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Marina Weisband
Schule digital: Panisches Wegsehen hilft nicht

Junge Lehrerinnen und Lehrer sind gegenüber digitalen Medien nicht offener eingestellt als ältere. Diese Erfahrung macht unsere Kolumnisten Marina Weisband bei ihrer Arbeit. Eine Ursache dieser – für sie überraschenden Beobachtung – ist offenbar die Berichterstattung klassischer Medien über das Thema.

Von Marina Weisband |
30.04.2018, Bayern, Abensberg: Grundschüler arbeiten in der Grundschule Offenstetten an einer interaktiven digitalen Schultafel. Die Grundschule nimmt am Schulversuch «Digitale Schule 2020» der Stiftung Bildungspakt Bayern teil.
"Wir brauchen einen Ort, wo wir Kindern den mündigen und umsichtigen Umgang mit neuen Medien vermitteln" - meint Kolumnistin Weisband (dpa/ Armin Weigel)
Es ist nicht leicht, Schulentwicklung für das digitale Zeitalter zu betreiben. Das ist es, was ich hauptberuflich mache. Wenn mein Projekt demokratische Beteiligung mit Hilfe einer digitalen Plattform umsetzen will, stoßen wir oft auf Gegenwehr von Lehrerinnen und Lehrern. In ihrem stressigen Arbeitsalltag möchten viele nicht auch noch mit unbekannten Medien hantieren.
In einer digitalisierten Welt kritisches Denken schulen
Zeitgemäße Bildung bedeutet nicht nur Arbeit mit digitalen Medien, aber sie meidet sie natürlich nicht. Es geht nicht darum, dass wir Kindern Tablets nur deshalb vor die Nase setzen, um den Unterricht modern aussehen zu lassen.
Es geht darum, dass in einer digitalisierten Welt Fähigkeiten wie Zusammenarbeiten, Kommunizieren, Kreativität und kritisches Denken geschult werden müssen. Und vieles davon ist mit Hilfe moderner Mittel leichter. Schülerinnen und Schüler können so zum Beispiel im Rahmen von Übungen und Projekten leichter Material produzieren, das anderen Schulen zugutekommt – sogar Schulen in anderen Ländern. Und in einer Zeit, in der ein großer Teil des Lebens nun mal online stattfindet, brauchen wir einen Ort, wo wir Kindern den mündigen und umsichtigen Umgang mit neuen Medien vermitteln.
Überraschend mehr Vorbehalte bei den jüngsten Lehrenden
Leider ist derzeit in mehreren Ländern im Gegenteil sogar in der Diskussion, Smartphones in der Schule zu verbieten. Die Schüler würden damit nur daddeln, sagen die älteren Kollegen dann oft. Dabei braucht es ja gerade didaktische Begleitung, um zu lernen, wie man ein mächtiges Werkzeug sinnvoll nutzt.
An Schulen wird oft folgende Hoffnung laut: Wenn jetzt die jüngeren KollegInnen zu uns kommen, dann wird alles besser. Die bringen das technische Know-how mit, denn sie sind ja jünger, damit können sie es automatisch. Leider beobachten wir in der letzten Zeit einen genau umgekehrten Trend: Unter den jüngsten LehrerInnen und LehramtstudentInnen sind die Vorbehalte gegen das Smartphone noch viel größer als bei den KollegInnen mittleren Alters. Das hat mich zunächst sehr überrascht. Ein befreundeter Lehramtsstudent erklärte es mir.
Berichterstattung über digitale Medien: oft unsachlich panisch
Es ist die mediale Berichterstattung. Das heutige Feuilleton lebt von einer vermeintlich kritischen, oft aber einfach unsachlich panischen Reflexion der Entwicklung digitaler Medien, die oft komplett mit zwei großen Konzernen gleichgesetzt werden.
Landauf landab wird der Psychiater Manfred Spitzer zitiert und in Talkshows eingeladen, obwohl seine wissenschaftliche Methode keiner gründlichen Überprüfung standhält. Aber egal, denn er hat eine sehr starke Meinung. Und die ist in einer Talkshow wichtiger als tatsächliche Fakten. Mehr noch, er hat eine Meinung, die bei vielen JournalistInnen einen Nerv trifft. Nämlich dass das gute alte Fernsehen natürlich einem Smartphone überlegen ist, das durch seine bloße Präsenz automatisch dumm macht (übertriebene Paraphrase).
Natürlich ist eine sich wandelnde Medienwelt erstmal verunsichernd. Das war sie jedes Mal und man kann auf Jahrhunderte von panischen Artikeln blicken, die den Roman, die aufgezeichnete Musik, das Kino, den Tonfilm und natürlich das Fernsehen für alle Versäumnisse der verkommenen Jugend verantwortlich machen.
Auch Massenmedien schulen unsere Pädagogen
Nur können wir uns dieses Diskussionsniveau gerade nicht leisten, schon gar nicht an Schulen. Denn unser aller Leben ist immer mehr von Digitalisierung und Automatisierung geprägt. Je mehr Menschen sich dem entziehen oder durch das Bildungssystem entzogen werden, desto weniger Menschen werden diesen Wandel gestalten. Die wenigen Gestalter werden überproportional viel Macht bekommen über den Rest. Panisches Wegsehen hilft also nicht. Sondern Persönlichkeitsentwicklung, Konstruktivität und praktische Arbeit mit den Medien.
Vor dieser Aufgabe stehen auch diejenigen, die unsere Pädagogen schulen. Und das sind nicht nur Pädagogikprofessoren. Das sind auch die Massenmedien. Denn durch sie lernen die Lehrerinnen und Lehrer von morgen viel mehr über die digitale Welt als im Studium. Die Massenmedien prägen nicht nur unsere Sicht auf diesen Wandel, sondern auch den derjenigen, die uns durch diesen Wandel führen sollen.