Diese Woche nach der CSU-Vorstandssitzung: Die Journalisten warten wie immer auf Horst Seehofer. Stattdessen kommt:
"Staatsminister Markus Söder. Markus, ich darf Dir das Wort geben über die Themen der Partei-Vorstandssitzung."
Markus Söder:
"Vielen Dank, Andi. Meine Damen und Herren, das ist heute eine wichtige strategische Weichenstellung..."
"Vielen Dank, Andi. Meine Damen und Herren, das ist heute eine wichtige strategische Weichenstellung..."
Das gab's noch nie: Seehofer lässt sich in der zentralen Pressekonferenz von Söder vertreten.
"Heute früh hat er gesagt: 'Mach Du's!' Da hab' ich gesagt: Ist okay!'"
Und das in der seit Langem turbulentesten Woche für die CSU. Einer Woche, in der Horst Seehofer sogar mit Rücktritt drohte. "Ihr oder ich", soll er in der Vorstandssitzung erregt gerufen haben. Grund: Die Vize-Parteivorstände Ramsauer und Gauweiler hatten Seehofer in der Griechenland-Abstimmung die Gefolgschaft versagt. Und was macht Söder? Watscht Gauweiler und Ramsauer ab:
"Ich glaube, dass wir als CSU gut daran beraten sind, als kleinster Partner in der Großen Koalition, dass wenn man nicht automatisch so viele Stimmen hat - dass die Stimmen dann gebündelt und geschlossen sind. Und da sollte man den Parteivorsitzenden an der Stelle ausdrücklich unterstützen."
Ausgerechnet Söder, der früher keine Gelegenheit ausließ, Seehofer in die Beine zu grätschen. Und der in Sachen "Grexit" noch vor zwei Jahren viel weiter ging als Ramsauer und Gauweiler heute:
"Wenn wir jetzt nicht an Griechenland ein klares Exempel statuieren, also sagen "Raus aus der Eurozone", dann ist die ganze Eurozone nichts mehr als eine große Umverteilungs-Gemeinschaft."
Viele Widerstände gebrochen
Das ist lange her. Heute gibt sich Söder staatsmännisch. Aus dem Streit mit Seehofer ist ein enges Miteinander geworden. Als Söder neulich bekannt gab, dass er sich den Top-Journalisten Michael Backhaus als Presse-Chef in sein Team holt, hatte er Seehofer vorher um Erlaubnis gebeten. Im Mai fängt der frühere BILD-am-Sonntag-Vizechef Backhaus im bayerischen Finanz- und Heimatministerium an.
"Ich glaube, das ist eine weitere Verstärkung, die auch ganz normal ist. Wir hatten ja noch eine Stelle sozusagen frei. Wir haben das gemacht. Wir sind das Ministerium mit den größten Aufgabenbereichen, zwei Staatssekretäre, zwei Ministerien - da können man ein Stück Unterstützung gut vertragen."
Backhaus hat exzellente Kontakte in die Berliner Bundespolitik. In München wird er auf einer P6-Stelle mit 9.000 Euro Monatsgehalt sitzen und direkt an Söder berichten. Der stellt gerade die Weichen für den Zug in die Staatskanzlei, glaubt Christian Deutschländer, Politik-Redakteur beim Münchner Merkur:
"Ich glaube, dass er generell gerade systematisch arbeitet. Er netzwerkt sehr stark, hat seine Kontakte in die Fraktion aufgebaut. Verwendet sehr viel Zeit darauf, auch mit Abgeordneten zu reden. Gerade in den letzten Wochen hat er es sehr intensiv gemacht. Wenn man in die Fraktion rein hört, stellt man fest: Viele von den Widerständen, auch im oberbayerischen Kernland der CSU, die es gegen Söder gab, sind inzwischen kleiner geworden, sind vielleicht sogar verschwunden."
Das oberbayerische Kernland ist eigentlich Ilse Aigners Terrain. Die bayerische Wirtschaftsministerin ist dort CSU-Bezirksvorsitzende - und galt mal als Söders schärfste Konkurrentin. Aber Horst Seehofer ist enttäuscht von seiner einstigen Kronprinzessin. Er hatte ihr das Management der Energiewende übertragen, sogar die Regierungserklärung durfte sie halten. Aber die las sie nur vom Blatt ab und verhaspelte sich obendrein. Markus Söder spürt Aigners Schwäche wie ein politischer Wolf - und nutzt sie aus. Mit seiner aktuellen Forderung, das Erbschaftsrecht unternehmerfreundlicher zu gestalten, umgarnt er die bayerische Wirtschaft - die bayerische Wirtschaftsministerin kann nur zuschauen.
"Das Geld aus der Erbschaftssteuer steht ausschließlich den Ländern zu, nicht dem Bund. Insofern sagt man von vornerein: Warum entscheidet Berlin über eine Einkommensquelle der Länder? Warum?"
Es könnte laut werden im bayerischen Finanzministerium
Mit geschickter Themensetzung und grandioser Selbstvermarktung hat sich der Markus Söder in die Pole Position für die Seehofer-Nachfolge manövriert. Der freche Franke ist zum freundlichen Verwalter mutiert. Statt Testosteron nun Treueschwüre an den Chef. Söder hat mit Seehofer einen Nichtangriffspakt geschlossen und wartet geduldig auf den richtigen Augenblick. Der könnte schneller kommen als gedacht. Politik-Redakteur Deutschländer ist aufgefallen, dass CSU-Chef Seehofer in letzter Zeit schwächelt.
"Ich habe den Eindruck, er ist momentan angeschlagen. Er macht weniger Termine, er ist dünnhäutiger, er ist sehr darauf bedacht, sich nicht mehr zu allem zu äußern. Geht auch mal an Journalisten vorbei, was der frühere Seehofer eigentlich nie gemacht hat. Ich wundere mich ein bisschen darüber. Es gab Berichte, er sei gesundheitlich angeschlagen. Ich glaube, er hat sich einfach über sehr, sehr viel im Moment geärgert und ist gerade dabei, seine Strategie zu überdenken. Auch, wie er mit Medien umgeht."
Den Umgang mit Medien kann sich Seehofer derzeit bei seinem Finanzminister abschauen. Der kann sich sogar einen peinlichen Cameo-Auftritt in einer TV-Seifenoper leisten:
"Öha, der Söder!" - "Bleiben's locker, ich beiß ned. Grüß Gott!"
Und steht am Ende als gerissener Fuchs da, der die Staatskanzlei und den Bayerischen Rundfunk übertölpelt hat. Nur manchmal schießt der ausgebildete Fernsehjournalist Söder übers Ziel hinaus. Zum Polit-Talk mit Günther Jauch schleuste er seine persönliche Jubelperserin ins Studio ein:
"Da hat jetzt Ihre Sprecherin in der ersten Reihe versucht anzuklatschen, aber es sind ihr nur ganz wenige gefolgt."
Mit Söders neuem Chef-Kommunikator Michael Backhaus dürften solche Kindereien nicht zu machen sein. Der 59-Jährige gilt als aufbrausend und hört nicht gern Widerspruch, heißt es. Das hat er mit Söder gemeinsam. Ab Mai könnte es laut werden im bayerischen Finanzministerium.