Das mit Facebook und Datenschutz ist ein leidiges Thema. Seit Jahren ist eigentlich den meisten klar, dass das Unternehmen nicht nur nicht sorgfältig mit Nutzerdaten umgeht, sondern es aktiv zu seinem Geschäftsmodell gehört, diese aggressiv zu sammeln und zu verkaufen.
Pop-up weggeklickt – und schon sind Kontakte preisgegeben
Erst jüngst bekamen wir durch veröffentlichte interne Emails einen Einblick darin, wie Facebook auf die SMS- und Anrufdaten aller Android-User zugreifen konnte. Einziger Einwand des Privacy-Teams von Facebook dagegen war: Wenn das rauskommt, wird das ein PR-Desaster. Facebook hat es umgesetzt und jeder, der ein harmloses Pop-up weggeklickt hat, hat alle seine Kontakte an Facebook preisgegeben. Jetzt ist es rausgekommen, und was ist? Nichts Besonderes. Die, die Facebook eh nicht nutzen, zucken mit den Schultern und sagen: "Ich habe es euch doch gesagt". Die, die Facebook nutzen, wissen zwar, dass das irgendwie schlecht ist aber naja…
Warum eigentlich? Warum nutzen wir alle einen Dienst, der offensichtlich nicht nur seiner Verantwortung mit Nutzerdaten nicht gerecht wird? Sondern der diese Daten auch noch nutzt, um Propaganda zu verbreiten und sogar Wahlen zu manipulieren?
Die Gefahr erscheint sehr abstrakt
Es liegt daran, dass die Gefahr, dass unsere Daten abgegriffen werden sehr abstrakt erscheint. Was heißt das schon, meine Daten werden abgegriffen? Wie schränkt es mein Leben real ein, dass mir personalisierte Werbung angezeigt wird? Ich verstehe zwar die abstrakte Gefahr des Verlustes meiner Privatsphäre, irgendwo in einer theoretischen Zukunft, aber ich sehe und fühle davon nichts. Auf der anderen Seite steht der sehr reale Nutzen, sich mit Freunden und Familie auszutauschen, einen Nachrichtenkatalog geliefert zu bekommen und der sehr basale Belohnungsmechanismus, der bewirkt, dass ein Glückshormon ausgeschüttet wird, schon wenn ich nur das Gefühl habe, jemand könnte meine Postings lesen. Theoretische Überlegungen werden nie stärker sein als diese sehr grundlegenden biologischen Belohnungsprozesse. Und immerhin ist das ganze System dafür designed, dass wir es wieder und wieder nutzen wollen.
Dabei sind die Gefahren durchaus sehr echt. Nur wenn sie manifest werden, weil die Welt, in der wir leben, sich ändert, wird es zu spät sein. Wenn ein monopolistisches Unternehmen mit überstaatlicher Macht bestimmt, was in den Nachrichten steht… Wenn faschistische Regierungen an die Macht kommen, deren Anhänger online seit Jahren nur noch einseitige Propaganda gefüttert bekommen haben… Wenn diese faschistische Regierung dann Zugriff auf alle Ihre Daten hat, Ihre Abstammung, Ihre politische Gesinnung… Dann kann man daran nichts ändern.
Facebook zur Interoperabilität zwingen
Muss man Facebook verlassen? Es gibt eine Alternative, die allerdings viel Engagement voraussetzt. Denn wir sehen, dass schon jetzt Propaganda und Falschnachrichten viel aktiver geteilt werden als Richtigstellungen und Artikel vertrauenswürdiger Medien. Dieser Mechanismus würde natürlich noch viel stärker werden, je mehr vernünftige Menschen die Plattform verlassen. Dabei ist Facebook immer noch sehr mächtig und in einigen Ländern praktisch synonym mit dem Internet. Um es zu verändern, braucht es Regulierung. Das Problem an Facebook ist, dass es quasi ein Monopol ist. Genau wie alle sozialen Medien, die nicht sterben.
Klar, jeder möchte dort sein, wo alle seine Freunde sind. Schön wäre es doch, wenn man nicht Nutzer bei Facebook sein müsste, um etwas zu posten, das von Facebooknutzern gelesen wird. Und dass man deren Beiträge lesen könnte. Ohne die eigenen Daten zu teilen. Das heißt Interoperabilität und ist etwas, das Facebook nicht freiwillig zulassen wird. Aber man kann es politisch durchaus dazu zwingen. Wir sind Teil eines großen politischen Verbundes einer halben Milliarde Menschen. Wir können ein großes Unternehmen zu etwas zwingen. Der politische Wille muss nur da sein. Also wenn Sie weiterhin Ihren Gewohnheiten nachgehen wollen und eine gefährliche Plattform benutzen wollen – werden Sie wenigstens aktiv und fordern Sie von Ihren Abgeordneten, dass große soziale Plattformen ihre Schnittstellen öffnen sollen. Außerdem sind Sie in der Pflicht, die Nachrichten, die Sie teilen, zu prüfen. Hass zu widersprechen, wo immer er Ihnen begegnet. Opfern beizustehen. Das beseitigt bei Weitem nicht alle Probleme. Aber es ist ein Anfang. Was man nicht aufgeben will, muss man zumindest gestalten.