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Marina Weisband
"Wir malen uns einen fiktiven Trump als sabberndes Monster"

Die Kritiker von Trump laufen oftmals in die exakt selbe Falle wie seine Fans, meint Marina Weisband in ihrer Kolumne. Wir würden unser Weltbild in unserer Verachtung auf sie größtenteils aus gegenseitiger Selbstbestätigung, moralischer Überlegenheit und Schwarzweiß-Denken erstellen.

Von Marina Weisband |
    US-Präsident Donald Trump spricht im Diplomatic Reception Room im weißen Haus in Washington (USA)
    Wir verachten die Tweets von US-Präsident Donald Trump und finden, dass er gar nicht twittern sollte - "trotzdem diskutieren wir jeden einzelnen", kritisiert Marina Weisband (AP / dpa / Evan Vucci)
    Haben Sie schon von diesem saftigen neuen Buch gehört, "Fire and Fury"? Da rechnet ein Journalist richtig mit dem Weißen Haus ab! Das ist alles super chaotisch da! Da erzählt zum Beispiel ein Mitarbeiter, dass er Trump die Verfassung erklären musste und nur bis zum vierten Zusatzartikel gekommen ist, bevor Trump sichtbar gelangweilt war. Köstlich! Aber hier sind ein paar andere Fakten.
    "Unangenehme, unpassende Tatsachen"
    Dass das Weiße Haus sich stark professionalisiert hat und seine Agenda mit bisher nicht dagewesener Konsequenz verfolgt. Dass viele Menschen, die Trump besuchen, nicht den wütenden Vollidioten antreffen, den sie erwarten, sondern einen alles in allem angenehmen und halbwegs informierten Menschen. Das sind unangenehme, unpassende Tatsachen. Aber es ist wichtig, sie mal anzusprechen, um etwas zu illustrieren: Die Kritiker von Trump laufen oftmals in die exakt selbe Falle, wie seine Fans und seine Hofberichterstatter, wie Fox News.
    Wir tadeln sie dafür, dass sie die Welt in Gut und Böse unterteilen, anstatt sich mit widersprüchlichen Fakten auseinander zu setzen und komplexe Situationen zu analysieren. Und dass sie ein Skandälchen nach dem anderen produzieren, um Aufmerksamkeit zu generieren. Gleichzeitig erstellen wir unser Weltbild in unserer Verachtung auf sie größtenteils aus gegenseitiger Selbstbestätigung, moralischer Überlegenheit und Schwarzweiß-Denken.
    Wir malen uns einen fiktiven Trump als sabberndes Monster, als trotziges Kleinkind, das kaum lesen kann, und dann klopfen wir uns gegenseitig auf die Schulter, wenn wir einen guten Witz darüber reißen. Wir verachten seine Tweets und finden, dass er gar nicht twittern sollte - trotzdem diskutieren wir jeden einzelnen und jagen ihn die Schlagzeilen rauf und runter. Durch den Wirbel um das Gossip-Buch "Fire and Fury" wird das so deutlich wie noch nie.
    "Wir jagen jedem Skandal nach"
    Das Problem beschränkt sich keinesfalls auf Trump. Wollen wir in Deutschland bleiben, müssen wir uns nur unseren Umgang mit der AfD anschauen. Einige AfD-PolitikerInnen haben in der vergangenen Woche Tweets verfasst, die rassistische Schmähungen und Beleidigungen enthielten. Diese Tweets wurden gelöscht und darüber gab es drei Milliarden Artikel, Fernseh- und Radiobeiträge, in denen natürlich alle rassistischen Schmähungen und Beleidigungen fein wörtlich wiederholt wurden, damit auch jeder sie gehört hat.
    Statt nur ihre Anhänger zu erreichen, erreicht die AfD so das ganze Land, das sich auch noch moralisch überlegen fühlt, weil es mit dem Finger auf jemanden zeigen kann. Wir feiern Künstler, die AfD-Politiker trollen. Wir jagen jedem Skandal nach. Gerne betrachten wir uns zwar als die, die sich über die Medien hauptsächlich informieren wollen - dabei wollen wir Geschichten hören. Geschichten, in denen die AfD böse ist und wir gut. Das hat alles Potential, die tatsächliche Gefahr einer solchen Partei durch ihren Unterhaltungswert herunter zu spielen.
    "So zerstören Populisten unseren Diskurs"
    Seien es Trump, AfD-Politikerinnen oder irgendwelche Stars, die schon zu lange nicht mehr im Fernsehen waren und Skandälchen setzen - sobald irgend jemand ein Stöckchen hin hält, wird brav drüber gesprungen. So zerstören Populisten unseren Diskurs - indem sie ein Niveau vorgeben, auf das wir uns bei der Berichterstattung herablassen. Und dort verbleiben. Auch wenn die Populisten schon lange wieder weg sind.
    Wir können politische Randerscheinungen nicht bis zur Unkenntlichkeit dämonisieren, indem wir jede Aussage umso mehr beachten, je absurder sie ist. Wir sind schon jetzt an einem Punkt, an dem die Welt völlig frei zu drehen scheint. Dabei ist sie wie immer. Wir beachten bloß den größten Mist, weil er mehr Klicks bringt.