Es sind ja oft Dinge, die es noch nicht gibt, über die wir am meisten sprechen. Das große Stadion von Casablanca gehört dazu. Es ist gleichzeitig eines der Projekte im Königreich Marokko, über die wir vieles noch nicht wissen. Was es kostet, zum Beispiel, wie es aussehen wird. Die Antwort auch namhafte Experten auf diese Fragen lautet derzeit noch: Man weiß es noch nicht.
Klar ist, in Marokko wird gerade der größte Fußballtempel der Welt geplant, mit 115.000 Sitzplätzen, nicht weit von der Metropole Casablanca entfernt. 115.000 Sitzplätze sind eine enorme Größe. Selbst die einstigen Super-Stadien Santiago Bernabeu in Spanien und Maracana in Brasilien verfügen nach ihrem Rückbau nicht mehr über so viel Platz. Dort beläuft sich die Kapazität auf weniger als 80.000 Sitzplätze. Alles nach FIFA-Standards.
Warum setzt Marokko nun derart auf Größe? Mouher Lahcen ist Berater für Sportinfrastruktur in Marokko. Er beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Stadien in aller Welt und sagt ganz klar: Warum nicht? Warum solle Marokko nicht das größte Fußballstadion der Welt bekommen?
"Sagen wir mal so: Wir haben ja schon immer diesen Geist der Größe gepflegt in unserem tausend Jahre alten Imperium. Schon König Hassan, der zweite, hat in Casablanca eine riesige Moschee gebaut."
Marokko und seine Superlative
Bis vor gar nicht langer Zeit war das die größte Moschee der Welt. Mit Superlativen kennt man sich in jedem Fall aus in der nordafrikanischen Monarchie. Schon heute fährt hier die schnellste Eisenbahn Afrikas. Hier steht mit dem Turm Mohammed des sechsten das höchste Hochhaus Afrikas. Hinzu kommen die einst größte Entsalzungsanlage und das größte Solarkraftwerk der Welt.
Doch schaut manches Bauwerk buchstäblich aus wie ein weißer Elefant. Das neue Opernhaus in Rabat etwa, ein spektakuläres Theater, strahlend weiß, erbaut von der Stararchitektin Zaha Hadid. Es ist seit fünf Jahren fertig, doch es wird gar nicht genutzt.
Im Falle des großen Stadions von Casablanca steht die finale Kapazität womöglich auch noch nicht fest. Aber die Vorbereitungen zum Bau haben bereits begonnen. Was wir in Deutschland Baufeldfreimachung nennen, ist in Casablanca schon im Gange. Rodungen, Strom und Wasseranschlüsse und Straßenbau. Irgendwie müssen die Massen ja auch hinkommen. Zum Fußballfest. Die WM 2030 sei in jedem Fall mit sehr großen Erwartungen verbunden, sagt Mouher Lahcen auch für ihn erfülle sich nun ein Traum.
"Das Geld dafür haben wir nicht"
Diese WM werde Marokko noch bekannter machen, freut sich Mouher Lahcen. Das nütze nicht nur dem Tourismus, sondern dem ganzen Land. Lahcen ist ein gefragter Mann dieser Tage. Sogar aus Burkina Faso kam schon eine Delegation, um sich mit seiner Hilfe darüber zu informieren, wie der afrikanische Bruderstaat Marokko das Weltsportereignis 2030 vorbereitet:
"Das Geld dafür haben wir auch nicht, aber die FIFA muss die Investitionen kompensieren. Sie teilt sich die Erlöse mit den Gastgeberländern."
In jedem Fall herrschen bereits Bauboom und Goldgräberstimmung. Denn schon Ende 2025 wird Marokko den Afrika-Cup ausrichten. Die ersten Stadien von Tanger im Norden bis Agadir im Süden werden bereits erweitert und modernisiert. Dabei geht es um Eventtechnik aller Art, um Sitzschalen, Umkleidekabinen VIP-Bereiche und nicht zuletzt um Türschlösser.
Die Firma Ojmar aus Spanien bietet intelligente Türzylinder an, die ohne Schlüssel und ohne Strom auskommen. Marketingchef Aitor Elorza hat vor einigen Tagen in der Hauptstadt Rabat an einer Verkaufsmesse teilgenommen, erhofft wie andernorts zuvor auf lukrative Aufträge in Marokko:
"Bei Atletico Bilbao oder bei Eintracht Frankfurt. Je Stadion spricht man von 500 bis 1000 Schlössern."
Nutzen nach der WM noch offen: "Stadion ist ein Gewinn"
Und jedes Tür Schluss kostet Geld. Nach Insider-Informationen fließen bis 2030 Investitionen in Höhe von mehreren Milliarden US-Dollar in Marokkos Infrastruktur, Hotels, Transportmittel, Sportstätten. Was aber wird aus dem größten Fußballstadion der Welt, wenn die WM 2030 zu Ende ist?
Jedenfalls keine Investitionsruine, sagt Abderrahim el-Yadini. Der Architekt arbeitet für das marokkanische Planungsministerium:
"Diese Frage stellt sich in Marokko nicht. Das ist hier nicht wie in Katar, wo es keine Fußballkultur gibt, wo sie die Stadien zurückbauen mussten. Das Stadion ist ein Gewinn für Marokko. Hier ist Fußball eine Religion."
Das heißt, sagt der Ministeriale, es gebe keine Probleme, auch sehr große Stadien langfristig mit Sportevents zu füllen. Darüber hinaus gebe es genügend Konzerte und Festivals, um die größte Fußballarena der Welt auch nach 2030 bespielen zu können. Aber wann ist das Grand Stade Hassan in Casablanca fertig? Auf jeden Fall bis zur Fußball-WM 2030.