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Maria Theresia
Die Reformerin der Habsburger

Maria Theresia von Habsburg gehört zu den herausragenden Herrscherpersönlichkeiten der Neuzeit. Sie hatte einen ausgeprägten Willen zur Macht, wollte reformieren und verändern, und das gelang ihr auch. Die Widerstände gegen eine Frau an der Spitze im Hause Habsburg waren bei ihrer Regierungsübernahme vor 275 Jahren aber groß.

Von Beatrix Novy |
    Maria Theresia von Österreich auf einer zeitgenössischen Darstellung.
    Maria Theresia von Österreich auf einer zeitgenössischen Darstellung. (Imago / Rust)
    Wien, 20. Oktober 1740. Kaiser Karl VI. ist soeben gestorben. Seine älteste Tochter Maria Theresia hat sich nicht von ihm verabschieden dürfen; seelische Erschütterungen will man nicht riskieren, denn sie ist schwanger. Und vor allem: sie ist die Erbin des Habsburgerreichs.
    "Königin zu Ungarn, Böhmen, Dalmatien, Kroatien, Slawonien; Erzherzogin zu Österreich; Herzogin zu Steyer, Kärnten und Krain, Schlesien, Brabant, Limburg, Luxemburg, Mailand, Mantua, Parma, Piacenza; Markgräfin zu Mähren, Fürstin zu Siebenbürgen; gefürstete Gräfin zu Tirol und Flandern; Markgräfin des Heiligen Römischen Reiches zu Burgau ..."
    Als Maria Theresia am Abend des 20. Oktobers im Thronsaal die Minister ihres Vaters empfing, war es keineswegs sicher, wie viele von den verstreuten Habsburger Besitzungen sie behalten würde. Der venezianische Gesandte in Wien war nicht der einzige, der damals läuten hörte, "dass es mit der Würde des Staates nicht vereinbar sei, von einer Frau regiert zu werden".
    Ein Vorurteil, mit dem Maria Theresia ziemlich schnell fertig werden sollte. Aber im Herbst 1740 hätte noch keiner einen Gulden auf die 23-Jährige gewettet. "Noch weiß ich nicht, ob mir eine Stadt übrigbleiben wird."
    Die männliche Linie war ausgestorben
    Für den ersten Minister Frankreichs, Kardinal Fleury, war sie bereits Luft: "Es gibt keine Habsburger mehr." Denn mit Karl VI. war die männliche Linie des Hauses Habsburg ausgestorben. Allerdings gab es ja die Pragmatische Sanktion, ein Vertragswerk, das die weibliche Erbfolge ermöglichte. Dessen eigentlicher Zweck war es, im komplizierten Verwandtschaftsgefüge der europäischen Herrscherhäuser und der überall lauernden Besitzansprüche die Habsburgischen Besitzungen ungeteilt und dauerhaft zu garantieren. Allerdings konnten sich Verträge überraschend schnell in Luft auflösen. Der Historiker Christian Ortner, Direktor des Wiener Heeresgeschichtlichen Museums, weiß das:
    "Da gibt es einen sehr, sehr wichtigen Satz des damals schon relativ alten Feldherrn Prinz Eugen, der gesagt hat: Die beste Garantie für die Pragmatische Sanktion ist ein gut ausgebildetes, gut ausgerüstetes und finanziell gut dotiertes Heer. Und das ist das Problem: 1740 gab es das nicht."
    Und dieser Prinz Eugen, legendärer Sieger der Türkenkriege, war kurz zuvor gestorben, ohne einen fähigen Nachfolger zu hinterlassen. Österreich war aber nicht nur militärisch verarmt: Es drohten Hungeraufstände, die Staatskasse war leer, unter anderem, weil Karl VI. sich die Zustimmung der europäischen Staaten zur Pragmatischen Sanktion durch militärischen Beistand und andere kostspielige Dienstleistungen hatte erkaufen müssen. Kaum war er tot, zeigten diese Staaten, ob sie unterschrieben hatten oder nicht, ihr aggressives Interesse am scheinbar herrenlosen Reich. Den Monarchen von Bayern und Sachsen fielen sogleich die Erbansprüche ihrer habsburgischen Familienmitglieder ein, Töchter des vor-vorigen Kaisers.
    "Im Prinzip geht es jetzt klassisch um Abwägen von Gewichtungen, alten, ganz alten Ansprüchen beziehungsweise Verträgen – und wir merken das wie heute, dass Verträge manchmal sehr volatil sind."
    Lob vom notorischen Frauenfeind Friedrich
    Auch der frisch gekrönte König Friedrich II., der mit seinem kleinen Preußen Großes vorhatte, machte sich die Mühe, alte Dokumente auszugraben, bevor er den Anspruch auf eine besondere Perle der Habsburger geltend machte: Schlesien. Nötig wäre das nicht gewesen. Schließlich hatte sein Vater ihm eine schlagkräftige Armee hinterlassen.
    "Auf der anderen Seite steht Maria Theresia vor der dummen Situation, dass sie zwar ein Gesetzeswerk hat, dass die meisten anerkannt haben, das sie aber nicht mit militärischen Mitteln untermauern kann, und das ist immer ein Dilemma."
    Aber eben an dieses Gesetzeswerk, an ein unversehrtes Habsburgerreich, fühlte sich Maria Theresia gebunden. Ihre Antwort an den preußischen König war eindeutig: "Die Königin hat nicht die Absicht, ihre Regierung mit der Zerstückelung ihrer Staaten zu beginnen."
    Sachsen, Bayern, Preußen, Frankreich - es war tatsächlich eine Welt von Feinden, gegen die Maria Theresia sich behaupten wollte. Ein Brief an ihren Feldherrn Khevenhüller zeigt ihre Verzweiflung, aber auch das psychologische Geschick einer Frau, die zudem noch - endlich! - den ersehnten Thronfolger geboren hat.
    "Hier hast du eine von der ganzen Welt verlassene Königin vor Augen mit ihrem männlichen Erben; was vermeinst du, will aus diesem Kinde werden? ... Handle, o Held und getreuer Vasall!"
    So begann die lange und durch vielerlei Reformen gekennzeichnete Regierungszeit der Maria Theresia mit Krieg, und er sollte sie lange begleiten. Wie jeder Herrscher im Gerangel der im Entstehen begriffenen europäischen Großmächte nahm sie ihn als unausweichliche Konstante politischen Handelns an, mitsamt den Landgewinnen, die er ihr eintrug. Aber Schlesien ging doch für immer an Preußen verloren. Was sie vom Landräuber und notorischen Frauenfeind Friedrich bekam, hielt der für ein Lob: Sie sei der einzige Mann im Hause Habsburg.