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"Mary Jane"-Messe in Berlin
Hanf wieder salonfähig machen

Hanf ist nicht gleich Hanf: Nicht nur berauschen kann man sich mit der Pflanze. Das sieht man auch auf der "Mary Jane" so, Deutschlands größter Hanfmesse. Die Veranstalter wollen mit dem Kiffer-Image von Hanf aufräumen. Geraucht wurde trotzdem.

Von Dörte Fiedler |
    Cannabis-Pflanze in der Nähe der nordisraelischen Stadt Safed
    Cannabis-Pflanze (dpa / picture alliance / Abir Sultan)
    Reporterin: "Also, es ist Samstagnachmittag, ich stehe hier am Postbahnhof. Hier findet heute die "Mary-Jane"-Hanfmesse statt."
    "Mary Jane Berlin", der offizielle Name nutzt den Slangbegriff Mary Jane, den Kosename für Marihuana. Damit wird natürlich zuerst das Klischee einer Veranstaltung rund um das Rauschmittel Hanf bedient.
    Reporterin: "Es sind unglaublich viele Leute hier. Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Ich habe so klischeemäßig an jedem, der an mir vorbeiging, geschnuppert und geguckt, ob die Zigarettensalven irgendwie nach Cannabis riechen, ist natürlich ein Riesenstereotyp."
    Aber Hanf ist ja nicht gleich Hanf. Aus den Fasern der Nutzpflanze kann man Dämm- und Isolierstoffe gewinnen, Nutzhanf ist Grundlage für Textil und Papierprodukte, für Kosmetik und Nahrungsmittel, und enthält eben kaum THC, den psychoaktiven Stoff, der die Grundlage für Halluzinogene wie Haschisch oder Marihuana ist.
    Reporterin: "Mal sehen, was mich da drin erwartet, ich geh mal rein."
    "Wir wollten die Vielfältigkeit dieser Pflanze zeigen"
    Auf dem Hof des Geländes hangele ich mich in allgemeiner Jahrmarktatmosphäre zwischen Liegenstühlen, Fressbuden und entspannt in der Sonne sitzenden Grüppchen tatsächlich von einem kleinen Cannabiswölkchen zum nächsten.
    Reporterin: "Ok. Hier liegen die ersten Typen rum, mit merkwürdigen Afrolook-Perücken und Hanfblatt-Aufklebern und Reggae-Farben und es läuft Reggae-Musik. Ah, hier ist der Eingang."
    Die Mary Jane Berlin will nicht nur Messe mit Ausstellern und Vortragsprogramm sein, sondern gleichzeitig auch Festival mit Livemusik, DJs und Chill-out-Zone. Im Inneren des Messegeländes sind an die 100 Aussteller zu sehen. Worum es den Organisatoren geht, beschreibt Nhung Nguyen aus dem Veranstalterteam so:
    "Wir wollten die Vielfältigkeit dieser Pflanze zeigen, einerseits durch das Programm und andererseits durch die Aussteller. Im Programm ist es so, dass wir drei Thementage haben, Freitag war Hanf in der Medizin beziehungsweise Wissenschaft, Samstag Hanf im Alltag beziehungsweise Industrie und Sonntag Hanf in der Politik."
    Die Vorträge reichen von Berichten von Patienten, die Cannabis auf Krankenschein bekommen und aufklären, was man dafür braucht, über industriellen Hanfanbau in Brandenburg bis hin zum Vortrag des Berliner Jugendrichters Andreas Müller über Kiffen und Kriminalität. Als ich durch die Messe wandere, gibt es gerade einen Vortrag zu Bewässerungssystemen für den Eigenanbau.
    "Großes Interesse besteht jetzt nicht gerade an diesem Vortrag, ist auch ein bisschen laut hier."
    Vorbei an Raucherbedarfsartikeln, den für Joints typischen langen Drehpapieren, Keramikfiltern, Düngemittelherstellern…
    "Hier gibt es einen Stand mit Hanfölen Kosmetik und so was."
    Die Pflanze wieder "salonfähig" machen
    Vorbei an Indoor-Zelten für den Pflanzenanbau in der eigenen Wohnung, an Vaporisierungsgeräten zum Verdampfen von Cannabis und den Ständen von Piratenpartei und Grünen, treffe ich in der oberen Etage die Ausstellerin Petra Rusch. Sie stellt hier ihr Label für Hanfkleidung vor und erzählt mir, wo die großen Vorteile der Hanfpflanze als Nutzgewächs liegen:
    "Erstens mal ist das ein ganz alte Kulturpflanze, die bei uns schon immer angebaut wurde. Wir hatten Leinen, Hanf, Brennnessel und Wolle, also für den textilen Bereich. Und der Hanf wächst halt innerhalb von 100 Tagen, den kannst du zweimal im Jahr anbauen, ohne Chemie, ohne Probleme wächst der Hanf bis zu vier Meter hoch, und du kannst bis zu 40.000 Produkte aus einer Pflanze herstellen. Und das ist eine Sache, die ich eigentlich für Mensch um Umwelt ganz wichtig finde."
    Die Pflanze wieder "salonfähig" machen, das möchte Petra Rusch. Und die Messe, trotz oder gerade wegen ihres bunt gemischten Eventcharakters, versucht genau das, auf kleinem Niveau. Auf dem Weg nach draußen begegne ich Tom und Julian, die vielleicht das Paradebeispiel einer Generation sind, die die Nutzpflanze Hanf in anderes Licht stellen werden:
    - "Warum seid ihr hier?"
    - "Ehrlich gesagt weil wir uns zum Thema Industriehanf selbstständig machen wollen. Ende Sommer eröffnen wir in Hamburg einen Shop und auch eine Homepage und einen Onlineshop und wollten uns einfach mal einen Überblick verschaffen, was an Angeboten und an Nachfrage besteht zu solchen Produkten."