36 Grad Hitze, Mehdia, bei Rabat in Nordmarokko. Ein langer Strand, mit einer Mole, Surfer sitzen am Peak - da wo sich die Wellen brechen. Der Strand ist übersäht mit Sonnenschirmen, davor sitzen Frauen, verhüllt, unter langen Gewändern in der brütenden Sonne. Junge Männer in Badehosen spielen Fußball, rennen lachend ins Wasser, toben, haben Spaß.
Ich selbst paddle mit meinem Surfboard raus und setze mich neben die Mole, während ich auf die nächste Welle warte, werde ich von frechen Jungs umzingelt, die mir an der Fußleine, der Leash, ziehen. Surfen in Marokko - eine Männerdomäne – doch plötzlich kommt ein winkendes Mädchen auf ihrem Surfboard auf mich zugepaddelt. Sie trägt einen schwarzen Neoprenanzug, darüber eine riesige hellblaue Regenjacke und einen ebenso blauen Schleier aus Lycra um ihren Kopf und den Hals gewickelt. Die Kleidung ist ihr im Weg, erschwert ihr das Paddeln, aber sie gibt alles in den Wellen.
"Seit drei Monaten bin ich richtig angefixt"
Wer ist das mutige Mädchen, will ich wissen und bitte sie um ein Interview Dafür muss sie erst am Strand ihren Vater um Erlaubnis fragen, der einverstanden und auch Surfer ist - Backenbart, weißes Lycrashirt und Boardshorts - Ausstrahlung cooler Surfer. Seine Frau neben ihm am Zelt ist der Kontrast: Komplett verhüllt, in einem blau-schwarzen Ganzkörperschleier. Am Zelt erfahre ich jetzt, dass ihre surfende Tochter Aisha heißt und 17 Jahre alt ist.
"Vor zwei Jahren habe ich mit dem Surfen angefangen, aber erst seit drei Monaten bin ich richtig angefixt und surfe ganz viel. Beigebracht hat es mir mein Vater."
Aisha erzählt weiter, dass hier fast nur Europäerinnen surfen, die in Marokko Urlaub machen. Keine ihrer muslimischen Freundinnen surfe. Warum das so sei, dafür haben Aisha und ihr Vater jeweils ganz unterschiedliche Erklärungen:
"Das liegt am Verhüllungsgebot. Viele meiner Freundinnen finden keine richtigen Anziehsachen, womit sie surfen und gleichzeitig Haare und den Körper verhüllen können."
"Das hat sie gesagt, das hat sie gesagt: nicht ich. Ich glaube nicht, dass das der Grund ist. Das hat nichts mit der Kultur zu tun, es gibt wenige Mädchen, die surfen, weil die nicht interessiert sind, Surfen ist für Frauen sehr schwer, denn man muss sich anstrengen, und es braucht dafür Mut."
Die Kleidung steht vielen Aktivitäten im Weg
Dabei ist seine Tochter Aisha doch der beste Beweis für eine mutige Frau. Was ich am Strand beobachte, bestätigt Aishas Begründung. Das Verhüllen hindert Frauen nicht nur an einem Wassersport wie Surfen, es erschwert oder verhindert sogar schon das Schwimmen im Meer. Viele Frauen stehen komplett bekleidet mit den Füßen in der Brandung, weiter geht es für sie nicht. Oder Beachball spielen. Eine Frau, die ich am Strand beobachte, hält beim Spielen unablässig den Schleier fest, sitzt nach ein paar Schlägen lange schwitzend unter ihrem Tuch: Die Kleidung steht vielen Aktivitäten im Weg.
An den meisten Badeorten dominieren deshalb Gruppen männlicher Marrokaner. Die Frauen gehen erst gar nicht an den Strand oder sind fast unsichtbar, in sich zurückgezogen unter den Gewändern. So wie Aishas Mutter, die so einen Strandtag verschleiert und allein im Zelt verbringt. Ob sie auch Lust habe, zu surfen, frage ich.
"Nein!"
"Warum nicht?"
"Ich komme aus Marrakesch und da wird nicht gesurft."
"Sie haben es nie gelernt?"
"Nein, nicht mal schwimmen"
"Ist ihnen denn nicht warm?"
"Nein, das ist total easy."
"Warum nicht?"
"Ich komme aus Marrakesch und da wird nicht gesurft."
"Sie haben es nie gelernt?"
"Nein, nicht mal schwimmen"
"Ist ihnen denn nicht warm?"
"Nein, das ist total easy."
In Metropolen wie Marrakesch oder den Regionen rund um die Touristenzentren in Agadir sind auch viele unverschleierte Frauen unterwegs, auch eine Menge im Bikini - aber oft sind sie Europäerinnen. Wünscht sich Aisha auch irgendwann mal ohne die störende Verhüllung zu surfen?
"Ohne Schleier? Nein, nein und nochmals nein!"