Das Ehepaar Martine und Jürgen Liminski, sie ist Pädagogin, er Journalist und vielen Hörerinnen und Hörern des Deutschlandfunk als Moderator bekannt, beide haben ihr "Abenteuer Familie" jetzt in Buchform vorgestellt, alle Erfahrungen niedergeschrieben, die sie bei der Erziehung ihrer zehn Kinder gemacht haben. Sie stimmen überein mit der Soziallehre der Katholischen Kirche und sehen die Familie als Keimzelle der Gesellschaft und als Zukunft der staatlichen Gemeinschaft.
Immer mehr Menschen in Deutschland bleiben kinderlos. Und die wenigen, die sich noch für Kinder entscheiden, delegieren das Erziehen lieber an Staat, Schulen und Kindergärten. Das beklagen zumindest die Volksschullehrerin Martine und ihr Mann, der Journalist Jürgen Liminski in ihrem Buch "Abenteuer Familie". Ihre zentrale Botschaft: Erziehung gehört in die Familie, für Eltern gibt es keinen Ersatz. In gemeinsam und getrennt verfassten Aufsätzen prangert das Autorenpaar das "Zeitalter der Beliebigkeit und der Erziehungsleere" an (Zitat S. 26):
Die Präsenz zu Hause zu stärken, müsste demnach ein Ziel für all jene sein, denen an einer persönlichen, mithin auch gesellschaftlich relevanten Erziehungsleistung gelegen ist. Aber gerade daran mangelt es. Die Politik hat den Herd zum Feind der Frau erklärt. Abgesehen davon, dass diese allgemeine Haltung, die man vor allem bei politisch tätigen Frauen antrifft, nicht gerade von Weitblick zeugt, gibt es mittlerweile auch Stimmen, die darauf hinweisen, dass es sich hier nicht nur um ein Privatvergnügen handelt, sondern um ein eminentes Problem der heutigen Gesellschaft.
Doch dieser Hieb der Autoren geht ins Leere. Längst haben sich andere Familienformen gebildet. Und die machen es notwendig, über eine Gesellschaft nachzudenken, die sich nicht mehr auf verbindliche Traditionen verlassen kann. Viele Mütter oder Väter müssen alleinerziehend über die Runden kommen. Andere haben sich in sogenannten Patchworkfamilien zusammengefunden. In "Abenteuer Familie" kommen sie nicht vor. Selbst konservative Bedenkenträger wie die Unionspartei, die lange für ein positives Image des Hausfrauendaseins gekämpft hat, bemühen sich mittlerweile um ein neues Familienbild und suchen nach Modellen, wie sich Familie und Beruf vereinbaren lassen.
Nicht so das Ehepaar Liminski. Die Autoren propagieren ihr, laut Klappentext, "geglücktes Familienleben" und verfechten es mit christlich-missionarischer Hingabe. "Erfolgreich erziehen: Liebe und was sonst noch nötig ist", so lautet der Untertitel ihres Konzepts, das sie selbst in besonderer Form erprobt haben. Zehn Kinder im Alter zwischen zehn und 29 Jahren haben sie großgezogen. Die Mutter, so lobt der ehemalige Bundesverfassungsrichter Professor Paul Kirchhof in seinem Vorwort zu dem Buch, widmet ihren Kindern vor allem Zeit und Zuwendung und gibt ihnen ein Zuhause. Und auch der Vater sehe seine erste Verantwortung in seinem Familienberuf, erst dann in seinem Erwerbsberuf.
Ehe und Familie als Keimzelle der Gesellschaft sollen geschützt werden, fordern die Autoren. Streng hält sich das Buch, das im Sankt Ulrich Verlag der Diözese Augsburg erschienen ist, an die Soziallehre der katholischen Kirche. Zahlreich sind die Verweise auf Zitate von Papst Johannes Paul II. oder anderen Kirchenlehrern. Martine und Jürgen Liminski konfrontieren den Leser mit Äußerungen, etwa, dass in Deutschland "das Geburtendefizit durch die Abtreibungsmentalität verschärft" werde. Oder, dass es heute kein Wagnis mehr sei, so wörtlich, "Schwule und Lesben zu hofieren und Prostituierte salonfähig zu machen", dass es aber mutig sei, für die Familien einzutreten.
Wer sich von solcher Argumentation nicht schrecken lässt, kann sich den Thesen des Buches widmen. Die Bestandsaufnahme für die Familie fällt hierbei düster aus: Kinder sind das Armutsrisiko Nummer eins. Familien haben viele Lasten zu tragen. Mit ihren Kosten sind sie aber weitgehend alleingelassen. Und das, obwohl Gesellschaft und Wirtschaft auf die nachfolgenden Generationen angewiesen sind.
Die Autoren plädieren deshalb für einen Erziehungslohn. Damit würde endlich die Familienarbeit Anerkennung finden. Nicht als Almosen von Vater Staat - Sozialhilfe also - sondern für geleistete, reale Arbeit. Wirtschaft und Kinderlose, die, so heißt es, "ein Interesse daran haben, dass es Kinder gibt, die gut erzogen sind", sollten deshalb stärker zur Kasse gebeten werden. (Zitat S. 26):
Ohne das Humanvermögen und die Familien wird die Gesellschaft zum sterilen Marktfaktor im Internet, ohne Gesicht, ohne menschliche Wärme. Ohne sie wird auch die Wirtschaft erheblich ärmer. Wenn Firmen heute einstellen, fragen sie nicht nur nach fachlicher Kompetenz, sondern vor allem nach sozialer Kompetenz, nach emotionaler Intelligenz, nach Teamfähigkeit, eben nach diesem Humanvermögen. Das benutzen die Unternehmen dann als Produktionsfaktor, eben als Humankapital.
Nur Eltern können für ein solches Humanvermögen sorgen, schreiben die Autoren. Von ihrer Erziehungsleistung profitiere die Gesellschaft. Oder sie leide darunter, wenn diese Arbeit nicht oder nur mangelhaft getan wird. Liminskis sehen sich deshalb als mittelständisches Familienunternehmen, das ein wichtiges "Produkt" liefert: verantwortungsbewusste, integre Kinder und Erwachsene. Doch wie kann gute Erziehung gelingen? Die Autoren setzen hier auf Rückbesinnung und klassische Erziehungsideale. Gemeinschaft und Geborgenheit, emotionale Zuwendung und Präsenz der Eltern, das ist ihr Wertekanon.
Dem ist sicher beizupflichten. Doch auch an dieser Stelle wieder der moralische Zeigefinger: Nur wer seinen Kindern ein solches Wertesystem vermittle, sei gegen eine Konsumwelt gewappnet, die mehr und mehr um sich greife – eine "Manipulationsgesellschaft zur Maximierung des Profits oder der Lust", so die Autoren. Neben bewährten Untersuchungen, leider ohne Quellen-Angaben, bietet das Buch in dieser Diskussion wenig neues. Dass Kinder etwa vor der Mattscheibe emotional verarmen und schöpferische Phantasie verloren geht, dürfte hinlänglich bekannt sein. Auch der Ratschlag, dass, wer sich ein Handy leistet, für die Rechnung selbst gerade stehen muss, führt Eltern nicht wirklich zu neuen Erkenntnissen (S. 146):
Fazit: Es ist nachzuvollziehen, wenn das Ehepaar Liminski mit einer kinderentwöhnten Gesellschaft hart ins Gericht geht. Und auch ihre Forderung, Familienarbeit politisch und finanziell endlich einen neuen Stellenwert zu geben, ist nur zu unterstützen. Doch keineswegs wächst eine gleichgültige, egozentrische Elterngeneration heran, die den Kontakt mit ihren Kindern aufs Spiel setzt, wie es das Buch an manchen Stellen glauben machen will. Die modernen Mütter und Väter suchen Hilfe beim Spagat zwischen Familie und Beruf. Darauf bleiben die Autoren jede Antwort schuldig (Zitat S. 179):
Es geht vielen Vereinbarkeitsfanatikern darum, die Frauen mit ideologischer Gewalt in eine sozialpflichtige Erwerbsarbeit zu drängen und somit die Sozialsysteme noch über ein paar Runden weiter, sprich, über die nächsten Wahltermine zu schleppen. Wer es ehrlich meint, der schafft Wahlfreiheit. Das ist auch zu finanzieren. Statt jährlich 9 Milliarden Euro für Kindergärten, -krippen und –horte aufzuwenden und demnächst noch mehr Geld in diese Orte der Betreuung zu investieren, sollte man es den Eltern freistellen, ob sie selber erziehen oder fremdbetreuen lassen.
Wahlfreiheit für Eltern, das ist am Ende des Buches ein wirklich guter Ansatz. Zu schade, dass diese Diskussion gleich wieder abgebrochen wird.
Eine Buchkritik von Ilka Münchenberg. Es ging um das Buch von Martine und Jürgen Liminski: Abenteuer Familie. Erschienen ist es im Augsburger Sankt Ulrich Verlag, hat 216 Seiten und kostet 18,90 Euro.
Immer mehr Menschen in Deutschland bleiben kinderlos. Und die wenigen, die sich noch für Kinder entscheiden, delegieren das Erziehen lieber an Staat, Schulen und Kindergärten. Das beklagen zumindest die Volksschullehrerin Martine und ihr Mann, der Journalist Jürgen Liminski in ihrem Buch "Abenteuer Familie". Ihre zentrale Botschaft: Erziehung gehört in die Familie, für Eltern gibt es keinen Ersatz. In gemeinsam und getrennt verfassten Aufsätzen prangert das Autorenpaar das "Zeitalter der Beliebigkeit und der Erziehungsleere" an (Zitat S. 26):
Die Präsenz zu Hause zu stärken, müsste demnach ein Ziel für all jene sein, denen an einer persönlichen, mithin auch gesellschaftlich relevanten Erziehungsleistung gelegen ist. Aber gerade daran mangelt es. Die Politik hat den Herd zum Feind der Frau erklärt. Abgesehen davon, dass diese allgemeine Haltung, die man vor allem bei politisch tätigen Frauen antrifft, nicht gerade von Weitblick zeugt, gibt es mittlerweile auch Stimmen, die darauf hinweisen, dass es sich hier nicht nur um ein Privatvergnügen handelt, sondern um ein eminentes Problem der heutigen Gesellschaft.
Doch dieser Hieb der Autoren geht ins Leere. Längst haben sich andere Familienformen gebildet. Und die machen es notwendig, über eine Gesellschaft nachzudenken, die sich nicht mehr auf verbindliche Traditionen verlassen kann. Viele Mütter oder Väter müssen alleinerziehend über die Runden kommen. Andere haben sich in sogenannten Patchworkfamilien zusammengefunden. In "Abenteuer Familie" kommen sie nicht vor. Selbst konservative Bedenkenträger wie die Unionspartei, die lange für ein positives Image des Hausfrauendaseins gekämpft hat, bemühen sich mittlerweile um ein neues Familienbild und suchen nach Modellen, wie sich Familie und Beruf vereinbaren lassen.
Nicht so das Ehepaar Liminski. Die Autoren propagieren ihr, laut Klappentext, "geglücktes Familienleben" und verfechten es mit christlich-missionarischer Hingabe. "Erfolgreich erziehen: Liebe und was sonst noch nötig ist", so lautet der Untertitel ihres Konzepts, das sie selbst in besonderer Form erprobt haben. Zehn Kinder im Alter zwischen zehn und 29 Jahren haben sie großgezogen. Die Mutter, so lobt der ehemalige Bundesverfassungsrichter Professor Paul Kirchhof in seinem Vorwort zu dem Buch, widmet ihren Kindern vor allem Zeit und Zuwendung und gibt ihnen ein Zuhause. Und auch der Vater sehe seine erste Verantwortung in seinem Familienberuf, erst dann in seinem Erwerbsberuf.
Ehe und Familie als Keimzelle der Gesellschaft sollen geschützt werden, fordern die Autoren. Streng hält sich das Buch, das im Sankt Ulrich Verlag der Diözese Augsburg erschienen ist, an die Soziallehre der katholischen Kirche. Zahlreich sind die Verweise auf Zitate von Papst Johannes Paul II. oder anderen Kirchenlehrern. Martine und Jürgen Liminski konfrontieren den Leser mit Äußerungen, etwa, dass in Deutschland "das Geburtendefizit durch die Abtreibungsmentalität verschärft" werde. Oder, dass es heute kein Wagnis mehr sei, so wörtlich, "Schwule und Lesben zu hofieren und Prostituierte salonfähig zu machen", dass es aber mutig sei, für die Familien einzutreten.
Wer sich von solcher Argumentation nicht schrecken lässt, kann sich den Thesen des Buches widmen. Die Bestandsaufnahme für die Familie fällt hierbei düster aus: Kinder sind das Armutsrisiko Nummer eins. Familien haben viele Lasten zu tragen. Mit ihren Kosten sind sie aber weitgehend alleingelassen. Und das, obwohl Gesellschaft und Wirtschaft auf die nachfolgenden Generationen angewiesen sind.
Die Autoren plädieren deshalb für einen Erziehungslohn. Damit würde endlich die Familienarbeit Anerkennung finden. Nicht als Almosen von Vater Staat - Sozialhilfe also - sondern für geleistete, reale Arbeit. Wirtschaft und Kinderlose, die, so heißt es, "ein Interesse daran haben, dass es Kinder gibt, die gut erzogen sind", sollten deshalb stärker zur Kasse gebeten werden. (Zitat S. 26):
Ohne das Humanvermögen und die Familien wird die Gesellschaft zum sterilen Marktfaktor im Internet, ohne Gesicht, ohne menschliche Wärme. Ohne sie wird auch die Wirtschaft erheblich ärmer. Wenn Firmen heute einstellen, fragen sie nicht nur nach fachlicher Kompetenz, sondern vor allem nach sozialer Kompetenz, nach emotionaler Intelligenz, nach Teamfähigkeit, eben nach diesem Humanvermögen. Das benutzen die Unternehmen dann als Produktionsfaktor, eben als Humankapital.
Nur Eltern können für ein solches Humanvermögen sorgen, schreiben die Autoren. Von ihrer Erziehungsleistung profitiere die Gesellschaft. Oder sie leide darunter, wenn diese Arbeit nicht oder nur mangelhaft getan wird. Liminskis sehen sich deshalb als mittelständisches Familienunternehmen, das ein wichtiges "Produkt" liefert: verantwortungsbewusste, integre Kinder und Erwachsene. Doch wie kann gute Erziehung gelingen? Die Autoren setzen hier auf Rückbesinnung und klassische Erziehungsideale. Gemeinschaft und Geborgenheit, emotionale Zuwendung und Präsenz der Eltern, das ist ihr Wertekanon.
Dem ist sicher beizupflichten. Doch auch an dieser Stelle wieder der moralische Zeigefinger: Nur wer seinen Kindern ein solches Wertesystem vermittle, sei gegen eine Konsumwelt gewappnet, die mehr und mehr um sich greife – eine "Manipulationsgesellschaft zur Maximierung des Profits oder der Lust", so die Autoren. Neben bewährten Untersuchungen, leider ohne Quellen-Angaben, bietet das Buch in dieser Diskussion wenig neues. Dass Kinder etwa vor der Mattscheibe emotional verarmen und schöpferische Phantasie verloren geht, dürfte hinlänglich bekannt sein. Auch der Ratschlag, dass, wer sich ein Handy leistet, für die Rechnung selbst gerade stehen muss, führt Eltern nicht wirklich zu neuen Erkenntnissen (S. 146):
Fazit: Es ist nachzuvollziehen, wenn das Ehepaar Liminski mit einer kinderentwöhnten Gesellschaft hart ins Gericht geht. Und auch ihre Forderung, Familienarbeit politisch und finanziell endlich einen neuen Stellenwert zu geben, ist nur zu unterstützen. Doch keineswegs wächst eine gleichgültige, egozentrische Elterngeneration heran, die den Kontakt mit ihren Kindern aufs Spiel setzt, wie es das Buch an manchen Stellen glauben machen will. Die modernen Mütter und Väter suchen Hilfe beim Spagat zwischen Familie und Beruf. Darauf bleiben die Autoren jede Antwort schuldig (Zitat S. 179):
Es geht vielen Vereinbarkeitsfanatikern darum, die Frauen mit ideologischer Gewalt in eine sozialpflichtige Erwerbsarbeit zu drängen und somit die Sozialsysteme noch über ein paar Runden weiter, sprich, über die nächsten Wahltermine zu schleppen. Wer es ehrlich meint, der schafft Wahlfreiheit. Das ist auch zu finanzieren. Statt jährlich 9 Milliarden Euro für Kindergärten, -krippen und –horte aufzuwenden und demnächst noch mehr Geld in diese Orte der Betreuung zu investieren, sollte man es den Eltern freistellen, ob sie selber erziehen oder fremdbetreuen lassen.
Wahlfreiheit für Eltern, das ist am Ende des Buches ein wirklich guter Ansatz. Zu schade, dass diese Diskussion gleich wieder abgebrochen wird.
Eine Buchkritik von Ilka Münchenberg. Es ging um das Buch von Martine und Jürgen Liminski: Abenteuer Familie. Erschienen ist es im Augsburger Sankt Ulrich Verlag, hat 216 Seiten und kostet 18,90 Euro.