mal meine Frage: Warum gelingt genau das der FDP nicht?
    Buschmann: Wir müssen gar nicht erst in die Mitte gelangen; wir sind in der Mitte. Wir sind eine Partei der Mitte. Das, was Sie sagen, ist ja die Frage, aus welcher Position Sie das betrachten. Wenn man es inhaltlich analysiert, stimmt es ja nicht. Das Parteiprogramm der Grünen gilt wie bisher. Toni Hofreiter sagt, die Grünen sind eine linke Partei. Robert Habeck sagt, es ist eine Partei der linken Mitte und das Programm ist nach wie vor links. Es setzt auf mehr Staat, es setzt auf Steuererhöhung, Umverteilung und Regulierung bis in den Alltag der Menschen hinein. Das ist für mich nicht Mitte, sondern das, was Sie beschreiben, ist der Versuch, sich so zu inszenieren, indem man möglichst wenig über das eigene Programm spricht. Aber das wird sich auf Dauer nicht durchhalten lassen, denn spätestens bei der nächsten Bundestagswahl möchten die Leute ja auch wissen, was sich dahinter verbirgt.
    Kaess: Jetzt will Volker Bouffier in Hessen alle Parteien bis auf die AfD und Die Linke zu Gesprächen einladen. Sagen Sie uns zum Schluss noch: Wie sollte sich die FDP da einbringen, eventuell doch noch eine Jamaika-Koalition ins Gespräch bringen, die ja eine wesentlich stabilere Mehrheit hätte als ein schwarz-grünes Regierungsbündnis?
    Buschmann: Erst mal ist es eine gute Geste von Volker Bouffier, mit allen demokratischen Parteien zu sprechen. Aber schauen Sie, er hat jetzt erst mal den Regierungsbildungsauftrag. Seine bisherige Koalition hat eine Mehrheit. Man kann auch mit einer Stimme Mehrheit regieren. Die FDP macht das in Nordrhein-Westfalen mit der CDU zusammen ganz erfolgreich. Deshalb gehe ich davon aus, dass er dieses Bündnis fortsetzen will und auch in dieser Konstellation. Deshalb wird sich die Frage nicht stellen. Sich ohne Not quasi aufzudrängen, obwohl es mathematisch gar nicht erforderlich wäre für eine Regierungsmehrheit, das ist schon ein bisschen eine kuriose Situation, weil Sie dann natürlich als Koalitionspartner auch kaum etwas durchsetzen können. Denn wenn es egal ist, ob Sie dabei sind oder nicht, haben Sie ja auch überhaupt keine Verhandlungsmacht.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.