Wenn wir auf unseren Reisen in alle Welt fliegen, dann bewegen wir uns, ohne darüber nachzudenken, in sicheren Lufträumen. Dass diese sicher sind, dafür sorgen im Hintergrund zivile und militärische Einrichtungen mit boden- und luftgestützten Radaranlagen. Eine dieser Einrichtungen ist das North American Aerospace Defence Command oder kurz NORAD. Am 24. Dezember ist es schon seit Jahren Tradition, dass NORAD den Luftraum für Santa Claus sichert und überwacht.
"NORAD überwacht den Flug von Santa Claus."
So hört sich das an, wenn NORAD den Flug von Santa Claus verfolgt. Man kann dann weltweit im Internet direkt im NORAD Center auf dem Radarschirm sehen, wo Santa gerade unterwegs ist und seine Geschenke ausliefert.
Bevor NORAD den Flug von Santa überwacht, ist es Tradition, dass die Kommandeure den Einheiten, die diese Radarbilder während des übrigen Jahres bereitstellen, einen weihnachtlichen Besuch abstatten. Deutsche Radarspezialisten tun dies auf der NATO-Airbase in Geilenkirchen. Drei der Radarüberwachungsflugzeuge aus Geilenkirchen sind seit 2011 in Afghanistan stationiert. Begleiten wir also nun die beiden NATO-Kommandeure Jochen Both und Andrew Mueller auf ihrem Weihnachtsflug zu den Crewmitgliedern, die während der Feiertage in Afghanistan im Einsatz sind.
6,5 Stunden Flugzeit bis Masar-i-Scharif
Unser Flug beginnt auf dem Vorfeld der NATO-Airbase in Geilenkirchen, das direkt an der niederländischen Grenze liegt. Unsere Maschine startet am frühen Morgen in den winterlichen Himmel. Das Ziel ist der mehr als 5000 Kilometer entfernte Flughafen in Masar-i-Scharif im Norden von Afghanistan. Im Cockpit gibt es reichlich zu tun, denn wir überfliegen eine ganze Reihe von Ländern. Captain Mollevan erklärt uns kurz hinter Budapest die gesamte Route.
"Wir haben unsere Reiseflughöhe von 39.000 Fuß erreicht. Unsere Flugstrecke führte von Geilenkirchen über Liège in Belgien direkt nach Frankfurt. Der nächste Wegpunkt war südlich von Prag in Tschechien. Dann ging es über die Slowakei. Vor zehn Minuten haben wir Budapest, die Hauptstadt von Ungarn passiert. Vor uns liegt Rumänien und das Schwarze Meer. Dann führt unsere Route über Georgien und das Kaspische Meer. An der Ostküste fliegen wir dann über ganz Turkmenistan und beginnen an der Grenze zu Afghanistan unseren Anflug auf Masar-i-Scharif."
Während der 6,5 Stunden Flugzeit gibt es viel Zeit für persönliche Gespräche. Generalmajor Jochen Both hat seinen Dienst seinerzeit bei der Bundeswehr als Starfighter Pilot begonnen. Heute ist er der NATO-Kommandeur für Europa. Das persönliche Überbringen der Weihnachtsgrüße ist ihm ein wichtiges Anliegen.
"Weihnachten im Einsatzland und dann entfernt von der Familie, ohne eigentlich die Chance zu haben, kurz mal in ein Flugzeug zu steigen und zurückzufliegen. Das ist schon etwas besonders. Es ist wichtig zu verstehen, dass im Einsatzland Weihnachten gefeiert wird. Auch dort werden sich die Kameraden zusammensetzen und an ihre Familien denken, auch an den Sinn, nicht nur an den Einsatz. Es ist heute ein Zeitpunkt, wo man darauf hinweist und sagt: Wir sind stolz darauf, dass ihr das für uns macht, und wir bedanken uns."
Soldaten aus 17 Nationen
Generalmajor Andrew Mueller ist Amerikaner und der Kommandeur der AWACS-Flotte in Geilenkirchen. Weihnachten, so sagt er, ist gerade für die Crews der NATO, die aus 17 Nationen kommen, ein ganz spezielles Fest.
"Bei der Vorbereitung auf die Feiertage möchte ich als Kommandeur der NATO-Crew sicherstellen, dass unser Personal in Masar-i-Scharif Weihnachten in einer Art und Weise feiern kann, die den jeweiligen Bräuchen der verschiedenen Herkunftsländer unserer Soldaten entsprechen. Deshalb habe ich auch unseren Kaplan von der Airbase in Geilenkirchen mitgenommen. Er wird sich in Masar-i-Scharif darum kümmern, dass für alle unsere Crewmitglieder, die während der Weihnachtszeit dort unten im Dienst sind, gut gesorgt ist."
Der Kaplan ist Captain Jeremy Gorline, und er schaut nachdenklich aus dem Fenster, während wir das Schwarze Meer südlich von Jalta und der Halbinsel Krim überqueren. Jeremy Gorline fliegt nicht zum ersten Mal nach Masar-i-Scharif. Er kennt das Camp bereits und natürlich seine dort stationierten Kameraden.
"Als Kaplan ist es meine Hauptaufgabe, für die spirituellen und emotionalen Bedürfnisse unserer Soldaten zu sorgen. Ich werde unter anderem auch Gottesdienste mit unseren Crewmitgliedern feiern. Im Camp Marmal gibt es eine sehr schöne kleine Kapelle. Aus den persönlichen Gesprächen nehme ich gerne Gedanken und Grüße mit nach Hause zu den Familien, mit denen wir immer engen Kontakt halten. Es ist eine besonders schöne Sache für mich, das für sie dort unten zu tun."
Während wir uns noch unterhalten, wird es draußen allmählich dunkel. Als wir den Landeanflug beginnen, wird deutlich, dass dies kein normaler Passagierflug ist. Am Flugzeug werden sämtliche Positionslichter ausgeschaltet. Die Kabinenbeleuchtung wird gelöscht und die Fenster verdunkelt. Es wird still im Flugzeug und wir warten gespannt auf den Moment der Landung.
Unsere Maschine kommt auf dem militärischen Teil des Flughafens zum Stillstand. Die Türen öffnen sich und warme Luft weht uns aus der dunklen Nacht entgegen. Neben unserem Flugzeug steht eine der AWACS-Maschinen mit dem Radarpilz auf dem Dach. Irgendwo rattert ein Hubschrauber durch die Dunkelheit, ohne Positionslichter, man hört ihn nur. Das Camp Marmal grenzt direkt an das Vorfeld des Flughafens. Im Bus passieren wir Sicherheitsposten. Der kurze Weg führt uns an einer kleinen siebeneckigen Kirche vorbei, die wie ein Zelt in der Wüste anmutet. Aus dieser Kirche übertrug der Deutschlandfunk am 24. Dezember 2011 den Weihnachtsgottesdienst.
Alles für eine weihnachtliche Atmosphäre
Schräg gegenüber der Kirche befinden sich die Gemeinschaftsräume des Camps mit einem geräumigen Innenhof. Durch eine gläserne Tür geht es in einen größeren Raum, den die Soldaten Planet Mazar nennen. 110 Crewmitglieder haben sich versammelt und warten bei lockerer Stimmung auf die Kommandeure.
"Ladies and Gentlemen - the Force Commander Both and Commander Mueller."
Generalmajor Both tritt an das Rednerpult und gratuliert den Crewmitgliedern, dass sie seit 2011 ihre 10.000. Einsatzstunde ohne Zwischenfälle geflogen haben. Dann reflektiert er die besondere Art, wie seine Crewmitglieder das bevorstehende Weihnachtsfest im Camp erleben. Arne Pollats steht neben uns. Er ist ein belgisches Crewmitglied auf der AWACS. Es ist bereits sein zweites Weihnachtsfest im Camp, berichtet er uns.
"Wir haben alles, was eine weihnachtliche Atmosphäre ausmacht. Wir stellen einen großen Weihnachtsbaum mit Kugeln und Sternen auf und dekorieren unsere Räume mit Lichterketten. In unserer Kapelle wird die Weihnachtsmette gefeiert und was mir besonders gut gefällt, wir singen zusammen Weihnachtslieder. Im Innenhof unserer Kantine und Gemeinschaftsräume haben die deutschen Kameraden sogar einen Weihnachtsmarkt aufgebaut, das finden wir alle wirklich gut."
Im Camp gibt es während der Feiertage viele weihnachtliche Elemente, sei es Santa Claus in einem zum Schlitten umgebauten Golfkart oder sei es das Postbüro, in dem Überstunden geleistet werden. Natürlich gibt es auch ein Festessen, aber es gibt auch sehr nachdenkliche Momente, erzählt uns Oberstleutnant Norbert Wittke.
"Also die weihnachtlichen Momente, gerade im Angesicht mit der permanenten Bedrohung, die nach wie vor da ist … Man bekommt eine Bedeutung davon, was Weihnachten für uns hier ist und auch … letztendlich sind wir ja auch dazu da, um den Frieden zu sichern. Was denn dein friedliches Weihnachten für die daheimgebliebenen Familien in Deutschland bedeutet, das wird einem hier sehr klar."
Was uns während der kurzen Zeit unseres Besuches im Camp Marmal klar geworden ist, ist die Tatsache, dass der ursprüngliche Sinn des Weihnachtsfestes hier in den Gedanken der Männer und Frauen sehr präsent ist. Auf der Rückfahrt zu unserem Flugzeug passieren wir noch einmal die kleine Kirche, die in diesen Tagen eine besondere Bedeutung hat.