Die beispiellose Welterschütterung des Ersten Weltkriegs stürzt Europa in eine schwere intellektuelle Krise. Der Glaube an die Moderne, welcher der Belle Epoque zugrunde gelegen hat, ist ruiniert. Das schafft günstige Bedingungen für eine Denkart, die heute als "Traditionalismus" bezeichnet wird - und die mit ihrer Ablehnung der Moderne unter den damaligen Bedingungen für eine gewisse Aufmerksamkeit sorgt.
In einer ebenso umfassenden wie detaillierten Studie widmet sich der britische Historiker Mark Sedgwick dieser esoterischen Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts. Ihr Titel "Gegen die moderne Welt" zitiert ein Werk des italienischen "Barons" und Faschisten Julius Evola, der zu den Bewunderern Guénons gehört – und es zeigt teils überraschende Verbindungen auf, die der spezifische "Traditionalismus" mit Persönlichkeiten der Moderne unterhält, mit Ralph Waldo Emerson, William Butler Yeats, Aldous Huxley, André Gide, T. S. Eliot und sogar mit Prinz Charles.
Einfluss okkultistischer und freimaurerischer Zirkel
René Guénon, Franzose und Begründer dieses "Traditionalismus", Sohn eines Schadenregulierers bei einer Versicherungsgesellschaft, wird 1886 in Bloire geboren, einer Kleinstadt an der Loire, wo er auch aufwächst. Später studiert er in Paris Mathematik und Philosophie. In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, beeinflusst von diversen okkultistischen und freimaurerischen Zirkeln, nimmt er ein Werk der "Erneuerung" in Angriff, das ganz im Zeichen der Tradition steht – paradoxerweise, möchte man meinen. Tatsächlich aber kann einer, der die Gegenwart ablehnt, sich gleichermaßen auf die Zukunft oder auf die Vergangenheit berufen. Guénon entscheidet sich für Letzteres – und macht den Traditionalismus damit zu einer wichtigen Quelle für das Verständnis der Moderne.
Nach einer Reihe von Veröffentlichungen zu Theosophie und Hinduismus kommt sein reformerisches Bestreben besonders gut 1927 zum Ausdruck, als in Frankreich "La Crise du Monde moderne" erscheint – Guénons erfolgreichstes Werk. Im selben Jahr publiziert Heidegger in Deutschland übrigens "Sein und Zeit" – das aus ähnlichen Beweggründen hervorgegangen ist, welche Guénon die Krise der modernen Welt haben konstatieren lassen.
Geheime esoterische Bewegungen
Konzipiert Heidegger die sogenannte Seinsvergessenheit als Verfallgeschichte, ist "Die Krise der modernen Welt" an die hinduistische Theosophie mit ihren großen Zyklen angelehnt – was zur Heideggerschen Seinsgeschichte eine gewisse Nähe besitzt. Guénon glaubt, dass die Moderne mit der vierten und letzten Epoche des Kali-Yuga identifiziert werden kann, dem finsteren Zeitalter der Entartung, das am Ende der großen Zyklen sechstausend Jahre währt. Guénons initiatisches Wissen findet dabei seine Entsprechung in Heideggers Suche nach einem vortheoretischen, nicht rhetorischen Zugang zur Welt.
Anders als Theosophie oder andere esoterische Strömungen, gibt sich der Traditionalismus weder allumfassend noch auf ein Massenpublikum ausgerichtet – er ist eher geheim, obwohl Guénon schnell eine große Zahl von Anhängern um sich sammeln kann. Im Jahr 1930 siedelt Guénon, der in diesen Jahren eine herausragende Stellung innerhalb der zeitgenössischen esoterischen Bewegungen einnimmt, nach Ägypten über, wo er bis zu seinem Tod in seinem Haus in Kairo bleibt.
Sedgwick schreibt:
"In den späten zwanziger Jahren, als der Traditionalismus sich eben als Philosophie zu etablieren begann, erschütterten eine Reihe von Schicksalsschlägen Guénons Leben in Paris. ... Anfang 1927 war (er) vierzig Jahre alt geworden, verheiratet und relativ wohlsituiert. Seine Karriere als Philosophielehrer kann dagegen nicht als erfolgreich bezeichnet werden. Er unterrichtete zu diesem Zeitpunkt an einer privaten Mädchenschule, was in der Hierarchie akademischer Institute im damaligen Frankreich eine Art von Tiefpunkt darstellte. Doch seine Bücher fanden zunehmend Anerkennung, zumindest in gewissen Kreisen, und die Zahl seiner Bewunderer wuchs ...
Innerhalb von zwei Jahren verlor Guénon alles außer seinen Bewunderern. Im Jahre 1927 starb seine Frau Berthe während einer Blinddarmoperation im Alter von nur 44 Jahren, und Guénon verlor seine Anstellung an der Mädchenschule ...
Diese Schicksalsschläge führten bei Guénon zu ersten Anzeichen einer leichten Paranoia."
Orientalismus, Sufismus, Islam
Ab dem Zeitpunkt von Guénons Übersiedlung in den Orient beginnen Sufismus und der Islam eine wichtige Rolle für den Traditionalismus zu spielen, obwohl bezweifelt werden darf, dass Guénon den Islam je praktiziert oder sich an taoistischen oder buddhistischen Moralprinzipien orientiert hat. Zwar war er Mitglied eines Sufi-Ordens, doch ging er nicht einmal auf die Haddsch, also auf eine Pilgerreise nach Mekka. In diesem Verhalten bekunden sich seine perennialistischen Überzeugungen, die von einer Ur-Tradition ausgehen, in denen alle anderen nachfolgenden Traditionen enthalten sind.
"Guénon behielt seine universalistischen Überzeugungen bei und zeigte sich auch in seinen Schriften mehr als Traditionalist denn als Muslim. Vor 1930 nahm er nur selten Bezug auf den Islam, und wenngleich solche Hinweise nach 1930 etwas häufiger vorkommen, wurde der Islam für ihn nie zu einer relevanten Quelle. Auch in seiner Lektüre spielte er keine große Rolle: Seine private Bibliothek enthielt bei seinem Tode etwa 3.000 Bände, unter denen viermal so viele vom Hinduismus handelten als vom Islam."
Guénon selbst bemerkt dazu:
"Wer die Einheit der Traditionen begriffen hat, wird sich niemals zu etwas bekehren lassen."
Gut und Böse, Aufstieg und Abstieg
Neben dem Perennialismus, der sich auf die lateinische "philosophia perennis" bezieht – auf die immerwährende Philosophie des Renaissance-Philosophen Marsilio Ficino, der Gott sowohl hinter Christus wie hinter Platon wirken sah - sind es eine Reihe weiterer Punkte, die den Traditionalismus charakterisieren: Da ist zum einen der ausgeprägte Dualismus, mit dem er die Welt manichäisch in Gut und Böse, Aufstieg und Abstieg teilt. Zum anderen glaubt der Traditionalismus an die "Inversion", an die Annahme nämlich, dass das, was die meisten für Fortschritt halten, in Wahrheit nur den Niedergang beschreibt – für Guénon ein Grundzug der Moderne. Bestätigt sieht er diese Inversion etwa von der Hässlichkeit, Armseligkeit und Belanglosigkeit der Moderne.
Ferner sieht der Traditionalismus die Weisheit eher in den spiritualistischen und traditionellen Gesellschaften des Nahen Ostens gegeben, die dem Westen überlegen sind, der sich von aller Tradition zu entkoppeln und der instrumentellen Vernunft restlos anheimzufallen droht. Gerade dieser Aspekt mag es sein, der heute einem überzeugten Bio-Bauern am Traditionalismus einleuchten mag – etwa einem Prinz Charles. Auch Ernst Friedrich Schumacher, britischer Ökonom deutscher Herkunft, der 1973 den zivilisationskritischen Weltbestseller "Small is beautful" publiziert – deutsch: "Die Rückkehr zum menschlichen Maß." "Alternativen für Wirtschaft und Technik" – ist ein Anhänger des Traditionalismus, der die Herrschaft der Quantität vor der Qualität und die völlige Missachtung immaterieller Werte kritisiert.
Guénon schreibt:
"Verglichen mit allen uns bekannten historischen Zivilisationen, erscheint die moderne westliche Zivilisation als eine wahre Anomalie, denn sie ist die einzige, deren Entwicklung rein materiell ausgerichtet ist. Diese monströse Entwicklung, deren Beginn mit der sogenannten Renaissance zusammenfällt – also der Geburt der Moderne, TP -, geht mit einer geistigen Regression einher, die jetzt einen Punkt erreicht hat, an dem die heutigen Abendländer nicht einmal mehr wissen, wie reine Geistigkeit aussehen könnte – daher ihre Geringschätzung nicht nur orientalischer Zivilisationen, sondern auch des Mittelalters."
Traditionalismus und Gegenwart
Apropos Mittelalter. Der Kult darum gehört zu einem Erbe, das der Traditionalismus mit Theorien der Neuen Rechten teilt, die statt von Europa gern vom "Abendland" sprechen - als einer Art erneuertes Heiliges Römisches Reich. Der Traditionalismus bildet aber anders als die Neue Rechte keine Bewegung, die eine formale Struktur besäße. Vielmehr besteht er aus einer Reihe von Gruppen und Einzelpersonen, die durch ihre gemeinsame Bezugnahme auf das Werk Guénons miteinander verbunden sind. Alain de Benoist z. B., Vordenker der Neuen Rechten in Frankreich, kennt zwar die Werke Guénons, aber sie besitzen für ihn keine Aktualität.
Trotzdem ist es die Neue Rechte, die den liberal-demokratischen Konsens des Westens derzeit in einer Weise in Frage stellt, die der Kritik des Traditionalismus an der Moderne in nicht wenigen Zügen ähnelt.
Sedgwick bemerkt im Vorwort zu seiner Untersuchung:
"Als ich 2007 aus dem Nahen Osten nach Europa zurückkehrte, wo ich zuletzt zwanzig Jahre zuvor gelebt hatte, brauchte ich einige Zeit, um mich wieder zurechtzufinden: Dinge, die 1987, als ich den Kontinent verlies, in der Öffentlichkeit zu sagen undenkbar gewesen wären, konnte man nun jeden Tag im Radio hören, und viele Menschen meiner Generation waren verwirrt und konnten nicht erklären, was los war. Jetzt, im Jahr 2019, scheint sich ein gewisser Konsens herausgebildet zu haben: Wir erleben einen großen Wandel des politischen Lebens, da die lange Zeit dominanten Mitte-Links- und Mitte-Rechts-Parteien beträchtlich an Zustimmung verlieren, und neue politische Parteien und Kräfte entstehen, manchmal auf der Linken, aber häufiger auf der Rechten. Oder vielleicht ist selbst diese Aussage falsch, und die alte Unterscheidung zwischen links und rechts gilt nicht mehr. Vielleicht ist die Transformation noch dramatischer."
Doch zurück zu Guénon und seiner Kritik am Westen.
Metaphysik und Mystik
Unter "reiner Geistigkeit" versteht der französischen Kulturphilosoph genau das, was vom abergläubischen Kult der Vernunft, von Positivismus und Reduktionismus als "höherer Blödsinn" verabschiedet und für den Diskurs mit einem Bann belegt worden ist: Spiritualität, Seele und Metaphysik. Diese Lücke füllt der Traditionalismus, für den der Begriff "Esoterik" die Bedeutung von "metaphysischen Prinzipien" angenommen hat. Und - erinnern wir uns - nach Kant wird Metaphysik ja von der Tatsache bestimmt, dass ein jeder doch etwas über seine eigene Seele denken würde – weshalb sie sich, so Kant, eben gerade nicht ein- für allemal verabschieden lasse. Aber das sei hier nur am Rande bemerkt.
Wie, um Kant zu bestätigen, reagiert der Positivismus heute auf diese Lücke, die er hinterlassen hat, und produziert seine eigene Metaphysik. Er hat damit angefangen, ein Narrativ zu Kosmos und Mensch zu entwerfen, welches geradezu religiöse Züge trägt – wie wiederum Kocku von Stuckrad in seiner Kulturgeschichte über "Die Seele im 20. Jahrhundert" süffisant bemerkt.
Von Stuckrad schreibt:
"Besonders deutlich ist diese Tendenz bei den Evolutionsbiologen Richard Dawkins und Edward O. Wilson. Das Interessante dabei ist, dass – vor allem bei Dawkins – aus einer radikalen Kritik aller religiösen und schöpfungstheologischen Mythologie eine naturwissenschaftliche Mythologie entsteht, die eine ganz ähnliche Funktion erfüllt wie zuvor die Religion."
Zu dieser Pointe passt, dass bei der gegenwärtigen interdisziplinären Forschung und beim neuen Materialismus es zu den wichtigsten Merkmalen gehört, die Grenzen zwischen Mensch und Umwelt, beziehungsweise Mitwelt, als unbedingt offen zu deklarieren – woran sich laut Kocku von Stuckrad eben sehr gut erkennen lässt, dass die okkultistischen Diskurse um 1900 bis in die heutigen Wissensarrangements hineinwirken.
Noch einmal Kocku von Stuckrad:
"Die historischen Abgrenzungen von ‚Mystik‘, ‚Animismus‘, ‚Religion‘ und sogar von ‚Romantik‘ sind der Versuch, den neuen Materialismus als ein säkulares und wissenschaftlich seriöses Forschungsfeld zu etablieren. Im Sinne der ‚undogmatischen‘ und ‚kritischen‘ Analyse würde man eigentlich erwarten, dass diese Forschung eben jene künstlichen und wertenden Kategorisierungen von Mystik, Animismus und verwandten Konzepten kritisch unter die Lupe nimmt, anstatt jene Wissensordnungen im Modus der Abgrenzung von geächteten Konzepten lediglich zu verstetigen."
Man kann klar erkennen, dass der Traditionalismus im spezifischen Sinn den Schatten des Vernunftglaubens bildet, den dieser nicht los wird - beide zählen zur Mitgift einer Moderne, die ihrerseits aus der Ablösung des Mythos durch den Logos hervorgegangen ist.
Traditionalismus und Faschismus
Die Angst vor dem Zusammenbruch des Westens, vor den ungeahnten "niedrigen Kräften", wie Guénon es formuliert, haben diesen nach Kairo getrieben - in die Arme des Orients, von dem er sich Rettung verspricht. Guénon, erläutert Sedgwick, ist nicht gegen den Westen, er ist gegen die Moderne, weil sie sich auf nichts anderes gründe als auf industrielle Überlegenheit. Und gerade diese wird ja heute im Zuge der einer künftigen Ökologie infrage gestellt.
Da sich René Guénon in Ägypten aufhält, ist sein Leben vom Aufstieg des Faschismus vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wenig betroffen. Für seinen engen Mitarbeiter Julius Evola in Italien stellt sich die Sache allerdings anders da. Der Baron ist darum bemüht, den Faschismus an den Leitlinien des Traditionalismus zu orientieren – doch er scheitert damit sowohl in Italien wie in Deutschland.
"Im Endeffekt spielte der Traditionalismus trotz der Bemühungen Evolas weder im italienischen Faschismus noch im deutschen Nazismus eine große Rolle. Das lag teilweise daran, dass der spätere Mussolini kaum Interesse an Ideologie hatte und Hitler sein eigener Ideologe war. Weder sie noch ihre Regime brauchten daher Evola. Ein weiterer, wesentlicherer Grund war, dass Evolas elitäre Vorstellungen kaum mit dem Massencharakter vereinbar waren, den die faschistischen und nationalsozialistischen Regime in der Praxis annahmen, wenn auch nicht immer in der Theorie."
Zwar sind die faschistischen Verbindungen zum Traditionalismus interessant, doch lässt sich letztlich das eine nicht aus dem anderen ableiten. Dennoch hält man Guénon und Evola für Theoretiker des Faschismus, was Sedgwick für falsch hält. Im Traditionalismus sieht der britische Historiker eine bestimmte Art und Weise, die Dinge zu betrachten – so, wie es etwa Marxismus oder Strukturalismus auch tun. Allerdings muss eingeräumt werden, dass Sedgwick wohl eine, nach seinen eigenen Worten, frühe und kurze persönliche Beziehung zum Traditionalismus unterhalten hat, was ihm den Vorwurf der Voreingenommenheit eingebracht hat. Eine verzerrte Darstellung in seiner geheimen Geistesgeschichte abgeliefert zu haben - das allerdings bestreitet der Autor.
Traditionalismus und Gegenwart
Akribisch, kenntnisreich und mit sprachlichem Geschick verfolgt Mark Sedgwick in "Gegen die moderne Welt" die Wege Guénons und seiner geistigen Mitstreiter in der Schweiz, Italien und Rumänien – begleitet die Entstehung und Entwicklung der traditionalistischen Lehre, ihre Praxis und vielfältigen Verzweigungen in der Gegenwart, die bis in Putins Russland und zum Neo-Eurasianismus eines Alexander Dugin oder Eduard Limonov reichen. In "Gegen die moderne Welt" heißt es:
"Die 1960er Jahre waren zweifellos ein Hauptwendepunkt des kulturellen und intellektuellen Lebens des Westens im 20. Jahrhundert, vielleicht waren sie sogar entscheidender als die Zeit im Ersten Weltkrieg. Nach den 1960er Jahren waren der Traditionalismus und der Westen ganz anders als zuvor. So wie die Renaissance, die der Traditionalist als den Tod der westlichen esoterischen Tradition verabscheut, die Geburt des für den Traditionalismus so zentralen Perennialismus einleitete, und so wie der Traditionalismus in den Kriegsjahren zwischen 1914 und 1918 entstand, in denen das alte Europa von der Bildfläche verschwand, so führte die kulturelle Revolution der 1960er Jahre dem Traditionalismus neue Energie zu und wurde zum Ausgangspunkt der traditionalistischen Bewegung unserer Tage."
Ähnlich verzweigt stellt sich im 20. Jahrhundert die Geschichte der Seele dar, wie der Religionswissenschaftler Kocku von Stuckrad sie in seiner Untersuchung in allen möglichen Bezügen aufspürt und rekonstruiert - bei C.G.Jung und in der transpersonalen Psychologie, im politischen und nationalistischen Umfeld, in der Quantenphysik und der damit einhergehenden Renaissance einer Naturphilosophie, die von der "Seele der Planeten" und einer "Vielzahl der Welten" spricht – und in den ökologischen Bewegungen, die empfänglich dafür sind, die Erde zu sakralisieren.
Säkulare Moderne nie wirklich modern gewesen
Und ähnlich wie Mark Sedgwick macht auch von Stuckrad deutlich, dass die säkulare Moderne nie wirklich modern gewesen ist, denn nur scheinbar und an der Oberfläche ist sie durchweg verweltlicht. In Wahrheit treffen wir überall noch auf Restbestände magischen, mystischen, animistischen, okkultistischen und orphischen Denkens.
Kocku von Stuckrad erläutert:
"Okkultistisch in dem Sinne, dass die Seele mit Konzepten von Geist, Materie, Wissenschaft, Lebenskraft, Energie und Natur verschränkt wurde, und orphisch im Sinne einer Verbindung der Seele mit Ekstase, Kunst, Literatur, Natur, Einfühlung und Erkenntnis."
"Gegen die moderne Welt" wie "Die Seele im 20. Jahrhundert" sind zwei Kulturgeschichten, die sich, so können wir am Ende festhalten, auf eine zwar unbeabsichtigte, gleichwohl aber erhellende Weise ergänzen. Gerade in der gegenwärtigen Lage, vor deren Horizont der westliche Lebensstil problematisch geworden ist, sind wir zurückverwiesen an die Vergangenheit, um an ihr die Zukunft neu zu bemessen. Das heißt aber nicht, dass die Zukunft in der Vergangenheit läge – es heißt nur, dass die Vergangenheit nicht nur nicht tot ist – sie ist noch nicht einmal vergangen.
Mark Sedgwick: "Gegen die moderne Welt: Die geheime Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts"
Aus dem Englischen von Nadine Miller.
Matthes & Seitz Verlag, Berlin. 600 Seiten, 32 Euro.
Aus dem Englischen von Nadine Miller.
Matthes & Seitz Verlag, Berlin. 600 Seiten, 32 Euro.
Kocku von Stuckrad: "Die Seele im 20. Jahrhundert. Eine Kulturgeschichte"
Wilhelm Fink Verlag, Paderborn. 279 Seiten, 29,90 Euro.
Wilhelm Fink Verlag, Paderborn. 279 Seiten, 29,90 Euro.