Marokkos Außenminister Nasser Bourita sagt, die Beweise seien unwiderlegbar und detailliert: Die Polisario soll Boden-Luft-Raketen vom Typ SAM 9 und SAM 11 bekommen haben. Diese Lieferung sei über die libanesische Hisbollah eingefädelt worden. Dabei habe auch ein Mitglied der iranischen Botschaft in Algerien eine Rolle gespielt. Damit beschuldigt Marokko gleich drei Seiten: Die libanesische Hisbollah als Waffenhändler, den Iran als Mitwisser und Algerien als einen Staat, der nicht kontrollieren könne, was ausländische Botschaften auf seinem Territorium so alles treiben.
Natürlich sind die "unwiderlegbaren Beweise" nicht öffentlich gemacht worden. Und natürlich stellt sich die Frage: Warum sollten die schiitische Hisbollah und der schiitische Iran plötzlich eine sunnitische Widerstandsbewegung wie die Polisario in der Westsahara unterstützen? Jawad Kerdoudi, Präsident des marokkanischen Institutes für Internationale Beziehungen, beantwortet diese Frage so:
"Der Iran will die religiöse Spaltung in den muslimischen Ländern vorantreiben und seinen Einfluss ausweiten."
Bruch mit dem Iran, Annäherung an USA und Saudi-Arabien
Die religiöse Spaltung, damit sind die andauernden Spannungen zwischen dem schiitischen Iran und dem sunnitischen Saudi-Arabien gemeint. Und natürlich deren jeweilige Alliierte. Deshalb, meint Jawad Kerdoudi, wolle der Iran das sunnitische Marokko destabilisieren und das gehe nun mal am besten am wunden Punkt Westsahara. Marokko hat dieses riesige Gebiet 1975 annektiert. Die von Algerien unterstützte Widerstandsbewegung Polisario will das nicht hinnehmen. Dieser Konflikt schwelt seit Jahrzehnten.
Natürlich dementiert Irans Führung die Vorwürfe der Marokkaner. Und die Hisbollah sagt, es gehe um etwas ganz anderes. Das Königreich habe sich von Saudi Arabien, den USA und Israel zu diesem Bruch mit dem Iran drängen lassen. Falsch, sagt Jawad Kerdoudi, der marokkanische Außenpolitik-Experte. Er glaube nicht, dass Marokko sich politischem Druck aus Riad, Washington oder gar Tel Aviv gebeugt habe. Aber dennoch fasst Kerdoudi die Konsequenzen dieser Entscheidung so zusammen:
"Die Folge ist eine Annäherung Marokkos an die arabischen Staaten. Und eventuell auch an die USA, denn die müssen am 12. Mai entscheiden, ob sie aus dem Atomdeal mit dem Iran aussteigen wollen. Marokko könnte also argumentieren: Seht her, der Iran liefert Waffen an die Polisario."
Das würde die Argumentation von Präsident Trump stützen, der den Iran als Bösewicht im Mittleren Osten ins Visier genommen hat. Ob es nun politischen Druck aus Saudi Arabien und den USA gegeben hat oder nicht – Marokko hat sich durch den Bruch mit dem Iran klar an die Seite der Saudis gestellt.
Marokko braucht Unterstützung im Westsahara-Konflikt
Aus Riad, aber auch aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrein und sogar aus Qatar kam dementsprechend auch Unterstützung. Ohnehin arbeiten die sunnitischen Könige Marokkos und Saudi Arabiens eng zusammen: Marokko beteiligt sich am Krieg gegen die schiitischen Huthis im Jemen. Die Golf-Staaten insgesamt investieren kräftig in Marokko.
Bisher hatte sich Marokkos König Mohammed VI. im Machtkampf zwischen Riad und Teheran nicht eindeutig positioniert. Jetzt doch. Dabei ist der Vorwurf, der Iran mische sich mittels der Hisbollah indirekt in den Konflikt um die Westsahara ein, das willkommene Instrument. Denn Marokko braucht Unterstützung für sein außenpolitisches Dogma, die Westsahara gehöre zum Königreich. Dabei könnten die USA helfen, die Saudis ebenfalls.
Marokkos Beziehungen zum Iran waren in den zurückliegenden Jahrzehnten immer wieder gestört. 1980 und 2009 hatte das Königreich die diplomatischen Verbindungen zum Iran gekappt, sie dann aber nach einigen Jahren immer wieder aufgenommen. Jetzt also der Bruch Nummer drei. Die politischen Kosten für Marokko wirken dabei überschaubar: Wirtschaftlich gab es keinen großen Austausch. Politisch sind die Saudis und die USA für den marokkanischen König ohnehin wichtiger – und genau das ist jetzt sehr deutlich geworden.