Ehring: Das Umweltbundesamt ist bekannt als widerspenstige Behörde. Seine Präsidenten haben oft Finger in Wunden gelegt, an die die Politik eigentlich gar nicht rühren wollte. Frau Krautzberger, Sie sind seit knapp einem halben Jahr im Amt, welches Umweltproblem wird denn aus Ihrer Sicht viel zu wenig beachtet und gehört richtig in den Mittelpunkt der Umweltpolitik?
Krautzberger: Also, direkte Antwort auf diese Frage: Aus meiner Sicht muss man den Zusammenhang zwischen Umweltbelastungen und Landwirtschaft stärker thematisieren.
Ehring: Worum geht es da vor allem?
Krautzberger: Ja, wir wollen das und wir müssen das, weil wir feststellen, dass die industrielle Landwirtschaft unsere Umwelt in vielerlei Weise belastet. Ganz aktuell haben wir das Problem steigender Nitratgehalte im Grundwasser, aber auch in den Küstenregionen. Es gibt auch ein Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen die Bundesrepublik Deutschland, im Hinblick auf die Nichteinhaltung der Nitratrichtlinien. Und das dokumentiert: Die Landwirtschaft belastet die Umwelt und wir müssen da genauer darauf schauen, was man tun kann, um diese Belastungen zu identifizieren, aber dann auch zurückzufahren.
Ehring: Wo liegen die Belastungen vor allem?
Krautzberger: Wir haben aktuell zu hohe Nitratwerte. Also der Stickstoff ist ein Stoff, der in die Umwelt gelangt über die Landwirtschaft als offenes System. Wir finden den Stickstoff als Nitrat im Gewässer, wir finden aber den Stickstoff auch als Ammoniak in der Luft. Und das Problem ist, dass wir für viele dieser Bereiche keine wirklichen Minderungsziele haben. Also uns fehlt eine strategische Minderungsstrategie für die Umweltbelastungen aus der Landwirtschaft, wie wir sie heute feststellen.
Ehring: In welche Richtung müsste das gehen? Förderung des Ökolandbaus, Extensivierung oder intensiver auf kleineren Flächen, wie es ja viele Bauern bevorzugen?
"Die Düngeverordnung ist nicht konsequent genug"
Krautzberger: Das ist sicherlich auch ein richtiger Weg. Es gibt da sehr gute Beispiele. Zum Beispiel um München herum fördert ja die Stadt München den ökologischen Landbau, um auch einen Beitrag zum Trinkwasserschutz zu leisten. Das ist ein sehr erfolgreicher Weg. Aber wir müssen als Hebel auch an die Düngeverordnung. Da ist die Bundesregierung gerade dabei, diese zu novellieren. Die Düngeverordnung ist nicht konsequent genug in ihren Instrumenten, um zu verhindern, dass das Nitrat und der Stickstoff in großen Mengen auf die Felder und in die Luft gerät.
Ehring: Wie ist denn die Bereitschaft bei der Landwirtschaft, über dieses Problem zu reden?
Krautzberger: Es gibt Landwirte, die da sehr offen sind, auch in konventionellen Landbauen. Es gibt auch große Widerstände. Aber wir müssen dieses Problem lösen. Denn man muss ja sehen, 50 Prozent der Fläche werden heute durch Landwirtschaft belegt, und die Umweltlasten sind zu hoch. Dazu tragen wir auch als Konsumenten bei. Also unser Fleischkonsum hat sich seit den 50er-Jahren in Deutschland verdoppelt, und dafür zahlen wir natürlich auch einen Preis.
Ehring: Es gab mal die Zielsetzung "20 Prozent Ökolandbau" auf ganz lange Sicht – und diesem Ziel näheren wir uns in ganz winzigen Schritten. Wäre es Ihr Anliegen, diesen Weg zu beschleunigen?
Krautzberger: Es wäre auf jeden Fall der richtige Weg im Interesse der Umwelt, auch im Interesse der Verbraucher, glaube ich. Ich stelle fest, dass das Interesse an gesunden Lebensmitteln, an gesunder Ernährung zunimmt in unserer Gesellschaft. Und wir müssen versuchen, Wege zu finden, die Auskömmlichkeit der Landwirte auch über den ökologischen Landbau zu fördern.
Ehring: Im Moment steht auf der Tagesordnung, auch für die nächsten Tage, der Kampf gegen den Klimawandel. Die Europäische Union will sich neue Ziele setzen für die Einsparung von Treibhausgasen, für Erneuerbare Energien, für Energieeffizienz. 40 Prozent weniger Treibhausgase bis 2030 sind angepeilt. Ist die EU da auf dem richtigen Weg, aus Ihrer Sicht? Reicht das, um das "Zwei-Grad-Ziel" zu erreichen?
Krautzberger: Es wäre ein erster Schritt. Die EU muss ein CO2-Minderungsziel setzen, das ambitioniert genug ist, um diesen Pfad zu beschreiten. Je höher diese Zielmarke liegt, desto besser – aber das wäre zumindest ein erster Schritt. Und wir brauchen diesen Schritt dringend, denn unser Emissionshandel liegt ja auch darnieder, aufgrund eines fehlenden ambitionierten Ziels im Hinblick auf die CO2-Minderung. Das ist also die Schlüsselgröße dafür, dass in Europa auch konsequent Klimaschutzpolitik möglich wird.
Ehring: Was wäre denn angemessen? Um wie viel müsste man bis 2030 verringern, wenn man wirklich auf dem "Zwei-Grad-Ziel" bleiben will, auf dem Pfad zum "Zwei-Grad-Ziel"?
Zu viele Emissionshandel-Zertifikate verfügbar
Krautzberger: Der Zielkorridor ist richtig. Also man könnte diese 40 Prozent als Erfolg bewerten, aber der Beschluss muss zunächst gefasst werden. Und dann muss man eben die Strategie weiter fassen bis zum 80-Prozent-Ziel bis zum Jahr 2050. Das wäre der richtige Pfad. Und in diesem Kontext hätte auch der Emissionshandel seine instrumentelle Wirkung. Und daneben würden wir auch sehr stark empfehlen, weitere strategische Ziele zu formulieren, im Hinblick auf die Effizienzsteigerung und auch im Hinblick auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Das fehlt in Europa und es fehlt ansatzweise auch in Deutschland bislang.
Ehring: Der Emissionshandel hat ja den Charme, dass die Beteiligten sich selbst überlegen können, wo sie am besten Treibhausgase einsparen wollen. Wie denken Sie über die Reformbemühungen? Bisher liegt er ja am Boden.
Krautzberger: Ja, er liegt am Boden, weil er kein ambitioniertes Ziel hat, weil die Menge der zur Verfügung stehenden Zertifikate viel zu hoch ist. Man schätzt, dass in dieser Handelsperiode rund zwei Milliarden Zertifikate zu viel im System sind. Wenn es gelingen könnte, diese Menge zu reduzieren, auch über anspruchsvolle Ziele, dann würde sich auch der Preis für die Emissionsberechtigungen entsprechend anpassen. Es ist ja ein marktwirtschaftliches Instrument. Es wirkt nicht, weil der Rahmen nicht richtig formuliert ist. Wenn das so wäre, wäre das Instrument in der Tat hervorragend. Aber diese Beschlussfassung auf europäischer Ebene fehlt bisher. Und das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass der Emissionshandel tatsächlich erfolgreich wirkt.
Ehring: Das bringt ja auch Deutschland in Schwierigkeiten. Deutschland will bis zum Jahr 2020 40 Prozent der Treibhausgase einsparen, verglichen mit 1990, und ist gar nicht auf dem Weg dorthin. Die Bundesregierung plant seit längerer Zeit ein Sofortprogramm. Was muss denn aus Ihrer Sicht passieren, damit wir auf diesen Pfad als Deutschland noch einschwenken können?
Krautzberger: Na ja, "gar nicht auf dem Weg dahin", würden wir nicht sagen. Es ist ein ambitioniertes Ziel, auch im Kontext der anderen Mitgliedsstaaten. Es fehlen sieben Prozent zur Erreichung dieses Ziels – mehr oder weniger. Die Bundesregierung bemüht sich zurzeit, Maßnahmen zu definieren. Wir sehen die Notwendigkeit vor allem auch in einem weiteren Ausbau der Erneuerbaren. Wir halten es für notwendig, im Bereich der Effizienzsteigerung viel zu machen, im Gebäudebereich liegen noch große Potenziale, und man muss sich auch das Thema Verkehr ansehen. Der Verkehr ist ja der Bereich auch in Deutschland, der den geringsten Beitrag zur CO2-Minderung geleistet hat. Und das hat vielfältige Gründe. Aber auch da muss man überlegen, wie man einen Schritt weiter kommt perspektivisch.
Ehring: Bleiben wir mal bei dem Einsparbereich bei Gebäuden. Die Bereitschaft zur Sanierung ist in Deutschland relativ gering. Ein Prozent des Gebäudebestandes wird jährlich etwa energetisch saniert – notwendig wäre wesentlich mehr. Wie wollen Sie das fördern? Was empfehlen Sie da?
Krautzberger: Wir empfehlen seit vielen Jahren, finanzielle Anreize zu geben. Wir empfehlen, das über steuerliche Abschreibemöglichkeiten zu regulieren. Wir empfehlen, auch über Beratung, über gesetzliche Instrumente an diesen Bereich heranzugehen. Es ist einfach so, dass die Wärmeversorgung, auch in den Gebäuden, gerade im Wohnungsbau, eine wesentliche Quelle für CO2-Emissionen darstellt. Und das setzt eben an bei der Sanierung der Gebäude. Und dafür hat man die Instrumente. Man muss sie umsetzen. Es ist auch keine Maßnahme, die sich von heute auf morgen realisiert. Aber die Wege dafür sind beschrieben, sie sind da. Es gibt gute Beispiele. Es gibt Demonstrationsvorhaben. Von daher liegt das Handlungspotenzial da eigentlich auf der Hand.
Ehring: Und warum geht Deutschland diesen Weg dann bisher nicht?
Krautzberger: Deutschland geht ja diesen Weg. Es gibt ja Programme zur Gebäudesanierung, zur Effizienzsteigerung.
Ehring: Aber es geht Ihnen nicht schnell genug, aus Ihrer Sicht?
Krautzberger: Es geht nicht schnell genug. Aber die Bundesregierung wird da sicherlich auch einen Akzent setzen. Sinnvoll wäre eben auch, gerade im Bereich der Effizienzsteigerung, klare Ziele zu setzen, auch gesetzlich zu definieren, dass man bestimmte Standards erreichen wird. Das kann man im Übrigen auch auf europäischer Ebene, um das im Gleichklang in Europa umzusetzen. Und das fehlt. Also es fehlt auch dieser ambitionierte Zielrahmen, der auch gesetzlich definiert ist.
Ehring: Die Bundesumweltministerin hat ja ein Sofortprogramm angekündigt. Werden solche Instrumente ausreichend darin enthalten sein?
Krautzberger: Ich hoffe es. Ich hoffe es. Es liegt ja noch nicht vor.
Ehring: Die neue EU-Kommission ist ohne profilierte Umweltpolitiker erst einmal gestartet – zumindest, was die Nominierungen angeht. Was erwarten Sie da für die Rahmenbedingungen von Umweltpolitik in Europa demnächst?
Krautzberger: Wir erwarten, dass die neue Kommission auch weiterhin in der Umweltpolitik Akzente setzt. Es wäre verheerend, wenn Europa seine Vorreiterrolle, die es doch in vielen Bereichen hat, aufgeben würde. Letztlich ist auch das erklärte Ziel, im Bereich des Wirtschaftswachstums voran zu kommen – im Einklang mit einer ökologischen Politik durchaus vorstellbar und auch sinnvoll. Wir haben in Europa viele Beispiele der sogenannten "Green Economy", wo wir zeigen, dass wir über Technologieentwicklung auch weltweit führend sind. Und ich gehe mal davon aus, dass dieser Zusammenhang auch in der neuen Kommission gesehen wird. Es gibt ja viele Befürchtungen, dass das nicht der Fall sein wird. Umso mehr ist es auch für Umweltaktive wichtig, gerade jetzt umweltpolitische Forderungen noch mal zur Diskussion zu stellen, noch mal daran zu erinnern, was Europa sich in diesem Bereich alles noch im Umweltaktionsprogramm und auch in anderen Programmen vorgenommen hat. Darauf kommt es jetzt an.
Ehring: Luftreinhaltung ist nicht nur Klimaschutz, die Luft ist auch mit anderen Stoffen belastet. Und da steht ganz oben der Feinstaub. Sie kämpfen dagegen unter anderem dadurch, dass Sie die Einrichtung von Umweltzonen empfehlen. Ist das nach wie vor der richtige Weg? Die werden immer weiter verschärft, und das stößt auf heftige Bürgerproteste zum Teil.
Umweltzonen entfalten keine Wirkung mehr
Krautzberger: Die Umweltzonen waren ein wichtiges Instrument, um Feinstaub zu verringern in großen Städten. Sie haben dazu geführt, dass wir bundesweit unsere Kraftfahrzeugflotten erneuert haben. Sie sind jetzt in einer Situation, wo sie keine wirkliche Wirkung mehr entfalten, aufgrund der Flottenerneuerung, die wir inzwischen vollzogen haben. Sie sind auch immer nur ein Instrument neben vielen anderen. Es gibt ja Luftreinhaltepläne überall dort, wo Luftschadstoffe Grenzwerte überschritten haben. Und im Rahmen dieser Luftreinhaltepläne findet sich ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die zur Luftreinhaltung beitragen sollen. Dazu gehört die Umweltzone. Aber eine intelligente Verkehrsplanung, eine Förderung auch des Umweltverbundes in den Städten, ein Blick auf die Baumaschinen, die bisher noch ohne Filter in Städten vielfach eingesetzt werden, zeigt: Die Umweltzone ist nicht das einzige Instrument. Sie kann wieder bedeutsam werden, wenn wir den Eurostandard 6 umsetzen, der aber erst ab nächstem Jahr verbindlich eingeführt wird und bisher noch keine Marktdurchdringung hat. Deswegen kann man noch nicht so weit gehen zu sagen, dass wir über die Umweltzonen heute schon diesen Abgasstandard fordern.
Ehring: Wenn immer weniger Autos von der Fahrt in die Innenstadt ausgeschlossen werden müssen, kann man dann die Umweltzonen möglicherweise bald abschaffen?
Maria Krautzberger, geboren 1954 in Mühldorf am Inn (Bayern), ist politische Beamtin und SPD-Mitglied. Seit Mai 2014 ist sie Präsidentin des Umweltbundesamtes.
Nach dem Studium der Soziologie und Anglistik sowie einem anschließenden Studium der Verwaltungswissenschaften begann Krautzberger ihre berufliche Laufbahn als wissenschaftliche Angestellte am Seminar für Politische Wissenschaften der Uni Bonn. Später wurde sie Abteilungsleiterin des Amtes für Umweltschutz bei der Stadtverwaltung Wuppertal.
Von 1992 bis 1998 war Krautzberger Umweltsenatorin der Hansestadt Lübeck – in den letzten beiden Jahren dieses Zeitraums auch stellvertretende Bürgermeisterin.
(Quellen: Umweltbundesamt, Wikipedia).
Nach dem Studium der Soziologie und Anglistik sowie einem anschließenden Studium der Verwaltungswissenschaften begann Krautzberger ihre berufliche Laufbahn als wissenschaftliche Angestellte am Seminar für Politische Wissenschaften der Uni Bonn. Später wurde sie Abteilungsleiterin des Amtes für Umweltschutz bei der Stadtverwaltung Wuppertal.
Von 1992 bis 1998 war Krautzberger Umweltsenatorin der Hansestadt Lübeck – in den letzten beiden Jahren dieses Zeitraums auch stellvertretende Bürgermeisterin.
(Quellen: Umweltbundesamt, Wikipedia).
Krautzberger: Die Umweltzonen, so wie sie heute ausgestaltet sind, fokussieren ja ganz klar auf einen bestimmten Abgasstandard, der heute zur Regel wurde. Insoweit sind sie kein begrenzendes Element mehr, um Fahrverhalten zu regulieren. Wir brauchen aber eine Verkehrspolitik in den Städten, die auf Verlagerung der Verkehre vom Kraftfahrzeug hin auf umweltverträgliche Verkehrsträger orientiert ist. Also auf den ÖPNV, auf das Fahrrad, auf den Fußverkehr, einschließlich des Carsharing. Das Umweltbundesamt prämiert zurzeit den Großraumverbund Hannover mit einem Blauen Engel, weil er die Umweltmobilitätskarte eingeführt hat, die eben genau dieses fördert, also den Verbund von öffentlichen Verkehrsmitteln und Carsharing. Und das sind die richtigen Wege, die auch zu einer Vermeidung von Kraftfahrzeugverkehr in den Städten führen. Und das ist das Ziel, das auch zu einer besseren Luftqualität beiträgt.
Ehring: Heizungen sind eine weitere Quelle von Feinstaub in den Städten. Was machen Sie da?
Krautzberger: Also wir schauen voller Sorgen auf die Holzheizungen, die in einigen städtischen Bereichen, aber auch im ländlichen Raum zugenommen haben. Wir sehen das immer dann kritisch, wenn Luftschadstoffe aufgrund von Inversionswetterlagen zunehmen. Da empfehlen wir, offene Kamine, Holzöfen möglichst nicht zu nutzen, weil sie auch einen Beitrag zum Feinstaub darstellen. Man kann auch an Holzheizungen Abgasstandards anlegen – das wird auch ab nächstem Jahr intensiver kontrolliert, auch von der Schornsteinfegerinnung. Also insoweit gibt es da eine Regelung. Aber es gibt eben bestimmte Holzheizungen – die offenen Feuer insbesondere –, die durchaus negativen Beitrag zu der Schadstoffsituation in den Städten haben können. Und wir empfehlen in solchen Situationen, einfach darauf zu verzichten.
Ehring: Sie bleiben ja nicht bei Empfehlungen. Bestimmte Kamine/Öfen müssen ja auch irgendwann ausgetauscht werden. Und das bringt die Frage auf: Ist es nötig, den Umweltschutz auf diese Weise auch mit Verboten durchzusetzen oder muss man nicht vielleicht mehr Anreize setzen?
Krautzberger: Na ja, man kann auch Holzöfen verantwortlich betreiben, indem eben Abgasstandards eingehalten werden. Und dann kann man sie auch nutzen. Es ist ein bestimmtes Segment von Holzheizungen, das zu dieser Luftverunreinigung beiträgt, das aber mengenmäßig nicht so groß ist, dass man jetzt gleich ein Verbot erlassen müsste. Ich glaube, dass hier auch der verantwortungsvolle Umgang mit diesen offenen Feuerstellen durchaus seine Effekte hätte.
Ehring: Im Deutschlandfunk hören Sie das Interview der Woche mit Maria Krautzberger, der Präsidentin des Umweltbundesamtes. Und ich möchte zu einem anderen Thema kommen, was die Öffentlichkeit in letzter Zeit heftig bewegt hat, das Fracking, das Gewinnen von Gas mit unkonventionellen Methoden. Das haben Sie als Umweltbundesamt heftig kritisiert, warum?
Krautzberger: Wenn Sie sich die Umweltbelastungen in den Vereinigten Staaten ansehen, ist das schon fast die Antwort. Es ist doch ganz klar, wenn wir die Fracking-Technologie in Deutschland einsetzen sollten, müssten wir wissen, ob wir dies verantwortlich mit der Umwelt auch wirklich tun können. Deswegen hat das Umweltbundesamt auch im Auftrag des Bundesumweltministeriums untersucht, welche Risiken mit Fracking-Technologien verbunden sind. Und wir haben diese Risiken dargestellt. Insbesondere für das Grundwasser sehen wir Risiken, die wir nicht wirklich in den Griff bekommen könnten und empfehlen deshalb gerade in Gebieten, die für die Trinkwassergewinnung wichtig sind, auf Fracking insgesamt zu verzichten, dieses dort zu verbieten und in anderen Bereichen sehr sorgfältig zu prüfen, zu welchen Umweltbelastungen es kommen könnte bei Fracking-Prozessen.
Ehring: Aber Fracking bietet doch auch Chancen?
Auf Fracking verzichten
Krautzberger: Aus unserer Sicht nicht, jedenfalls nicht gegenwärtig. Es wird ja viel diskutiert, dass Fracking auch wichtig ist für die Energieversorgung, gerade vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise und möglicherweise ausbleibender Gaslieferungen aus Russland. Wir sehen den Anteil des Fracking-Gases in Deutschland für die Energieversorgung als sehr gering an. Wir haben ihn auf etwa vier Prozent geschätzt. Er reicht also in keiner Weise dazu aus, die Importabhängigkeit aufzuheben. Im Gegenteil empfehlen wir die Konzentration auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien, denn das würde uns auch langfristig unabhängig machen vom Import von Gas oder Öl. Und das Fracking-Gas ist keine nennenswerte Größe für die Energieversorgung in der Bundesrepublik Deutschland. Auch aus diesem Grund empfehlen wir, darauf zu verzichten.
Ehring: Aber auch manche Bundesländer, auch das rot-grün regierte Niedersachsen, setzen durchaus auf Fracking-Technologien. Die sehen ja dann offenbar doch Chancen?
Krautzberger: Ja, in Niedersachsen wird ja seit vielen Jahren Erdgas gefördert über Fracking im Sandgestein. Ich muss diese Art von Fracking auch unterscheiden von Schiefergas- und Kohleflöz-Fracking, das zu sehr viel größeren Risiken führt. Und wir empfehlen im Prinzip aber bei jedem Fracking-Prozess, diesen zu verknüpfen mit einer Bewertung der Umweltauswirkungen im Voraus. Wir empfehlen auch, sollte man sich dazu entschließen, das an der einen oder anderen Stelle erst einmal zu erproben und auch wissenschaftlich zu begleiten, um die Risiken tatsächlich bewerten zu können. Das können wir heute in vielerlei Hinsicht noch nicht. Aber dem Grunde nach spricht aus unserer Sicht auch energiewirtschaftlich nichts dafür, Fracking-Gas in Deutschland zu fördern.
Ehring: Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe ist da anderer Meinung, sieht Fracking tendenziell positiver. Gibt es da nicht doch Bereiche, wo Fracking auch zu einer Verbesserung der Energieversorgung und auch zum Schaffen von Arbeitsplätzen beitragen könnte?
Krautzberger: Also wir sehen das nicht wirklich. Natürlich sind Bereiche wie Geothermie, die ja auch Fracking sind, möglicherweise in der Zukunft interessante Beiträge zur Energieversorgung – heute sind sie wirtschaftlich nicht darstellbar. Und wir sagen auch eher, wir sollten dieses Gas auch als strategische Reserve betrachten, die vielleicht in Zukunft wichtig wird, im Rahmen eines Wirtschaftens, für Produktionsabläufe. Und dieses Gas nicht heute schon verbrauchen, sondern einfach auch sehen, dass wir damit ein Potenzial haben für die Zukunft, auf das wir vielleicht einmal zurückgreifen wollen, weil wir in der Tat die Anwendung in Deutschland heute weder für notwendig halten noch für wirklich wirtschaftlich, volkswirtschaftlich relevant erachten.
Ehring: Frau Krautzberger, da kommen Sie auf das Thema "Ressourcen". Laut Worldwide Fund for Nature, der Umweltorganisation, verbrauchen wir weltweit 50 Prozent mehr, als nachhaltig nutzbar wäre. Solche Appelle kennt man seit Jahrzehnten, aber wie kann Deutschland denn zum Ressourcensparen gebracht werden?
Krautzberger: Wir leisten uns großen Flächenverbrauch. Wir fordern seit vielen Jahren auch Ziele für den Bodenschutz. Sie wissen ja, dass wir auf der europäischen Ebene mit der Bodenschutzrichtlinie letztlich gescheitert sind. Was wir immer noch bedauern, weil wir bis heute keine Standards für den Bodenschutz in Europa haben und wir auf der anderen Seite erkennen, dass dies notwendig wäre. Nicht nur im Hinblick auf Flächenverbrauch, sondern Bodendegradation insgesamt. Es muss uns gelingen, den Verlust von Boden zu minimieren und auch ein Ausgleich für Bodendegradation durch Kontamination oder durch Besiedlung zu schaffen. Deswegen halten wir es für wichtig, auch in diesem Bereich weiterzukommen. In der Produktion, in der Kreislaufwirtschaft, gibt es auch noch viele Aufgaben, die wir uns genauer ansehen müssen. Das reicht von den Handys bis zu den Windkraftanlagen, in denen ja ungeheure Mengen von Seltenen Erden verbaut sind – Neodyme beim Stichwort "Windenergieanlagen". Und auch in den Handys finden sich viele Rohstoffe, die selten sind und für die wir heute noch keine adäquate Wiederverwertung/Recyclingmöglichkeit haben. Hier gibt es einen hohen Forschungsbedarf.
Ehring: Deutschland ist schon das Land der "Mülltrenner" – wir müssen den Müll also noch sorgfältiger trennen?
Krautzberger: Ja, wir müssen auch neue Wege des Recycling gehen. Wir müssen versuchen, eben gerade bei den Seltenen Erden noch neue technische Möglichkeiten zu entwickeln, um sie nicht in der Müllverbrennungsanlage wiederzufinden. Das ist eine Verschwendung, das ist eine Ressourcenverschwendung! Und das sind kleine Ansatzpunkte, die aber noch einen weiten Weg vor sich haben. Natürlich spricht auch vieles dafür, Geräte länger zu nutzen, als wir das heute tun. Viele wechseln ihr Smartphone jedes Jahr. Ob das wirklich notwendig ist, ist eine Frage, aber es ist auch ein Lebensstil, so zu verfahren. Und wenn das so ist, muss man versuchen, diese Geräte nicht verschwinden zu lassen in der Umwelt, sondern eine Option zu schaffen, sie künftig zu recyclen und diese Rohstoffe wiederzuverwerten.
Ehring: Sie sind die erste Frau an der Spitze des Umweltbundesamtes. Machen Frauen Umweltschutz anders als Männer?
"Frauen sind in aller Regel Umweltthemen gegenüber aufgeschlossen"
Krautzberger: Nicht unbedingt. Es zeigen ja viele Umfragen, dass Frauen für Umweltthemen offener sind als Männer, was vielleicht noch mit Erziehungsaufträgen zu tun, was auch mit dem besonderen Engagement für Ernährung, auch mit Haushalt zu tun hat. Also Frauen sind in aller Regel Umweltthemen gegenüber aufgeschlossen, aber viele Männer sind das heute auch. Ich würde solche Unterschiede eigentlich nicht akzeptieren.
Ehring: Das Umweltbundesamt ist vor 40 Jahren gegründet worden, im Jahr 1974. Geht es, unterm Strich gesehen, der Umwelt heute besser oder schlechter als damals?
Krautzberger: Ja, unter dem Strich geht es der Umwelt besser als damals. Wir haben im Bereich der Luftreinhaltung erhebliche Erfolge erzielt. Wir haben eine andere Abfallwirtschaft als damals. Wir haben das Problem von Bodenkontamination, von Schadstoffen stärker in den Griff bekommen. Aber es gibt noch sehr viel zu tun, gerade auch im Klimaschutz. Die Umweltprobleme sind heute globaler, als sie damals erkannt waren. Sie hatten auch damals schon eine internationale Komponente – heute sind die meisten Umweltprobleme auch nur global zu lösen. Und das Erkennen darüber ist auch deutlicher, als in der Gründungsphase des Umweltbundesamtes. Also das hat sich geändert. Aber unter dem Strich hat die Umwelt in Deutschland an Qualität gewonnen. Auf der anderen Seite sehen wir eine Verschlechterung der Umweltsituation in vielen Schwellenländern, in anderen Kontinenten. Also das müssen wir genauso im Blick haben, wie die nationale Perspektive.
Ehring: Frau Krautzberger, herzlichen Dank für das Gespräch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.