Stimme aus der Installation: "Deine linke Hand sagt 'Wir'. Deine rechte Hand sagt 'Ich'. Deine linke Hand schaukelt die Wiege. Deine rechte Hand regiert die Welt. Frauen der Welt, erhebt Eure rechte Hand."
Marge Monko hat ein Faible für Hände. Für die Hände von Arbeiterinnen, die in den 30er-Jahren in einer estnischen Textilfabrik Socken nähten und den Besucher in der Essener Ausstellung jetzt von alten Fotografien anlächeln. Für die Hände von Models, die sich in den 80er-Jahren teure Uhren anlegen und ihre Handgelenke von Werbefotografen ablichten ließen – die alten Werbungen hat Marge Monko an der Museumswand drapiert. Und nicht zuletzt ist da eine Faszination für die eigenen Hände: Ein Selbstporträt direkt am Eingang der Ausstellung zeigt die Künstlerin in selbstbewusster Pose, die rechte Hand zur Faust geballt und gen Himmel gereckt.
Meist linke Hände und immer passiv
Stimme aus der Installation: "Frauen der Welt, erhebt Eure rechte Hand."
Unschwer zu erkennen: Hier ist eine Feministin am Werk. Marge Monko: "Mich interessiert, wie die verschiedenen Geschlechter, männlich und weiblich, dargestellt werden, zum Beispiel in der Werbung. Wenn ich mit der Arbeit beginne, sage ich nicht: 'So, das ist jetzt ein Werk mit feministischem Ansatz.' Das passiert eher nebenbei. Während ich arbeite, tauchen immer wieder feministische Fragestellungen auf."
Für ihre Arbeiten nutzt die estnische Künstlerin meist vorhandenes Bildmaterial: Alte Fotos und Werbeanzeigen arrangiert sie neu, kombiniert sie mit Text oder verarbeitet sie zu einer Videoinstallation. Und im neuen Kontext wird klar, was beim bloßen Durchblättern dieser alten Modemagazine eher unbemerkt bleibt: Frauenhände in den Werbeanzeigen der 60er- bis 80er-Jahre sind meist linke Hände und immer passiv. Sie werden gehalten, ihnen werden Ringe angesteckt oder Uhren angelegt. Und die Hand am Steuer des Sportwagens ist – natürlich – nicht die der Frau, sondern die des Mannes.
Werbeslogan eines Unternehmens
Thomas Seelig: "Ich glaube, letztes Jahr, als wir uns entschlossen haben, Marge Monko einzuladen, war gerade die Hochzeit der MeToo-Debatte, wo sozusagen das Geschlechterverhältnis neu austariert und diskutiert wurde. Und diese Themen scheinen eigentlich in all ihren Serien auf, ob das jetzt eher zum Thema Arbeiterkampf oder Rechte der Frau am Arbeitsplatz ist oder ob es um Luxus, um Begehren und solche Themen geht. Sie lässt aber gleichzeitig Offenheit zu, damit das Ganze nicht nur die Bebilderung einer These ist."
Sagt Thomas Seelig, Leiter der Fotografischen Sammlung im Museum Folkwang und Kurator der Ausstellung. Die Offenheit, von der Seelig spricht, zeigt sich etwa an Monkos Umgang mit einem Slogan, der sowohl in Leuchtlettern an der Museumswand prangt, als auch in einer Videoinstallation mehrfach wiederholt wird: "Frauen dieser Welt, erhebt Eure rechte Hand." Ein Aufruf zur feministischen Revolte, der passende Slogan zum kämpferischen Selbstporträt am Eingang – sollte man meinen. In Wirklichkeit aber, und das löst die Ausstellung erst im letzten Saal auf, ist es der Werbeslogan eines Unternehmens, das Diamantringe vertreibt.
Marge Monkos Werk besitzt Mehrdeutigkeit
Stimme aus der Installation: "2003 lancierte The Diamond Trading Company, der Handelszweig der De-Beers-Gruppe, eine Werbekampagne für einen Ring für die rechte Hand, die auf Frauen abzielte, die ihre Freiheit feiern wollten. Der Ring für die rechte Hand wurde zunehmend als Ring der Macht bezeichnet. Immer mehr Frauen avancierten zur Hauptverdienerin, und ein solcher Ring war ein weiteres Mittel, um Einfluss und Unabhängigkeit auszudrücken."
Der kapitalismuskritische Blick einer feministischen Künstlerin, die ihre Kindheit noch in der Sowjetzeit verbracht hat, auf die westliche Luxus- und Werbeindustrie? Das wäre zu kurz gedacht, denn diese Videoarbeit kann auch positiver gelesen werden: Schaut, wie weit wir schon gekommen sind – sogar die Werbung hat verstanden, dass Frauen in der Lage sind, Macht und Verantwortung zu übernehmen! So eindeutig die Fotografien, Installationen und Collagen der estnischen Künstlerin auf den ersten Blick wirken mögen, so uneindeutig bleiben sie doch auf den zweiten Blick. Marge Monkos Werk besitzt die Mehrdeutigkeit, die gute Kunst ausmacht.