Aufgepasst.
"Die Toten hören nie auf zu reden. Vielleicht weil der Tod nicht der Tod ist, sondern so etwas wie Nachsitzen in der Schule. Du weißt, woher du kommst, und du kehrst auch immer wieder dorthin zurück. Du weißt, wohin du gehst, aber du scheinst nie dort anzukommen, und du bist einfach bloß tot. Tot."
Dieser Tote ist Sir Arthur George Jennings, ehemaliger Politiker in Jamaika, weiße Oberschicht, Mordopfer. Darauf besteht er, obwohl sein Tod als Selbstmord zu den Akten gelegt wurde. Sir Arthurs hypnotische Stimme hört man als erste von 12 Erzählstimmen, die durch diesen Roman führen.
"Eine kurze Geschichte von sieben Morden" ist weder kurz, noch kommen darin nur sieben Figuren um, aber dazu später. Das Buch bildet eine Polyphonie. Einen vielstimmigen, bisweilen atonalen Chor, dessen Mitglieder verschiedenen miteinander verschlungenen Erzählsträngen folgen, deren Geschichten sich meist ergänzen, aber auch gegenseitig in Frage stellen. Es klingt wie ein Echo aus dem Kalten Krieg, voller Gewalt, Brutalität, Obszönitäten, politischer Intrigen und Widersprüche, voller religiöser Anspielungen und Mythen.
Es kommen zu Wort: Kleine und große Gangster in Jamaica und den USA. Rivalisierende Gangleader. Der CIA Stationschef in Kingston. Ein Exilkubaner, der für die CIA und das Medellínkartell arbeitet. Ein amerikanischer Journalist. Eine junge Jamaikanerin auf der Flucht. Und der tote Politiker.
Alle Erzähler sind unzuverlässig
Jede und jeder in seiner eigenen Sprache, einem ganz eigenen Ton. Mitgeschnitten als Bewusstseinsstrom oder, in einem Fall, als Tonbandinterview mit einem Gefängnisinsassen. Die einen verfolgen ihre Ziele, die anderen sehen sich bloß selbst dabei zu, wie sie benutzt werden. Gemeinsam ist ihnen nur eins: Man kann ihnen nicht trauen. Niemand kennt die ganze Wahrheit, einige wollen nicht alles preisgeben, andere haben gute Gründe, zu lügen, wieder andere scheinen weniger zu verstehen als der Leser. Keine auktoriale Draufsicht weit und breit, aber ein Dutzend Ich-Erzähler mit eingeschränktem Überblick. Das macht sie allesamt – mit Ausnahme des toten Sir Jennings vielleicht, der nicht unmittelbar am Geschehen beteiligt ist und sogar die Zukunft voraussagen kann - zu unzuverlässigen Erzählern. Das ist zu einem unübersehbaren Trend in der zeitgenössischen Literatur geworden.
Marlon James' preisgekröntes Epos beginnt am 2. Dezember 1976. Einen Tag vor dem historisch verbrieften Attentat auf Bob Marley in dessen Haus in Kingston, Jamaika. Der Sänger – nur so wird er im Roman bezeichnet, der Name Bob Marley fällt kein einziges Mal – überlebt den Tag nur leicht verletzt. Das grenzt an ein Wunder und trägt zum überlebensgroßen Mythos Marley bei. Der Weltstar wird bereits fünf Jahre später, 1981, an Krebs sterben. Im Roman begleitet ihn dabei der tote Sir Jennings. Doch auch 1976 hat Bob Marley es mit seiner Musik bereits aus dem Getto herausgeschafft, geht weltweit auf Tour. Er spricht aber immer noch wie ein ghetto boy.
Jamaika befindet sich im Wahlkampf. Die konservative Jamaican Labour Party tritt gegen die People's National Party an – die nennt sich sozialistisch, würde in Europa als sozialdemokratisch gelten und in den USA als kommunistische Gefahr. Beide Parteien werden von rivalisierenden Gangs unterstützt, die ihren Einflussbereich in den Armenvierteln mit Waffengewalt festigen. Der Rastasänger plant ein Friedenskonzert, um das Land zu einen. Er hat inzwischen einen Christus ähnlichen Nimbus. Aber gegen ihn braut sich etwas zusammen, wie sein Jugendfreund Papa Lo ahnt, einer der lokalen Gangsterbosse:
"Hört mir zu. Ich habe ihn gewarnt, wisst ihr, edle Herrschaften. Schon lange habe ich Warnungen ausgesprochen, dass andere Leute in seiner Nähe, Freunde und Feinde, ihm einen Haufen Scherereien machen werden. Wir alle kennen so einen, stimmt's nicht? Einen von denen, die sich einfach nicht ändern wollen. Die immer eine Ahnung haben, aber nie einen brauchbaren Vorschlag. Die ständig was aushecken, aber nie einen Plan haben. So sind manche Leute. Da ist mein Freund der größte Superstar der Welt, aber er ist einer der stursten Kerle, die das Getto je im Guten verlassen haben. Ich nenne keine Namen, aber ich habe den Sänger vor ihnen gewarnt."
Der versuchte Mord an Bob Marley sei der Dreh- und Angelpunkt von Marlon James Roman. Dieser Satz wird oft wiederholt. Er stimmt, greift aber als Inhaltsangabe zu kurz. Wer versucht, das vielschichtige Buch ausschließlich aus diesem Blickwinkel heraus zu verstehen, es als historischen Kriminalfall in der Hoffnung auf eine eindeutige Aufklärung zu lesen, der kommt nicht allzu weit. Aber der Pitch ist natürlich sehr attraktiv: Bob Marley, der Superstar des Reggae, als Hauptfigur in einem Krimi, der auf realen Vorkommnissen basiert. Vergleiche mit James Ellroy liegen nahe, dessen ebenfalls vielstimmiger Roman "American Tabloid" aus unterschiedlichen Perspektiven auf ein historisches Ereignis hinausläuft, nämlich auf die Ermordung von John F. Kennedy. Und da James Ellroy als Thrillerautor bekannt ist, wird nun auch Marlon James als solcher etikettiert, "Eine kurze Geschichte von sieben Morden" gar als der erste Kriminalroman gefeiert, der den Man Booker Prize gewinnen konnte.
Ja, "Eine kurze Geschichte von sieben Morden" ist auch ein Kriminalroman. Ebenso wie Umberto Ecos Mittelalterepos "Der Name der Rose" ein Kriminalroman war, sogar ein Kriminalroman über Kriminalromane, aber eben nicht nur. Ein Roman, so postulierte Eco im Nachwort zum Namen der Rose, ein Roman sei eine Maschine zur Erzeugung von Interpretationen. Das gilt für Marlon James Buch allemal.
Man darf nicht auf das Offensichtliche hereinfallen und Seiten oder Leichen zählen
"Eine kurze Geschichte von sieben Morden" – das Spiel des Autors mit seinen Leserinnen und Lesern geht schon beim Titel los. Bei einem 864 Seiten dicken Buch kann kaum die Rede von einer "kurzen" Geschichte sein. Außerdem kommen darin tatsächlich Dutzende, wenn nicht hunderte von Figuren gewaltsam um, nicht nur sieben. Trotzdem hat der Titel seine Berechtigung. Man darf nur nicht auf das Offensichtliche hereinfallen und Seiten oder Leichen zählen – das gibt man sowieso sehr schnell auf.
"Wir sehen und warten. Zwei Männer bringen Pistolen und Gewehre ins Getto. Einer zeigt mir, wie man damit umgeht. Aber die Leute im Getto haben sich schon lange davor gegenseitig umgebracht, mit allen möglichen Sachen: Schlagstock, Machete, Messer, Eispickel, Wasserflasche. Sie töten für Essen. Sie töten für Geld. Manchmal wird einer getötet, weil er einen anderen blöd anguckt. Für's Töten braucht man nicht unbedingt einen Grund. Wir sind hier im Getto. Reiche Leute haben Gründe. Wir haben den Wahnsinn." (Zitat aus dem Buch)
"Eine kurze Geschichte von sieben Morden" erstreckt sich über 15 Jahre, von 1976 bis 1991, spielt aber nur an fünf verschiedenen Tagen in dieser Zeit – insofern hat das Attribut "kurz" vielleicht doch seine Berechtigung. Die erzählte Zeit findet stichprobenartig statt: am 2. Dezember 1976, dem Tag vor dem Anschlag auf den Sänger sowie am 3. Dezember 1976, als acht Männer in das Haus des Sängers stürmen und um sich schießen, sowie an zwei weiteren Tagen in den Jahren 1979 und 1985, und schließlich am 22. März 1991, als der Gangleader Josey Wales im Gefängnis umgebracht wird.
Dieser Josey Wales ist die eigentliche Hauptfigur, um die sich alles dreht. Sein Aufstieg und Fall bilden den Erzählbogen von "Eine kurze Geschichte von sieben Morden". Er war tonangebend unter den acht Männern, die den Anschlag wohl im Auftrag der CIA auf den Sänger verübten. Einer dieser acht bat den Sänger um Verzeihung und wurde in seine Entourage aufgenommen. Die übrigen sieben aber werden im Verlauf des Romans getötet. Von Rache übenden Rastas, von Papa Lo oder im Zusammenhang mit anderen Verbrechen. Josey Wales ist der letzte, der stirbt - und damit endet die Geschichte. Es liegt nahe, dass der Titel sich auf diese sieben Morde bezieht. Allerdings hat auch Alex Pierce, Journalist des Rolling Stone und Augenzeuge des Anschlags von 1976, einen Artikel über Josey Wales geschrieben, der die Überschrift "Eine kurze Geschichte von sieben Morden" trägt. Der meint jedoch das Blutbad, das der Gangster in einem Crack-Haus in New York anrichtet.
Seinem Roman stellt Marlon James ein jamaikanisches Sprichwort voran, das für die Mehrdeutigkeit als Prinzip spricht und die Offenheit seines Kunstwerks unterstreicht:
"Wenn's nicht so war, dann war's so ähnlich"
Das Breitwandpanorama, das der Roman entwirft, umfasst die brutale politische und gesellschaftliche Realität Jamaikas in den 70er, 80er und frühen 90er Jahren. Die Entwicklung des Drogenhandels in den USA, Südamerika und der Karibik. Die Crack Epidemie in den nordamerikanischen Großstädten. Die Angst der USA, dass aus Jamaika ein zweites Kuba wird. Die Rolle der CIA bei der versuchten Ermordung des Friedensstifters Bob Marley, das Bestreben, die linksgerichtete Regierung zu destabilisieren. Genug Themen für mehrere Romane, man liest das alles mit wachsendem Staunen und stellenweise beinahe nostalgischem Vergnügen. Wenn beispielsweise der ebenso sarkastische wie begriffsstutzige CIA-Mann Barry Diflorio kaum glauben kann, dass sich im Iran gerade eine anti-amerikanische islamistische Revolution abspielt:
"Religion? Revolutionen werden von Linken, Hippies, Kommunisten, Baader-Meinhof-Spinnern gemacht, aber Religion? Wir leben im Jahr 1979, Mann. Die Hälfte der jungen Leute aus Saudi-Arabien und Iran lebt in Paris, trägt enge Jeans, lässt sich doppelt so oft in den Arsch ficken wie die durchschnittliche amerikanische Schwuchtel – wie soll denn da Religion wieder ein Rolle spielen?"
Große Teile des Romans sind in Patois geschrieben, der Volkssprache auf Jamaika
Das Leitmotiv des wuchtigen Buchs – das eigentlich Sensationelle inmitten dieses Themensturms - ist die Sprache. Verschiedene Sprachen, Codes, Dialekte, Slang. Sprache als Herrschaftsinstrument, als gesellschaftliche Messlatte, Sprache als Identitätsmerkmal, aber auch als Brandzeichen der Verlierer. Alle Figuren werden charakterisiert durch das aufgeschriebene gesprochene Wort. Und das ist gleichzeitig das Problem der deutschen Fassung. Denn große Teile des Romans sind in Patois geschrieben, der Volkssprache auf Jamaika. Man kennt sie aus jedem Reggae Song. Bob Marley hat den Getto-Slang nie abgelegt, die jamaikanische Mittel- und Oberschicht verachtete ihn dafür. Es ist eine Art grob verzerrtes Englisch. "If it no go so, it go near so", lautet beispielsweise das dem Roman vorangestellte jamaikanische Sprichwort im Original.Dafür gibt es im Deutschen keine idiomatische Entsprechung, und so entstand der korrekte, nur einen Hauch saloppe Satz "Wenn's nicht so war, dann war's so ähnlich".
Man muss dem Übersetzungsteam dankbar dafür sein, dass es gar nicht erst versucht hat, einen deutschen Dialekt heranzuziehen, etwa das Ruhrgebietsdeutsch, oder gar eine fehlerhafte Kunstsprache zu erfinden. Das wäre entweder lächerlich oder rassistisch ausgefallen. Die unvermeidbare Folge davon jedoch war, dass die deutsche Übersetzung den Sprachreichtum des Originals sehr glätten musste. Fünf Übersetzer haben mitgearbeitet, das Material wurde entlang der verschiedenen Ich-Erzähler aufgeteilt. Was sich als gute Idee erwies. So konnte die von Marlon James heraufbeschworende Polyphonie zumindest teilweise beibehalten werden. Ein einzelner Übersetzer wäre mit der Vielfältigkeit angesichts der begrenzten Möglichkeiten, die das Deutsche hier bietet, wahrscheinlich überfordert gewesen.
Darüber hinaus ist es Guntrud Argo, Robert Brack, Michael Kellner, Stephan Kleiner und Kristian Lutze gelungen, die Radikalität und die verschiedenen Sprachmelodien des Originals in die deutsche Version hinüberzuretten.
Da ist zum Beispiel Bam-Bam. Kaum 15 Jahre alt, schwer traumatisiert. Der Junge war dabei, als sein Vater und seine Mutter von Gangstern brutal umgebracht wurden. Jetzt wird er von anderen Gangstern unter Drogen gesetzt und zum Haus des Sängers gefahren, damit er auf ihn schießt. Das Attentat vollzieht sich durch Bam-Bams Augen als Bewusstseinsstrom in Blankvers, eine irritierend schöne Ballade in Rapform:
"Keiner sagt was, aber alle lachen
Die Knarre in meinem Schoß reibt an mir, reibt an mir
Und ich will ficken ficken ficken
Scheiß drauf
Mitten in Uptown
Auf der Flucht vor Babylon
Stau in Uptown
Auto über Auto über Auto
Stau in Kingston
Nageln wir ihn gleich hier fest, knipsen wir das Pussyhole aus (...)
Los, zahlen!
Die Dunkelheit kommt ganz schnell, wenn du nicht drauf achtest
Der Himmel wird rot, dann röter
Orange, dann noch mehr orange
Dann schwarz, dann schwärzer"
Die rasenden Gedanken eines verstörten Kindes, das zu grausamen Handlungen verführt wird – gegossen in reine Poesie. Der Klang und die Wut, The Sound and The Fury. Mit William Faulkner ist Marlon James oft verglichen worden. Wie Faulkner macht James den verachteten Slang der Unterschicht zu großer Literatur. Das hat er bereits in seinem zweiten Roman "The Book of Night Women" getan, in dem er von jamaikanischen Sklavinnen im 18. Jahrhundert erzählte, die sich gegen ihre Herren erheben.
Der junge Bam-Bam wird benutzt und weggeworfen: Kurz nach dem Attentat, das er kaum versteht, wird er lebendig begraben und erstickt. Auch dabei ist man live dabei, und gerade wegen der sprachlichen Intensität und Authentizität ist diese Szene kaum auszuhalten. Aber auch sehr ergreifend. Der Autor erspart einem nichts.
O-Ton Salman Rushdie: "Marlon has a talent for violence"
Marlon James habe ein Talent für Gewalt, sagt Salman Rushdie, und meint das durchaus positiv. Weil James selbst brutalste Gewalt exakt beschreibt, ganz nahe heranholt, sie beinahe fühlbar macht, ohne dass sein Text darüber zum Gewaltporno verkommt. Die jamaikanische Gesellschaft, in der er aufwuchs, war und ist eine ultrabrutale Machogesellschaft, extrem frauenfeindlich und homophob. Zwar entstammt Marlon James der Mittelschicht, die Familie wohnte in einem ruhigen Vorort von Kingston. Doch seine Jugend war geprägt von der Angst, als Schwuler geoutet zu werden, oder als "battyman", wie das jamaikanische Schimpfwort für homosexuelle Männer lautet. Der inzwischen offen schwul lebende Marlon James ist von dort geflohen. Er lehrt jetzt an einem College in Minnesota, USA. Er habe immer gewusst, schrieb er 2015 in einem Essay für die New York Times, dass er Jamaika verlassen müsse, "entweder in einem Flugzeug oder in einem Sarg".
Die einzige weibliche Erzählerin ist eine starke Identifikationsfigur
Diesen Satz lässt James die einzige weibliche Erzählerin sagen. Nina Burgess ist eine starke Identifikationsfigur, vor allem für Leserinnen, die die ansonsten rein männlich geprägte Geschichte mit ihrer sexualisierten, durchgehend frauenfeindlichen Sprache kaum erträglich finden würden. Auch Nina muss fliehen, denn sie stand vor dem Haus des Sängers, als auf ihn geschossen wurde, und könnte die Täter identifizieren. Die gebildete junge Frau behauptet, ein Kind von dem Sänger zu erwarten. Nina Burgess weiß, dass sie in dieser Gesellschaft Freiwild ist, ist aber nicht bereit, sich damit abzufinden. Auch nicht, als sie von Polizisten mitgenommen wird, von denen sie nichts Gutes erwartet:
"Du kannst unmöglich wissen, wie sich die tiefe Gewissheit anfühlt, dass diese Männer dich in ein paar Minuten vergewaltigen werden. Gott hat's gegeben, Mensch sich zum Narren gemacht, wie diese Cassandra aus der griechischen Mythologie im Geschichtsunterricht, auf die niemand hört, die sich nicht mal selbst hören kann. (...) Nach einer Weile merkst du, wie du zitterst, nicht vor Angst, sondern vor Wut. Ich ziehe den Schuh aus, den, an dem der Absatz noch dran ist, und umklammere ihn fest. Sobald sie die Tür aufmachen, wird einer von den Schweinen auf einem Auge nie wieder etwas sehen, ist mir egal, welcher. Er kann mich treten, erschießen, anal vergewaltigen, aber er wird mit dem Wissen leben, dass er für diese Pussy bezahlen musste."
Nina, die nach dem Tag, als sie zur Augenzeugin wurde, unter verschiedenen Namen immer wieder auftaucht, ist keine weibliche Alibifigur. Sie ist in diesem von schillernden Charakteren wimmelnden Roman einer der interessantesten überhaupt. Eine klarsichtige Frau, die sich weigert, zum Opfer zu werden. Man kann davon ausgehen, dass Marlon James ihr viel von sich selbst mitgegeben hat. Am Ende wird sie eine von nur zwei Hauptfiguren sein, die das Buch überleben.
Das zumindest kann man eindeutig feststellen. Bei allem anderen bleibt Marlon James dem Prinzip der Mehrdeutigkeit treu. Es wird nie ganz geklärt, ob Nina wirklich etwas mit dem Sänger hatte, und wenn ja, ob sie tatsächlich von ihm schwanger war. Auch bleibt bis zum Schluss offen, ob Barry Diflorio, der CIA-Büroleiter in Kingston, wirklich nichts von den Vorbereitungen zu dem Attentat am 2. Dezember 1976 wusste, oder ob er sich nur dumm stellte. Interpretationssache. Selbst, ob Josey Wales, der Drahtzieher und Drogenboss, tatsächlich in seiner Zelle umgebracht wird oder ob er seinen Tod nur inszeniert und in Wahrheit davonkommt, bleibt offen. Zumindest für misstrauische Leser. Es gibt sogar Menschen, die aufgrund all dieser vermuteten Täuschungsmanöver mit einer Fortsetzung rechnen. Folgen wird "Eine kurze Geschichte von sieben Morden" auf jeden Fall haben. HBO verfilmt das Buch als Serie. Marlon James selbst schreibt derzeit am Drehbuch mit.
Marlon James: "Eine kurze Geschichte von sieben Morden."
Übersetzt von Guntrud Argo, Robert Brack, Michael Kellner, Stephan Kleiner, Kristian Lutze.
Heyne Verlag München, 864 Seiten, 27.99 Euro
Übersetzt von Guntrud Argo, Robert Brack, Michael Kellner, Stephan Kleiner, Kristian Lutze.
Heyne Verlag München, 864 Seiten, 27.99 Euro