Ein altes Bauernhaus mit Blick in ein weites, grünes Tal. Hinter dem Haus wachsen im Garten Tomaten, Zucchini, Paprika, Bohnen und anderes Gemüse, sattes Grün bis zum Horizont, Landidylle. Einen Hektar bewirtschaften Marica und Iwán, Landwirte wie aus dem Bilderbuch. Im Stall grunzen die Schweine, gegenüber gackern die Hühner. Die kräftige Marica bringt frisches Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten, Wurst, Schinken und ihr noch warmes, selbstgebackenes Brot in die Gartenlaube. Iwan schenkt aus einer 5-Liter-Flasche Rotwein nach. "Mein eigener", sagt er und strahlt stolz.
Arbeit von früh bis spät. Zum Leben reicht es trotzdem nicht. Im bergigen Osten Sloweniens müssen immer mehr Kleinbauern aufgeben. Die zahlreichen Filialen der großen Supermarktketten, sei es Spar, Lidl oder die österreichische Aldi-Variante Hofer, verkaufen das mit viel Chemie hergestellte billige Gemüse aus Andalusien und Süditalien.
Slowenische Produkte gibt es in den Mariborer Supermärkten kaum noch. Und wenn, dann sind sie teurer als die Importware. Das meiste Geld verdient daran der Handel: Von einem Brot, das im Laden einen Euro kostet, bekommen die Bauern höchstens sieben Cent.
Das Kulturhauptstadt-Projekt "Urbane Furchen" will den verbliebenen heimischen Kleinbauern neue Perspektiven schaffen, erklärt Projektleiterin Marta Gregorčič:
"Das Programm "Städtische Furchen" basiert auf der Theorie der Sozialökologie, die Daniel Tschedorkov und Muraj Bobtschin in Vermont entwickelt haben. Wir verstehen uns als eifrige Forscher, die mit verschiedenen Gruppen arbeiten; also mit Bauern, mit Schulen, mit Kindern und so weiter. Unsere Ideen stammen zum Teil aus ausländischen Projekten, aber zum Teil entwickelten sie sich auch aus den Bedürfnissen der Menschen hier."
Die rasante Industrialisierung der Landwirtschaft und den Strukturwandel auf dem Lande haben die meisten Regionen Westeuropas schon hinter sich. Die Folgen sind bekannt: große Felder mit öden Monokulturen, ausgelaugte Böden, Massentierhaltung, Lebensmittelskandale. In den osteuropäischen Ländern, in denen die private bäuerliche Landwirtschaft den Staatssozialismus überlebt hat, ist dieser Prozess jetzt in vollem Gang. In Ungarn, Polen, Rumänien, Bulgarien und eben auch in Slowenien müssen sich die Bauern den Spielregeln des EU-Agrarmarkts anpassen: Teure Investitionen in moderne Maschinen und Produktionsanlagen können sich – wenn überhaupt- nur die Großen leisten:
"Während der Forschungsarbeiten in der Umgebung von Maribor haben wir den Ort Jurovski Dol gefunden. Das ist ein kleines Dorf in Slovenski Gorice, das verschiedene eigene Kulturprojekte entwickelt hat. Jetzt wollen die Einwohner den Handel im Dorf alternativ umgestalten. Sie wollen Maribor mit frischen, saisonalen Lebensmitteln vom Land beliefern. Und wir wollen ihnen helfen, ein städtisches Verteilungszentrum aufzubauen, damit sie ihre Waren den Bürgern von Maribor anbieten können."
Marta Gregorčič und ihren Kolleginnen und Kollegen geht es um mehr als ein Dorf und eine Stadt. Sie wollen den Menschen helfen, ihre Interessen selbst in die Hand zu nehmen. In Maribor planen sie zum Beispiel eine Schrebergartensiedlung mit Gemeinschaftshaus, die die Nutzer gemeinsam organisieren und verwalten. Vor allem Arbeitslosen und Benachteiligten wollen sie so Alternativen zu Resignation und Vereinzelung bieten.
Ein mühsamer Prozess. Die junge Schriftstellerin und Projektmitarbeiterin Natascha Kramberger ist in Jurovski Dol aufgewachsen. Über ihre Kontakte konnten die "Städtischen Furchen" in dem Dorf Wurzeln schlagen:
"Die Bauern hier haben schon zu viel Arbeit und die Jungen wollen raus aus Jurovski Dol. Wir helfen jetzt den Bauern, die das wollen, um vielleicht Tourismus oder auch verschiedene andere Infrastruktur zu machen, zu bilden, und wirklich einen besseren Platz hier in Jurovski Dol zu machen. Hier haben wir jetzt so ein Dorf, wo man nur schläft."
Inzwischen sind zumindest hier viele aufgewacht. Acht Bauern machen schon mit, darunter Marica und Iwán. Viele weitere haben Interesse bekundet. Ihre frischen Produkte wollen sie direkt an Schulen und Kindergärten verkaufen. Der Kampf mit der Bürokratie und ihren Vorschriften bleibt mühsam.
Natascha Kramberger: "Schulministerium sagt O.K., dieses Gemüse und dieses Brot, dieser Käse kann in unseren Schulen verkauft werden. Ich denke, das ist wirklich das Wichtigste hier in diesem Projekt, dass wir alle, auch Ministerium und nicht nur das Schulministerium, als auch die Wissenschaft und Ökonomie und alles – dass wir jetzt zusammenarbeiten."
Urban Furrows, die "Städtischen Furchen", sucht neben neuen Absatzwegen für die Produkte der Kleinbauern auch nach Alternativen, um Einkommen in die Dörfer zu bringen, zum Beispiel die "Bags of Stories", die Taschen voller Geschichten: Dorfbewohner nähen Taschen aus alten Kleidungsstücken und bestücken sie mit Zetteln, die die Geschichte dieses recyclten Kleidungsstücks erzählen. Natascha Kramberger, Projektmitarbeiter und Dorfbewohner verkaufen die Taschen auf Messen, Festivals und in Läden:
"Wir waren auch schon in Wien und jetzt arbeiten wir mit Frauen, die belästigt worden sind. Diese Frauen können nicht über diese Probleme sprechen, deswegen schreiben sie jetzt Geschichten über Röcke, über T- Shirts und Textilien. Das hilft, über diese Probleme zu sprechen und sich besser zu fühlen."
Kulturhauptstadt Maribor - Kann ein Titel Wendepunkt sein? - Corso-Spezial: Kulturhauptstadt 2012
Arbeit von früh bis spät. Zum Leben reicht es trotzdem nicht. Im bergigen Osten Sloweniens müssen immer mehr Kleinbauern aufgeben. Die zahlreichen Filialen der großen Supermarktketten, sei es Spar, Lidl oder die österreichische Aldi-Variante Hofer, verkaufen das mit viel Chemie hergestellte billige Gemüse aus Andalusien und Süditalien.
Slowenische Produkte gibt es in den Mariborer Supermärkten kaum noch. Und wenn, dann sind sie teurer als die Importware. Das meiste Geld verdient daran der Handel: Von einem Brot, das im Laden einen Euro kostet, bekommen die Bauern höchstens sieben Cent.
Das Kulturhauptstadt-Projekt "Urbane Furchen" will den verbliebenen heimischen Kleinbauern neue Perspektiven schaffen, erklärt Projektleiterin Marta Gregorčič:
"Das Programm "Städtische Furchen" basiert auf der Theorie der Sozialökologie, die Daniel Tschedorkov und Muraj Bobtschin in Vermont entwickelt haben. Wir verstehen uns als eifrige Forscher, die mit verschiedenen Gruppen arbeiten; also mit Bauern, mit Schulen, mit Kindern und so weiter. Unsere Ideen stammen zum Teil aus ausländischen Projekten, aber zum Teil entwickelten sie sich auch aus den Bedürfnissen der Menschen hier."
Die rasante Industrialisierung der Landwirtschaft und den Strukturwandel auf dem Lande haben die meisten Regionen Westeuropas schon hinter sich. Die Folgen sind bekannt: große Felder mit öden Monokulturen, ausgelaugte Böden, Massentierhaltung, Lebensmittelskandale. In den osteuropäischen Ländern, in denen die private bäuerliche Landwirtschaft den Staatssozialismus überlebt hat, ist dieser Prozess jetzt in vollem Gang. In Ungarn, Polen, Rumänien, Bulgarien und eben auch in Slowenien müssen sich die Bauern den Spielregeln des EU-Agrarmarkts anpassen: Teure Investitionen in moderne Maschinen und Produktionsanlagen können sich – wenn überhaupt- nur die Großen leisten:
"Während der Forschungsarbeiten in der Umgebung von Maribor haben wir den Ort Jurovski Dol gefunden. Das ist ein kleines Dorf in Slovenski Gorice, das verschiedene eigene Kulturprojekte entwickelt hat. Jetzt wollen die Einwohner den Handel im Dorf alternativ umgestalten. Sie wollen Maribor mit frischen, saisonalen Lebensmitteln vom Land beliefern. Und wir wollen ihnen helfen, ein städtisches Verteilungszentrum aufzubauen, damit sie ihre Waren den Bürgern von Maribor anbieten können."
Marta Gregorčič und ihren Kolleginnen und Kollegen geht es um mehr als ein Dorf und eine Stadt. Sie wollen den Menschen helfen, ihre Interessen selbst in die Hand zu nehmen. In Maribor planen sie zum Beispiel eine Schrebergartensiedlung mit Gemeinschaftshaus, die die Nutzer gemeinsam organisieren und verwalten. Vor allem Arbeitslosen und Benachteiligten wollen sie so Alternativen zu Resignation und Vereinzelung bieten.
Ein mühsamer Prozess. Die junge Schriftstellerin und Projektmitarbeiterin Natascha Kramberger ist in Jurovski Dol aufgewachsen. Über ihre Kontakte konnten die "Städtischen Furchen" in dem Dorf Wurzeln schlagen:
"Die Bauern hier haben schon zu viel Arbeit und die Jungen wollen raus aus Jurovski Dol. Wir helfen jetzt den Bauern, die das wollen, um vielleicht Tourismus oder auch verschiedene andere Infrastruktur zu machen, zu bilden, und wirklich einen besseren Platz hier in Jurovski Dol zu machen. Hier haben wir jetzt so ein Dorf, wo man nur schläft."
Inzwischen sind zumindest hier viele aufgewacht. Acht Bauern machen schon mit, darunter Marica und Iwán. Viele weitere haben Interesse bekundet. Ihre frischen Produkte wollen sie direkt an Schulen und Kindergärten verkaufen. Der Kampf mit der Bürokratie und ihren Vorschriften bleibt mühsam.
Natascha Kramberger: "Schulministerium sagt O.K., dieses Gemüse und dieses Brot, dieser Käse kann in unseren Schulen verkauft werden. Ich denke, das ist wirklich das Wichtigste hier in diesem Projekt, dass wir alle, auch Ministerium und nicht nur das Schulministerium, als auch die Wissenschaft und Ökonomie und alles – dass wir jetzt zusammenarbeiten."
Urban Furrows, die "Städtischen Furchen", sucht neben neuen Absatzwegen für die Produkte der Kleinbauern auch nach Alternativen, um Einkommen in die Dörfer zu bringen, zum Beispiel die "Bags of Stories", die Taschen voller Geschichten: Dorfbewohner nähen Taschen aus alten Kleidungsstücken und bestücken sie mit Zetteln, die die Geschichte dieses recyclten Kleidungsstücks erzählen. Natascha Kramberger, Projektmitarbeiter und Dorfbewohner verkaufen die Taschen auf Messen, Festivals und in Läden:
"Wir waren auch schon in Wien und jetzt arbeiten wir mit Frauen, die belästigt worden sind. Diese Frauen können nicht über diese Probleme sprechen, deswegen schreiben sie jetzt Geschichten über Röcke, über T- Shirts und Textilien. Das hilft, über diese Probleme zu sprechen und sich besser zu fühlen."
Kulturhauptstadt Maribor - Kann ein Titel Wendepunkt sein? - Corso-Spezial: Kulturhauptstadt 2012