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Marktstrategien für Bio-Produkte

Wie kann der Lebensmitteleinzelhandel Bio-Produkte besser vermarkten? Das war ein zentrales Thema während des 1. Bio-Handels-Forums in Köln, zu dem unter anderen auch das Ernährungsministerium geladen hatte. Mit immerhin rund 300 Teilnehmern präsentiert sich der Biomarkt in diesem Jahr auf der Lebensmittelmesse Anuga. Denn Deutschland ist der größte Bio-Einzelmarkt in Europa. Naturkostläden, Bio-Supermärkte, Reformhäuser aber auch zunehmend Supermärkte bieten Bio-Produkte an. Aber wohl nur mäßig erfolgreich. Für eine gute Vermarktung fehle das entsprechende Konzept, heißt es. Das zu liefern, war zentrales Anliegen des Bio-Handelstages.

Von Sina Clorius |
    Die Zeit der schrumpeligen Äpfel und Körnermischungen ist vorbei. Inzwischen gehören Fertiggerichte, Wein und exotische Früchte in jede gut sortierte Biowaren-Abteilung. Supermärkte haben den ökologisch bewussten Verbraucher als zahlungskräftigen Kunden entdeckt. Laut Untersuchungen der Universität Göttingen interessieren sich 40 Prozent der Verbraucher für Öko-Lebensmittel, doch nur 20 Prozent haben tatsächlich schon Bio-Ware gekauft. Professor Achim Spiller von der Universität Göttingen, Experte für Marketing von Agrarprodukten:

    Es geht darum, Bio-Produkte stärker in den klassischen Lebensmittel-Einzelhandel, aber vielleicht auch zu den Discountern bringen. Im Bioladen kauft die Kerngruppe der ökologisch bewussten Käufer. Daneben gibt es die Selten- und Gelegenheitskäufer von Öko-Produkten, nicht die Stammkunden, sondern die ab und zu, bei bestimmten Produkten nur, zu Bio greifen, und die erreicht man eben hauptsächlich über die Supermärkte, nur da stimmt das Angebot heute zum Teil einfach noch nicht. Zum Beispiel muss der Obst- und Gemüse-Frischwarenbereich stark ausgebaut werden.

    Doch woher nimmt der Supermarkt die knackige Bio-Gurke? Viele Biobauern setzen auf lokale Vermarktung und sind nicht in der Lage, Großhändler zu beliefern. Klaus Haak vom Edeka-Fruchtkontor West:

    Bei Gurken scheiden sich die Geister. Es gibt sehr wenige Betriebe, die sie in der Produktionsweise, wie wir sie brauchen, sprich unter Glasanbau, produzieren für uns. Aber hier wäre für mich noch ein klassisches Segment, wo man als Landwirt mit einer entsprechenden Struktur einsteigen könnte in den Bio-Markt. Viele von unserem Großhandel oder auch Verbraucher fragen immer wieder nach deutschen Gurken. Die würde ich gern liefern, wenn ich sie denn auch in einer vernünftigen Kontinuität bekommen würde.

    Die kleinräumigen Vermarktungsstrukturen sind nach Aussagen von Achim Spiller einer der Gründe dafür, dass Bioprodukte noch immer sehr viel teurer sind als konventionelle Lebensmittel. Dabei haben Studien seines Instituts ergeben, dass die Konsumenten bereit sind, einen Aufpreis von rund 20 Prozent für Bio-Ware zu akzeptieren.

    Neben dem hohen Preis sei in vielen Geschäften noch immer die lieblose Präsentation ein Grund für den schleppenden Absatz von Bio-Produkten, meint Sabine Jörg von der CMA. Ihre Organisation unterstützt Händler dabei, ihre Verkäufer zu schulen:

    Was auch ein ganz wichtiger Punkt ist, dass die Mitarbeiter in den Märkten wissen, was Bio bedeutet, wissen, wie sie mit Bio umgehen können, das heißt wir werden im Bereich Qualifikation unser Engagement verstärken, dass die Mitarbeiter wirklich geschult werden, dass sie einfache Fragen zu Bio beantworten können.

    Ökologisch interessierte Supermarkt-Betreiber scheitern oft daran, einen Großhändler zu finden. Reine Biowaren-Großhändler sind nur selten bereit, mit Supermärkten zu kooperieren, weil sie fürchten, damit ihre Stammkundschaft - also die Naturkostläden - vor den Kopf zu stoßen. Dies ist einer der Gründe dafür, dass Lebensmittel-Einzelhandelsketten eigene Bio-Marken entwickelt haben, zum Beispiel "Bio-Wertkost" von Edeka, "Füllhorn" von Rewe oder "Grünes Land" von Metro. Nur wenige erreichen jedoch mit ihren Bio-Produkten einen Umsatzanteil von zehn Prozent, wie die Supermarktkette "Teegut" aus Hessen oder Dieter Jungjohann mit seinem Edeka-Markt in Flensburg. Er führt seinen Erfolg darauf zurück, dass er nicht nur Körner und Brotaufstriche, sondern ein komplettes Bio-Sortiment von Kosmetik über Obst und Gemüse bis zu fair gehandeltem Kaffee anbietet:

    Wir haben ein Konzept umgesetzt, das sich Shop im Shop nennt, das heißt unsere Bio-Produkte werden im herkömmlichen Supermarkt konzentriert in einem Bio-Shop angeboten. Also, wir sind praktisch ein Fachhhandel in einem herkömmlichen Supermarkt, und über diese Fachhandels-Schiene ist der Bio-Großhandel dann auch bereit, uns zu beliefern.

    Dieter Jungjohann nutzt sein Bio-Sortiment, um sich mit Frische und Qualität gegen die Discounter abzusetzen. Die Zahlen der Zentralen Markt- und Preisberichtsstelle des Ernährungsmarktes aus Bonn bestätigen, dass das Bio-Segment einer der wenigen Wachstumsbereiche im Lebensmittelhandel ist: 1,6 Milliarden Euro gaben die Verbraucher im Jahr 2000 für Bio-Lebensmittel aus - im vergangenen Jahr waren es bereits 3 Milliarden Euro. Das sind 2,4 Prozent des Lebensmittel-Umsatzes. Dass dieser Anteil steigerungsfähig ist, davon ist Professor Achim Spiller überzeugt:

    Für Unternehmen, die das sehr gut machen, sind zehn Prozent realistisch. Für den gesamten Markt halte ich das im Moment noch nicht für realistisch, also wenn wir uns da in den nächsten Jahren so an die fünf-Prozent-Grenze heranbewegen, dann wäre das sicherlich schon ein großer Erfolg.