"Die 60er werden viel zu sehr verklärt. Denn im Grunde haben wir gegen nichts rebelliert. Es ging nur um lange Haare und Drogen – eine riesige Energieverschwendung. Dabei hätten wir richtig gute Dinge bewerkstelligen können. Nur: Das haben wir nicht."
Marianne Faithfull ist kein nostalgischer Mensch. Dafür sieht sie sich zu sehr als Opfer der 60er. Eine Dekade, in der die gebürtige Baroness von Sacher-Moser zum Popstar, zur Geliebten von Mick Jagger, zum Bürgerschreck und somit zur Rebellin wurde. Alles wegen der Sensationslust der britischen Medien und – so sagt sie - der damaligen Doppelmoral, die es nur Männern erlaubte, wilde Partys zu feiern, nicht aber Frauen. Und weil ihr berühmter Partner von den Rolling Stones kein Rückhalt nach einer Fehlgeburt war, hat sie ihn verlassen. Selbst wenn sie "ihren Mick" nach wie vor attraktiv findet.
"Ein bisschen. Er ist OK. Aber wen ich wirklich liebe, ist Keith. Er ist freundlicher als Mick."
Jahre als Junkie und Obdachlose
"Sister Morphine" – der einzige Song, den Marianne Faithfull mit den Stones geschrieben hat. Und der für sie das Ende der Swinging Sixties markiert. Danach folgten Jahre als Junkie und Obdachlose, die sie ihre Jugend und Gesundheit gekostet haben. Aus dem blonden Engel wurde ein abschreckendes Beispiel für den Rock´n´Roll-Lifestyle. Erst Anfang der 80er – nach ihrem Comeback-Album "Broken English" – bekommt sie ihr Leben, ihre Karriere und später auch ihre Drogensucht in den Griff.
"Ich weiß nicht mehr, warum ich damals Drogen genommen habe. Ich muss eine gewisse Leere gespürt haben. Oder da war etwas in mir, das ich mit Drogen heilen wollte. Heute kann ich es nicht fassen, dass ich das getan, geschweige denn genossen habe. Aber ich schätze, das habe ich."
Comeback nach dem Album "Broken English"
Nach "Broken English" hat sie 15 Alben veröffentlicht, ist viel getourt, hat sich an Jazz, Blues und Cabaret versucht und ihre Liebe zu Brecht/Weill entdeckt. Außerdem wurde sie zu einer gefragten Schauspielerin mit Aufritten in TV-Serien wie "Absolutely Fabulous" und Arthaus-Dramen wie "Irina Palm".
"Es gibt nicht viele Sänger, die schauspielern können. Und ich bin erst in den letzten 10, 15 Jahren richtig gut geworden. Davor habe ich lange nicht die Rollen bekommen, die ich wollte. In den 60ern waren zwar ein paar tolle Sachen dabei, aber dann wurde es übel – wie alles in meinem Leben."
"Ich ziehe mich nicht zurück, lasse es aber lockerer angehen"
Dass sie mit 70 noch so aktiv ist, hat einen simplen Grund: Marianne Faithfull hat nie Geld gespart, ist gesundheitlich schwer angeschlagen und wohnt im teuersten Arrondissement von Paris. Da, wo eine Tasse Kaffee in ihrem Lieblingsbistro an der Rue Saint Honoré stolze 10 Euro kostet. Luxus, der finanziert werden will:
"Ich kann nicht mehr so viel Touren wie früher. Das wird immer schwieriger. Aber: Ich habe nicht vor, die Musik an den Nagel zu hängen. Die alten Blues-Sänger und Künstler wie Juliette Gréco arbeiten ja auch noch mit 80. Von daher ziehe ich mich nicht zurück, lasse es aber ein bisschen lockerer angehen."