Maria Mies will aufklären über die Funktionsweise der globalen Wirtschaft, informieren über die weltweite Bewegung der Globalisierungsgegner und schließlich Mut machen, sich selbst zu beteiligen am Protest und an der Gestaltung der Alternativen. Die emeritierte Professorin für Soziologie richtet sich mit ihrem Buch nicht an die Wissenschaftsgemeinde, sondern möchte die Frau und den Mann auf der Straße ansprechen.
Die Menschen wollen nicht, dass ihr Leben von irgendwelchen fernen Chefetagen transnationaler Konzerne bestimmt wird. Sie suchen eine Wiederverwurzelung in solidarischen, zuverlässigen, nicht nur am Profit orientierten, überschaubaren Gemeinwesen und die Wiederversöhnung mit der Natur.
Diesen Geist spürte die Autorin auf den Straßen von Seattle, und diesen Geist möchte sie mit ihrem Buch weitertragen. Sie berichtet von den Protestaktionen im Jahr 1999, den beteiligten Gruppen, den verlesenen Erklärungen, von der Vorgeschichte und dem, was danach kam.
Überall hatten Globalisierungsopfer längst angefangen, nach den wirklichen Ursachen und den Verantwortlichen für ihre Misere zu forschen. In vielen Ländern hatten sie neue Zusammenschlüsse und Nichtregierungsorganisationen gegründet, weil sie feststellen mussten, dass die traditionellen Oppositionsparteien, zum Beispiel die sozialistischen oder sozialdemokratischen Parteien, und auch die Gewerkschaften, zum Teil selbst den neoliberalen Weg eingeschlagen hatten und sich nicht mehr um die Globalisierungsverlierer kümmerten.
Die Aufklärung über die Strukturen und Institutionen der Globalisierung fällt dann leider sehr schlicht aus - Gut und Böse werden auch für den Laien gut sichtbar voneinander unterschieden, eine differenzierte Analyse der Arbeit von Weltbank, Währungsfonds, der Welthandelsorganisation und weiterer wichtiger Akteure bleibt dabei auf der Strecke.
Es ist klar: Multilaterale Institutionen wie die Weltbank, der IWF, vor allem aber die WTO mit ihrer legislativen und exekutiven Kompetenz sind notwendig, um zu verhindern, dass das Volk durch demokratische Wahlen auf Landes-, Provinz- oder kommunaler Ebene die Spielregeln für das Funktionieren der Wirtschaft verändert.
Das klingt verschwörerisch. Da ist es gut, wenn man einen Kronzeugen aus dem Milieu vorweisen kann: John Gray, ehemaliger Berater von Margaret Thatcher, soll demnach nachgewiesen haben, dass die Zerstörung der demokratischen Grundlagen unserer Gemeinwesen nicht nur ein "Kollateralschaden" des globalen Kapitalismus ist, sondern notwendige theoretische und praktische Strukturbedingung des globalen Freihandels.
Doch es gibt auch weite Passagen des Buches, die ohne so markige Worte auskommen. Es sind die vielen einzelnen Geschichten von Betroffenen, von indischen Bauern, die um die Rechte an ihrem Saatgut kämpfen, von den Arbeitsbedingungen der Frauen in Textil- und Elektronikfabriken und denen die dunkle Seite der Globalisierung plastisch wird.
Die Globalisierung beschleunigt den Strukturwandel, verändert Beschäftigungsverhältnisse, zwingt zur Aufgabe von Lebensentwürfen. Werden diese Folgen nicht aufgefangen und ergeben sich nicht rasch genug neue, attraktive Alternativen, entsteht Unzufriedenheit, die eine Gesellschaft gefährlich destabilisieren kann.
Wenn sich rechtsgerichtete junge Männer in neuen faschistischen Männerbünden zusammenschließen und gegen Ausländer oder Juden zu Felde ziehen, dann suchen sie in diesen Männerbünden jene Sicherheit, die ihnen die globalisierte Gesellschaft nicht mehr bieten kann.
Wo liegt nun der Ausweg, die Alternative zur kritisierten Liberalisierungspolitik? Maria Mies trägt im letzten Abschnitt ihres Buches Entwürfe und Forderungen der Globalisierungsgegner zusammen. Darunter findet sie die Tobin-Steuer, mit der die internationalen Finanzkapitalströme wieder berechenbarer gemacht werden sollen, sowie die demokratische Umgestaltung von IWF und Weltbank. Ein fairer Handel soll etabliert werden und der Verbraucher seinen Konsum an ethischen Kriterien ausrichten. Es sollen neue Allianzen geschaffen werden zwischen Interessengruppen im Norden und Süden. Doch das geht Frau Mies nicht weit genug; sie fordert eine radikale Umkehr zu einer lokal orientierten Wirtschaftsweise:
Die Alternative der Lokalisierung muss notwendigerweise zu einer Wiederbelebung, Stärkung und Konsolidierung lokaler Gemeinwesen führen. Die ökonomische Erneuerung beginnt dort, wo Menschen nicht mehr nur als unverbundene, egoistische gesellschaftliche Atome gesehen werden, wie es der Neoliberalismus predigt, sondern als ein durch viele soziale, kulturelle, politische und vor allem ökonomische Bande miteinander verknüpftes Gemeinwesen, in dem sich die einen um die anderen kümmern.
Der milde Ton setzt einen unvermittelt versöhnlichen Ausklang. Insgesamt jedoch leidet das Buch unter seiner Polemik, seinem martialischen Vokabular, seiner stereotypen Lagerbildung. Damit allerdings steht es nicht allein. Die Polemiken der anderen Seite, der Konzerne und der Institutionen, sind oft nicht weniger stereotyp, nur feinsinniger oder subtiler vorgetragen. Maria Mies will Mitstreiter sammeln für ihre Globalisierung von unten, ihren Kampf gegen die Macht der Konzerne. Unter Wirtschaftwissenschaftlern wird sie damit nicht viele Gefährten finden - dazu ist ihre Argumentation zu oberflächlich, anekdotisch, undifferenziert. Zweifelsohne aber ist es ein prononcierter Beitrag in einer gesellschaftlichen Diskussion, die uns in diesem Jahrhundert noch eine Weile beschäftigen wird.
Jesko Hirschfelds Rezension beschäftigte sich mit dem Buch von Maria Mies: "Globalisierung von unten - Der Kampf gegen die Herrschaft der Konzerne." Es ist erschienen im Rotbuch Verlag, Hamburg, hat 254 Seiten und kostet 26 Mark.