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Margaret Atwood: "Die Zeuginnen"
Der größte Hype nach Harry Potter

Nach 34 Jahren erscheint mit "Die Zeuginnen" die Fortsetzung von Margaret Atwoods Welterfolg "Der Report der Magd". Drei Jahrzehnte lang hatte der Roman Leser und Zuschauer diverser Verfilmungen dazu angeregt, die Geschichte um die Magd June weiterzuspinnen.

Von Tanya Lieske und Angela Gutzeit |
Die kanadische Autorin Margaret Atwood
Die kanadische Autorin Margaret Atwood ist Meisterin der politischen Dystopie (picture alliance / dpa / Rolf Vennenbernd)
Eine perfekte Medienkampagne ging dem Erscheinen des neuen Romans der kanadischen Schriftstellerin Margaret Atwood voraus. "Die Zeuginnen" kam jetzt weltweit in vielen Ländern gleichzeitig heraus. Eine absolute Stillhaltepflicht wurde allen Kritikern abverlangt. Und die Autorin selbst gab eine vielbeachtete Pressekonferenz in London. Im Gespräch mit Angela Gutzeit führte Tanya Lieske diese große Erwartungshaltung auf die Bildmächtigkeit von Atwoods vor 34 Jahren erschienenen Vorgängerromans "Der Report der Magd" zurück.
"Margaret Atwood hat ein Bild geschaffen", so Lieske, "diese berühmte Magd mit dem bodenlangen, roten Kleid und dieser weißen Quäkerhaube." Dieser Roman gelte als ein Kernstück feministischer Literatur. Er sei so bildmächtig, dass Frauen, die gegen Donald Trumps Ansinnen, die Abtreibungsrechte der Frauen in den USA zu beschneiden, auf die Straße gehen, diese Tracht anlegen würden.
Große Dystopie
Margaret Atwoods "Report der Magd" gehört neben George Orwells "1984" und Aldous Huxleys "Schöne Neue Welt" zu den großen dystopischen Romanen des 20. Jahrhunderts. Erzählt wird, wie in den USA ein fundamentalistischer Gottesstaat entstanden ist, der an die puritanischen Ursprünge des Landes erinnert. Frauen haben in dieser Gesellschaft keine Rechte mehr, sie dürfen nicht lesen und schreiben, kein Geld verdienen, keinen Beruf ausüben. Besonders wertvoll sind jene Frauen, die nach der zurückliegenden großen Umweltkatastrophe noch Kinder bekommen können.
Diese werden, wie die titelgebende Magd, einem der mächtigsten Männer des Staates Gilead zur Gebärerin gegeben. Fortan trägt die Hauptfigur das Kostüm der Magd, ein rotes Kleid und eine weiße Haube. Sie trägt auch den Namen des Mannes, dem sie gehört, Desfred. Am Ende des Romans steigt sie in ein schwarzes Auto ein. Es ist nicht klar, ob Desfred von den Spitzeln des Staates entführt wird oder ob sie sich dem Widerstand anschließen wird. Zwei Verfilmungen haben diese Geschichte zu Ende spekuliert.
Anschluss an die Debatten unserer Zeit
In ihrem neuen Roman "Dier Zeuginnen" ergreift Margaret Atwood 34 Jahre später selbst das Wort und löst das Rätsel. "Auch dieser Roman hat einen enormen politischen Resonanzraum", so Tanya Lieske. Er schließe an an die Debatten unserer Zeit, Debatten über die erodierenden Demokratien, die Auferstehung theokratischer Systeme und über die Vernichtung der Natur. Außerdem habe Atwood hier ein neues Genre im Rahmen ihrer dystopischen Erzählungen geschaffen, eine Art Thriller, bewusst mit trivialen Stilmitteln arbeitend, aber unterhaltsam und politisch anspruchsvoll.