Es gibt Unternehmen, die kann man gar nicht genug loben - und ihren Vorbildcharakter preisen. Zum Beispiel die "Maria Eichhorn Aktiengesellschaft": Sie hinterlässt kaum Restmüll, versiegelt keine Flächen, nutzt keine Verkehrswege, bläst also nichts in die Luft; sie ist mitbestimmungs-technisch 1a, hat akzeptable, gleitende Arbeitszeiten und honorige Menschen wie Okwui Enwezor sitzen im Aufsichtsrat. Man wird einwenden, dass die Firma keine Arbeitsplätze schaffe - aber auch das ist okay, denn das Unternehmen produziert weder Kühlschränke noch Lockenwickler, sondern NICHTS. Das eingebrachte Firmenkapital von 50.000 Euro darf laut Satzung nicht vermehrt werden. Also: Freizeit für alle. Die einzige Gesellschafterin, Maria Eichhorn, trifft sich einmal im Jahr mit den Kontrollgremien; von einem Berliner Finanzamt erhält man dann einen Steuerbescheid über null Euro.
Und trotzdem ist diese Parodie auf Unternehmenskultur und Marktwirtschaft auf untergründige Weise mit dem Wirtschaftskreislauf verbunden. Die "Maria Eichhorn Aktiengesellschaft" ist ein Kunstwerk, 2002 gegründet mit einem Produktions-Etat der Documenta, und Kunstwerke kann man kaufen - normalerweise.
"Das Besondere an der Maria Eichhorn Aktiengesellschaft ist natürlich, dass man sie nicht besitzen kann. Also man kann weder die Aktiengesellschaft noch die künstlerische Arbeit besitzen. Trotzdem hat das Museum in Eindhoven, das Van-Abbe-Museum, Rechte gekauft, also die Rechte, nun diese Arbeit zu präsentieren..."
Ausstellung streng formal inszeniert
Dem Museum gehört die Arbeit also nur virtuell. Gleichzeitig lernen wir, dass auch Geld ein Kunstwerk sein - und dass man Geld ausstellen kann.
"Das Geld ist normalerweise im Banksafe, also natürlich jetzt in Eindhoven, weil das Museum in Eindhoven hat die Rechte auch an der Arbeit gekauft. Und die haben auch das Geld gekauft, so absurd sich das anhört, sie haben diese 50.000 Euro auch gekauft. Und die liegen im Banksafe. Und wenn die Arbeit ausgestellt wird, ist dann innerhalb dieser Präsentation ein Wandsafe, und da liegt das ganz offen sichtbar, dieser kleine Stapel von 50.000 Euro."
Das alles ist nun auch in Bregenz formal sehr streng inszeniert: Auf drei Seiten des Raums werden Dokumente präsentiert, in der Mitte stehen zwei lange schreckliche Behörden-Wartebänke. In einem durchsichtigen Safe liegt das Geld, und man kann quasi zusehen, wie es durch die Inflation täglich weniger wird.
Streng sind auch die Vorträge zu den Gefahren der Atomkraft, die Maria Eichhorn seit 1989 vor einem Jeans-Vorhang abfilmt - sowohl die Vorlesungen als auch der Vorhang sind in Bregenz zu sehen, garniert von einem Anti-Atom-Bücherbord. Wirkt nicht wirklich zeitgemäß, ist aber auf lange Dauer, auf Serie angelegt, wie fast alles, das Maria Eichhorn tut. Jedes Werk eine kleine Lebensversicherung, die noch lange vor sich hinarbeiten wird und unendliche Fortsetzungen erfahren kann. Im obersten Stock dann die Esoterik: Die roten und blauen Streifen, die wie Minimal Art über den Boden geklebt sind, zeigen Erdstrahlung und kosmische Strahlung, eruiert von einem Wünschelrutengänger aus dem Bregenzer Wald, dessen Wünschelruten einsam an den Wänden hängen.
Gegenmodell der sexuell aufgeladenen Karrierefrau
Streng ist übrigens auch die Konzeptkünstlerin selber: Gänzlich bleich, ungeschminkt, unauffällig gekleidet ist sie quasi die Inkarnation von Neutralität, die Personifikation ihres Kunstbegriffs. Zeigen, nicht reden. Maria Eichhorn ist das Gegenmodell der sexuell aufgeladenen Karrierefrau. Und dann stellt sie uns eine Falle - mit dem 1999 begonnenen "Filmlexikon sexueller Praktiken": Auf Anfrage legt ein Museumswärter kurze, grauschleierige 16-Millimeter-Filme ein - zu Themen wie "Analkoitus", "Brustlecken", "Fellatio" oder "Zungenkuss". Wer sich den Spaß am Sex verderben möchte, der möge diese Filme ansehen. Bei normalem Museumsbetrieb traut sich das wahrscheinlich eh niemand. Und das ist auch gut so.