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Margaret Thatcher
Hassfigur und Idol der Briten

Bis heute spaltet Margaret Thatcher Großbritannien. Als sie vor 40 Jahren Premierministerin wurde, entfesselte Thatcher die Marktwirtschaft und entmachtete die Gewerkschaften. Auch in der Europapolitik sind ihre Entscheidungen bis heute spürbar.

Von Jens-Peter Marquardt |
Porträt von Margaret Thatcher aus dem Jahr 1979
Die Bezeichnung Eiserne Lady, die ihr die Russen gegeben hatten, empfand sie als Ehrentitel (picture alliance / empics / PA Wire )
Die Queen habe sie gebeten, eine neue Regierung zu bilden, sie habe diesen Auftrag angenommen. So Margaret Thatcher am 4. Mai 1979 bei ihrem Einzug in die Downing Street. Damit stand erstmals an der Spitze eines großen Industrielands eine Frau, die allerdings nur Männer in ihrem Kabinett akzeptierte. Thatcher verschrieb Großbritannien, dem am Boden liegenden kranken Mann Europas, eine neoliberale Rosskur. Die Tochter eines Krämers aus der englischen Provinz beherzigte den Ratschlag ihres Vaters, aus Furcht vor dem Anderssein nicht etwa der Masse zu folgen, sondern das zu tun, was sie selber für richtig halte.
Falkland-Krieg sicherte ihre Wiederwahl
Margaret Thatcher entfesselte die Marktwirtschaft. Sie zwang die streikenden Bergarbeiter mit der geballten Staatsmacht in die Knie, entmachtete die bis dahin übermächtigen Gewerkschaften und beschränkte das Streikrecht. Thatcher privatisierte die großen Industrien und Verkehrsunternehmen. Sie verkaufte die staatlichen Sozialwohnungen und machte die Briten, jedenfalls die, die das nötige Geld hatten, zu einem Volk von Wohnungsbesitzern und Aktionären. Die Bezeichnung Eiserne Lady, die ihr die Russen gegeben hatten, empfand sie als Ehrentitel.
Nach drei Jahren allerdings schon fast das frühe Aus: Massenarbeitslosigkeit, nachdem die nicht mehr vom Staat gestützten Industrieunternehmen aufgeben mussten. Thatchers Konservative in den Umfragen hinter Labour und den Liberalen nur noch auf Platz drei. Ihre Rettung war damals der Falkland-Krieg. Thatcher schickte britische Kriegsschiffe in den Südatlantik und vertrieb die argentinischen Truppen von den Inseln. Die nationale Begeisterung sicherte ihr die Wiederwahl 1983. Sie sei keine Frau, die einfach beidrehe, rief die Premierministerin ihren Gegnern zu.
Brexit ist Folge von Thatchers Politik
Auf europäischer Ebene war die britische Premierministerin die Erfinderin des Binnenmarkts. Das britische Schicksal liege in Europa, als Teil der Europäischen Gemeinschaft, erklärte sie 1988. In Brüssel kämpfte die Eiserne Lady allerdings knallhart für die nationalen britischen Interessen. Knallte ihre Handtasche auf den Verhandlungstisch und setzte mit der Forderung "I want my money back" den Beitragsrabatt für die Briten durch. Thatcher wollte keine Europäische Währungsunion und sagte Nein zur Verlagerung politischer Macht nach Brüssel.
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Ihr Kabinett zerbrach schließlich am Streit über Europa – 1990 wurde Margaret Thatcher von ihrer eigenen Partei gestürzt. Heute hadert Theresa May mit den europapolitischen Gräben in der Tory-Partei. Und ihr Rücktritt ist nur noch eine Frage der Zeit. Der Brexit ist auch Folge von Thatchers Politik: Viele Protestwähler in den abgehängten ehemaligen Industrie-Hochburgen stimmten beim EU-Referendum 2016 gegen Brüssel, meinten aber London.
40 Jahre nach dem Amtsantritt, fast drei Jahrzehnte nach ihrem Auszug aus der Downing Street und sechs Jahre nach ihrem Tod spaltet die Eiserne Lady noch immer die Briten: Für die Einen ist sie das große Idol, für die Anderen bleibt sie eine Hassfigur.