Die Reaktionen auf Schulz' Wahlerfolg konnten nicht überraschen: CDU-Generalsekretär Peter Tauber hielt dem neuen SPD-Vorsitzenden vor, sich nicht zu Inhalten zu äußern und der FDP-Vorsitzende Christian Lindner kritisierte dessen ablehnende Haltung zu Steuersenkungen. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch forderte Schulz auf, einer weiteren großen Koalition unter Merkel eine deutliche Absage zu erteilen. Die Grünen-Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir allerdings erklärten, sie freuten sich sehr darauf, gemeinsam mit Schulz "für ein weltoffenes und solidarisches Deutschland in einem vereinten Europa einzustehen."
Schulz will für mehr Gerechtigkeit kämpfen
In seiner Rede hatte Schulz die Partei auf den Wahlkampf eingeschworen. Er forderte seine Partei dazu auf, für mehr Gerechtigkeit in Deutschland zu kämpfen: Wenn die Sozialdemokraten nicht dafür sorgten, werde das niemand anderes machen. Jeder einzelne Mensch müsse Respekt bekommen. Dazu gehöre auch gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Das wolle die SPD gemeinsam mit den Gewerkschaften durchsetzen.
Die CDU kommentierte das auf ihrem Twitter-Kanal zum Bundestagswahlkampf mit dem Hinweis, dass die SPD doch schon die letzten Jahre habe mitbestimmen können.
Schulz forderte außerdem mehr Einstehen für Freiheit und Demokratie. Die SPD werde Islamisten wie Populisten entschieden bekämpfen. Wer Werte wie die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Frage stelle, habe in diesem Land keinen Platz. Die AfD sei "eine Schande für die Bundesrepublik". Konkrete Inhalte des Programms für die Bundestagswahl wolle er aber erst im Sommer präsentieren, sagte Schulz.
"Kandidat Schulz bleibt inhaltlich wie immer unkonkret", meinte daraufhin CDU-Generalsekretär Tauber. Die SPD arbeite sich noch immer an der Vergangenheit ab und hadere mit der erfolgreichen Agenda 2010. FDP-Parteichef Lindner wiederum meinte, die Mittelschicht habe von Herrn Schulz "nichts zu erwarten außer der alten, linken Leier."
Gabriel kämpft mit den Tränen
Die alte SPD, so sehen es manche, war allerdings vorher verabschiedet worden. Der bisherige SPD-Chef Sigmar Gabriel bekam langen Applaus von den Delegierten und war sichtlich gerührt. Er empfinde keine Melancholie, sagte Gabriel. Im Gegenteil dürfte es der fröhlichste und optimistischste Übergang zu einem neuen Parteivorsitzenden sein, den die SPD in den vergangenen Jahrzehnten erlebt habe. Der Aufbruch habe einen Namen: Martin Schulz.
Gabriel hatte Ende Januar bekanntgegeben, dass er zugunsten von Schulz auf Vorsitz und Kanzlerkandidatur verzichten wolle. Seitdem haben sich die Umfragewerte für die Sozialdemokraten deutlich verbessert. Gabriel erklärte, Schulz verkörpere mit seinem Leben all das, was für die Sozialdemokratie stehe. Er habe einen klugen und kühlen Kopf für Entscheidungen und ein großes und heißes Herz.
"Du kannst stolz auf dich sein"
Zum Auftakt des Sonderparteitags hatte die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin und SPD-Vize Hannelore Kraft den scheidenden Parteichef gelobt: Gabriel habe die Partei "wieder aufgerichtet" und ihr den Weg gezeigt. Den Blick zu Gabriel gewandt, sagte Kraft: "Du kannst stolz auf dich sein."
Gabriel war siebeneinhalb Jahre lang SPD-Vorsitzender. Zum Abschied bekam er ein Geschenk: ein gezeichnetes Porträt des Gründungsvaters der Sozialdemokratie in Deutschland, August Bebel (1840-1913). Sein Nachfolger Schulz sagte, das Bild solle ihn immer daran erinnern, dass er "einer der ganz Großen in der Tradition der Vorsitzenden der SPD" war.
(mw/fwa)