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Marine Hitzewelle "The Blob"
Todesurteil für Meeresbewohner

Fünf Jahre lang litt der US-Bundesstaat Kalifornien unter einer Rekorddürre. Auch der Pazifik vor der nordamerikanischen Westküste erlebte in dieser Zeit eine massive Hitzewelle, die schwerwiegende ökologische und ökonomische Folgen hatte - für Forscher ein Menetekel für die Zukunft.

Von Volker Mrasek |
    Ein Buckelwal dicht unter der Meeresoberfläche im Pazifik
    Rund vier mal mehr tote Wale als bisher - die Aufheizung der Meere löst offenbar verheerende Kettenreaktionen aus (imago/imagebroker)
    "The blob" taufte man sie am Ende - "den Klecks": eine Meereszone vor der nordamerikanischen Pazifikküste, die außerordentlich lange unter einer marinen Hitzewelle litt. "Klecks" oder "Fleck" ist dabei reichlich untertrieben! Das muss auch Nate Mantua zugeben, Fischerei-Forscher bei der NOAA, der US-Fachbehörde für Ozean und Atmosphäre:
    "Der Klecks reichte von Alaska bis hinunter nach Mexiko, und draußen im Ozean bis hinaus nach Hawaii. Ein Gebiet von mehreren Millionen Quadratkilometern. An manchen Stellen war das Meer zeitweilig sieben Grad wärmer als normal. Das Ganze dauerte über zweieinhalb Jahre - bis zum Sommer 2016."
    Auslöser war ein Dauer-Hochdruckgebiet über dem Golf von Alaska. Es verstellte arktischen Winterstürmen den Weg und verhinderte, dass sie den Nordost-Pazifik wie gewohnt durchmischen. Dadurch gelangte kein nährstoffreiches Tiefenwasser mehr an die Oberfläche. Grünalgen und Plankton-Krebse - als "Krill" bekannt - gingen massiv zurück, die Nahrungskette im Meer brach zusammen.
    Die Folgen für das Ökosystem waren dramatisch, wie Mantua und andere Forscher jetzt auf einer Fachkonferenz in Washington schilderten. Darunter auch William Sydeman, Ökologe am Farallon-Institut für Meeresforschung in Kalifornien:
    "Während des Blobs sind massenhaft Seevögel gestorben. In einem Zeitraum von fünf bis sechs Monaten wurden 60.000 Kadaver von Trottellummen aufgesammelt. Diese Vögel ernähren sich von kleinen Fischen und von Krill. Wir schätzen, dass insgesamt 300.000 von ihnen verhungert sein könnten."
    Hitzewelle trieb die Wale an die Küste
    Krill und kleine Fische wie Anchovis sind auch die Hauptnahrung von Walen. Weil es draußen auf See nicht mehr genug Beute für sie gab, zog es die Tiere während der Hitzewelle an die Küste. Doch dort wimmelt es von Käfigfallen am Meeresboden. Mit ihnen fangen Fischer den begehrten Kalifornischen Taschenkrebs. Die Fallen sind über Leinen mit Bojen an der Wasseroberfläche verbunden. Und viele Wale rauschten laut Fischereiforscher Mantua in die Taue, rissen sie ab und verhedderten sich dann darin:
    "Normalerweise geraten nur wenige Wale in diese Leinen, höchstens 15 oder 20 pro Saison. 2015 waren es aber 61 und im Jahr darauf sogar 71. Das heißt: Während der extremen Warmphase lag die Zahl der Fälle viel, viel höher."
    Und das sind nur die beobachteten Fälle. Vermutlich liegt die Zahl verhedderter Meeressäuger viel höher.
    Betroffen waren vor allem Buckelwale. Mehrmals wurden aber auch Blauwale gesichtet, die solche Leinen nicht mehr loswurden und mit sich schleppten:
    "Die Wale können sich verletzen. Sie werden vielleicht langsamer und müssen mehr Energie für die Fortbewegung aufwenden, wenn sie verheddert sind. Und manche sterben auch daran."
    Meere heizen sich immer mehr auf
    Auch die Krabbenfischer kamen durch die marine Hitzewelle zu Schaden. Denn von den stark erhöhten Wassertemperaturen profitierten ausgerechnet Gift produzierende Kieselalgen. Ihre Zahl explodierte zeitweilig, und die Fischer konnten keine Krebse mehr loswerden. Der NOAA-Ozeanograph Michael Jacox:
    "Man spricht auch von einer 'schädlichen Algenblüte'. 2015 gab es eine, die sich die komplette US-Westküste hochzog. Das Gift, das die Algen produzierten, wurde auch in den Taschenkrebsen gefunden, und die Fischerei musste monatelang eingestellt werden. Der Blob hatte also nicht nur ökologische Folgen, sondern auch ökonomische."
    Für die Forscher ist der Blob ein Menetekel für die Zukunft. Durch den Klimawandel heizen sich auch die Meere immer mehr auf, Windströmungen in der Atmosphäre verändern sich:
    "Nach unseren Modellrechnungen wäre eine solche Hitzewelle vor - sagen wir - einhundert Jahren noch überhaupt nicht möglich gewesen. Doch jetzt wächst die Wahrscheinlichkeit für derartige Extreme."