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Marokko
Desertec stirbt, die Wüste lebt

Desertec, das internationale Projekt mit dem Ziel, Solarstrom in Wüstenregionen zu ernten und nach Europa zu exportieren, steht kurz vor dem Aus. Doch in Marokko gibt es ehrgeizige Pläne, den wachsenden Energiebedarf mit Hilfe von Solarenergie zu decken.

Von Jens Borchers |
    Dutzende Sonnenkollektoren stehen am in einem Solarpark des Photovoltaik-Spezialisten IBC Solar an der Autobahn 70 bei Buckendorf (Bayern).
    Auch nach dem Misserfolg des Energieprojekts Desertec setzt Marokko auf erneuerbare Energien. (dpa / David Ebener)
    Desertec - der Strom aus der Wüste für Europa. Das sollte ein ganz großes Energieprojekt werden. 400 Milliarden Euro Investitionssumme, dicke Stromleitungen auf dem Boden des Mittelmeers, riesige Solarkraftwerke in der Wüste. Das war die Idee, große Konzerne schlossen sich zusammen, um sie umzusetzen. Daraus ist nichts geworden. Desertec ist gerade zu einer kleinen Beratungsfirma zurechtgestutzt worden. Aber in der marokkanischen Wüste entsteht tatsächlich ein riesiges Solarkraftwerk. Und das ist nur der Anfang einer ehrgeizigen Strategie für erneuerbare Energien, die das Königreich Marokko vorantreibt.
    Bakkoury: Desertec ist vor allem ein Konzept
    Desertec - das ist vor allem ein Konzept. Mustapha Bakkoury sagt das. Bakkoury ist so eine Art Herr über die Solarenergie in Marokko. Das Konzept der Desertec sei vor allem, Strom aus Sonnenenergie gewinnen zu wollen. Die Desertec Industrial Initiative, ach ja, die hatten sich die Marokkaner interessiert angeschaut. Und ganz nebenbei ihre völlig eigenen Pläne gemacht. Mit Zustimmung von höchster Stelle und das bedeutet in Marokko: König Mohammed VI. unterstützt das Ziel: 2.000 Megawatt! Bis 2020. Deshalb baut Marokko in seinen heißesten Regionen Solarwärmekraftwerke. Das bisher größte in Ouarzazate. Bisher wurden in Ouarzazate am Rande der Wüste vor allem Filme in einer Art Mondlandschaft gedreht. Jetzt recken sich die Spiegel des entstehenden Solarwärmekraftwerks nach der Sonne.
    Bakkoury: Das bisher größte Projekt seiner Art in der Welt
    "Man kann dieses Projekt als gigantisch bezeichnen. Einfach weil es, wenn die verschiedenen Phasen fertiggestellt sind, das größte Projekt seiner Art auf der Welt sein wird."
    Das ist wieder Mustapha Bakkoury, der Herr der Sonnenenergie in Marokko. Er platzte fast vor Stolz, als er das beim Beginn der Bauarbeiten für das Projekt Noor in Ouarzazate feststellte. Das bisher größte Solarwärmekraftwerk der Welt entsteht in Marokko. Das Sonnenlicht soll liefern, was Marokko immer dringender braucht: Strom. Ab August kommenden Jahres soll das erste der vier Kraftwerke des Solarkomplexes Noor ans marokkanische Netz gehen.
    Alle großen Desertec-Pläne vom Stromexport nach Europa sind erst mal aufgeschoben. Marokkos Strombedarf wächst Jahr für Jahr um sieben Prozent. Das Land musste etwas tun. Es tat etwas. Und zwar mit ziemlich viel Ehrgeiz. Bis 2020 sollen 42 Prozent der Stromproduktion mit erneuerbaren Energien erreicht werden: Sonne, Wind, Wasser. Wasserkraftwerke sorgen heute schon für viel Strom im Königreich.
    Schilling: Sehr ambitioniertes Ziel
    "30 Prozent der Stromerzeugungskapazitäten basiert auf erneuerbaren Energien. Wir befinden uns in einem Land mit einem Nachfragewachstum bei Strom von 7 Prozent pro Jahr und das erfordert natürlich einen unglaublichen Zubau an Stromerzeugungskapazität. Und wenn man es während dieses Zubaus gleichzeitig schaffen möchte, den Anteil Erzeugungskapazitäten von Erneuerbaren von 30 auf 42 Prozent zu erhöhen - dann ist das ein sehr ambitioniertes Ziel."
    Das ist Jan Schilling, Projektleiter bei Kreditanstalt für Wiederaufbau, der KfW. Die ist an der Finanzierung der ehrgeizigen Pläne Marokkos beteiligt. Allein im Solarbereich werden inklusive der geplanten Projekte knapp eine Milliarde Euro an Krediten vergeben werden. Dazu kommen noch große Windenergie-Projekte. Und niemand bei der KfW hat den Eindruck, Marokko wäre etwa zu ehrgeizig:
    Schilling: Marokko ist Vorreiter
    "Wir finden hier im Land sehr gut vorbereitete Projekte vor, die von starken Institutionen umgesetzt werden, die innovativ sind und damit auch eine Vorreiterrolle spielen können für die gesamte Region."
    Das wiederum macht die ganze Sache auch für deutsche Firmen hochinteressant. Siemens ist an Projekten in Marokko beteiligt, andere deutsche Unternehmen auch. Und sie haben potenzielle Zukunftsmärkte wie Algerien, Tunesien oder Ägypten schon jetzt im Blick.
    Bezahlbare Energie ist überlebenswichtig für diese Staaten. Marokko beispielsweise hat kein Erdöl, kein Erdgas, keine Steinkohle. Bisher muss das Königreich 95 Prozent seines Energiebedarfs importieren. Gleichzeitig wächst der Bedarf rasant. Deshalb die Flucht nach vorn zu den Erneuerbaren. Abderrahim al Hafidi vom marokkanischen Energieministerium nennt noch einen Grund:
    Hafidi: Zweifronten-Kampf: gegen Emission, für fossile Einsparung
    "Wir kämpfen an zwei Fronten: Wir verringern die Abhängigkeit von außen im Energiesektor und reduzieren die CO2-Emissionen, um die Umwelt zu schonen."
    Ehrgeizige Ziele haben die Marokkaner. Ach ja - und eine Stromleitung durchs Mittelmeer nach Spanien haben sie auch. Damit ließe sich irgendwann vielleicht der alte Desertec-Traum vom Stromexport aus Afrika nach Europa umsetzen. Aber erst mal braucht Marokko den Strom aus erneuerbaren Energien für den eigenen Bedarf.