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Marsch der Flüchtlinge
"Ist das menschlich?"

Das Asylrecht in Europa hat gravierende Lücken. Für den einzelnen Flüchtling und seine Familie sind die Anerkennungs-, Bewegungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten eingeschränkt und führen mitunter zu inhumanen Lebensbedingungen. Jetzt marschieren die Betroffenen für ihre Rechte.

Von Tonia Koch |
    Flüchtlinge halten in Berlin bei einer Demonstration vor dem Reichstag ein Banner mit den Schriftzügen "Break Isolation" und "March for Freedom".
    Der "March for freedom" macht Station in Berlin (picture alliance / dpa)
    Die Forderung nach Freiheit für alle Menschen, sie verhallte gestern vor den Toren des Europäischen Parlaments in Straßburg weitgehend ungehört. Denn die EU-Parlamentarier waren nicht da, sie machen Wahlkampf in ihren Heimatländern. Für Jan, einen der Organisatoren des Flüchtlingsmarsches, ist das jedoch zweitrangig.
    "Ist so, aber die Wahl steht kurz bevor und wir setzen hier ein Zeichen. Wir gehen von einem Parlament der Europäischen Union zum anderen und fordern, dass sowohl im Parlament, im Rat als auch in der Kommission, die Position zum Asylsystem geändert wird."
    Die Regeln, denen die europäische Asylpolitik folgt, sind nach dem Ort benannt, in dem sie von den Staats- und Regierungschef beschlossen wurden und tragen daher die Überschrift: Dublin 1, 2 und 3. Aber nicht nur die Betroffenen, sondern auch Flüchtlingsorganisationen, Sozialverbände und Kirchen verbinden mit Dublin wenig Positives. Die europäische Flüchtlings- und Asylgesetzgebung wird als inhuman kritisiert. So sieht das auch Nala, eine Sudanesin, die in Deutschland um Asyl nachgesucht hat und seit zwei Jahren auf einen Bescheid wartet.
    "Was bedeutet Dublin 2: Eigentlich, dass ich nicht hier in Europa sein sollte. Sie wollen nicht, dass wir in Europa studieren, sie wollen nicht, dass wir uns bewegen, sie lassen uns keine Wahlmöglichkeiten, wir werden wie Maschinen behandelt."
    Kaum eine Chance auf Ankommen
    Wer es als Flüchtling überhaupt nach Europa schafft, der darf keine Wünsche haben, zumindest nicht in Bezug auf das Land, in dem er Zuflucht suchen möchte. Denn es ist immer derjenige europäische Mitgliedstaat für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig, in dem der Antrag erstmalig gestellt wird. Versuchen die Menschen trotzdem in einem anderen Land ihr Glück, dann werden sie in aller Regel dorthin zurückgebracht, wo sie hergekommen sind. Die Möglichkeit, tatsächlich irgendwo anzukommen, hätten die Wenigsten, sagt Jan.
    "Die Chancen auf eine Anerkennung sind gleich Null, weil die Leute meistens in den ersten Ländern, wo sie durchkommen, kontrolliert werden, dann nicht ihre Fluchtgründe schildern, sondern weiterreisen wollen. Aber dann, wenn sie nach Frankreich oder nach Deutschland kommen, wieder zurückabgeschoben werden in das erste Land - wo sie aber nicht ihre Fluchtgründe genannt hatten und deshalb dort auch kein Asyl bekommen."
    Schlauchboot treibt mit Flüchtlingen aus Afrika auf dem Mittelmeer.
    Bilder, die Geschichte schreiben - Flüchtlinge aus Afrika riskieren ihr Leben, um nach Europa zu kommen (dpa / Italian Navy Press Office )
    Flucht in die Illegalität
    Hussein, ein Junger Mann aus Bangladesch, ist einer von ihnen. Sein Asylantrag in Frankreich wurde abgelehnt, er hat sich in die Illegalität geflüchtet.
    "Wir haben kein Geld mehr und leben überwiegend auf der Straße. Manchmal bekommen wir bei karitativen Organisationen was zu essen."
    Auch ein junger Mann aus Afghanistan glaubt nicht mehr an eine Zukunft in Europa. Er hat sich aus der Enge eines niedersächsischen Aufnahmelagers davongestohlen und redet sich seinen Ärger von der Seele.
    "Wir dürfen nicht reisen, in meinem Lager ist eine Frau mit fünf Kindern und der Ehemann ist in München, ist das richtig, ist das menschlich?"
    In Deutschland besteht Residenzpflicht. Das heißt, Asylbewerber dürfen sich -wenn überhaupt- nur innerhalb der Grenzen ihres Bundeslandes bewegen. Aber nicht nur die aus Deutschland angereisten Teilnehmer des Friedensmarsches, sondern auch alle anderen hätten - gemessen an gültigen deutschen oder europäischen Rechtsvorschriften– nicht in Straßburg am Eingang des Europäischen Parlaments sein dürfen, denn keiner besitzt gültige Papiere.
    Aber die französische Bereitschaftspolizei, die zur improvisierten Pressenkonferenz der etwa 70 Marschteilnehmer angerückt war, zog sich nach wenigen Minuten diskret zurück. Die Forderungen nach einer Abschaffung der Dublin-Gesetzgebung wurden formuliert, dann machte sich die Gruppe auf den Weg. 450 Kilometer von Straßburg bis Brüssel liegen noch vor ihnen.