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Massaker per SMS

Rebellen der Hutu-Miliz FDLR begehen täglich Massaker an der kongolesischen Bevölkerung. Präsident der FDLR ist der in Deutschland lebende Ignace Murwanashyaka. Er muss sich am Oberlandesgericht in Stuttgart wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten.

Von Simone Schlindwein |
    Luvungi, ein kleines Dorf – tief im Dschungel, im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Ein paar Hundert Lehmhütten mit Strohdächern schmiegen sich an die steilen Hänge. Durch die Dorfmitte – im Tal gelegen – führt eine matschige Piste. Es ist die einzige Straße, die sich durch den undurchdringlichen Dschungel windet. Hinter den Hütten von Luvungi ragen die mächtigen Bäume des Regenwaldes empor. Von dort aus drangen die Rebellen der FDLR nach Luvungi ein, berichtet eine der Frauen.

    "Es waren mehr als 100 Rebellen, sie kamen am späten Abend, so gegen 23 Uhr. Sie brüllten: 'Wir sind gekommen, um uns um euch zu kümmern'. Sie brachen mit Gewalt Türen auf und drangen in die Häuser ein. Wenn sie eine Frau fanden, haben sie sie vergewaltigt. Wir wollten wegrennen, in den Busch. Aber auch dort haben sie uns gefunden und ein paar von ihnen haben uns dort vergewaltigt."

    Die Frau, die hier so tapfer über den Rebellenangriff berichtet, will ihren Namen nicht nennen. Sie hat Angst, dass die Rebellen zurückkehren, um sie zum Schweigen zu bringen. Sie sitzt mit vier weiteren Frauen in einer Lehmhütte ohne Fenster. Drei von ihnen sind schwanger – von den Vergewaltigungen.

    "Die Rebellen verbrachten drei Tage im Dorf: Samstag, Sonntag und Montag. Am Dienstag verließen sie das Dorf und nahmen uns mit in den Busch, wo sie uns erneut vergewaltigten. Dann ließen sie uns im Wald zurück und verschwanden. Wir waren hilflos, auf uns allein gestellt. Uns ging es sehr schlecht, wir bluteten. Einige sind an den inneren Verletzungen gestorben. Seitdem leben wir ohne medizinische Unterstützung, einfach so."

    In diesen Tagen, vom 30. Juli bis zum 2. August 2010, vergewaltigten die Rebellen in Luvungi und den umliegenden Dörfern rund 270 Frauen und Mädchen. Das jüngste Opfer war gerade einmal zwei Jahre alt, das älteste 79.

    Die ruandische Hutu-Miliz "Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas" – kurz: FDLR ist die brutalste Miliz im Ostkongo. Bis heute begehen die Rebellen fast täglich grausame Übergriffe und Massaker an der kongolesischen Bevölkerung. Unter deren Kommandeuren sind viele Täter des Völkermordes in Ruanda 1994 – Angehörige der ehemaligen ruandischen Armee, die damals den Genozid an den Tutsi mit beging. Fast eine Million Tutsi wurden 1994 in Ruanda ermordet, bis die Tutsi-Befreiungsarmee unter der Führung des heutigen Präsidenten Paul Kagame Ruanda eroberte und die Hutu-Milizen und die Armee vertrieb. Die Täter flohen in den Ostkongo, wo sie sich neu formierten.

    Heute herrscht in Ruanda Frieden. Doch im Kongo wüten die Täter weiter – in der Miliz FDLR. Im Dschungel, nahe der Grenze zu Ruanda, haben sie einen Staat im Staat errichtet. Auf einem Hügel – rund 40 Kilometer Luftlinie vom Dorf Luvungi entfernt - liegt ihr Hauptquartier. Von hier aus regieren sie ein Territorium, das größer ist als ihr Heimatland Ruanda. Sie kontrollieren die Gold- und Coltanminen sowie die wenigen Wege, die sich in engen Kurven durch den Urwald schlängeln. Auch die matschige Straße, die durch Luvungi führt.

    Der mutmaßliche Herrscher über dieses Dschungel-Territorium befindet sich nicht im Kongo. Er lebt in Deutschland. Genauer: in Mannheim, in einem schlichten Mehrfamilienhaus: Ignace Murwanashyaka ist der gewählte Präsident der FDLR. Der Ruander ist in Deutschland als Flüchtling anerkannt. Der gepflegte Mann mit runder Brille und einem gewinnenden Lächeln hat an der Universität in Bonn studiert, dort einen Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften erhalten. Er ist mit einer Deutschen verheiratet, hat mit ihr Kinder, die er vom Kindergarten mit dem Fahrrad abholt. Sonntags besucht er regelmäßig die Gottesdienste der örtlichen Kirchengemeinde. Kurz: Er ist ein vermeintliches Musterbeispiel der Integration.

    Obwohl er seit 2007 von Interpol gesucht wurde und auf der "Schwarzen Liste" der UN stand, wollten deutsche Politiker und Staatsanwälte lange Zeit nicht so recht glauben, dass Murwanashyaka von Mannheim aus mit den FDLR-Kommandeuren im Kongo Kontakt hatte. So war es möglich, dass er jahrelang ungestört von Deutschland aus per Telefon, E-Mail und SMS den Rebellen mutmaßlich Befehle erteilen konnte.

    Nach langwierigen Ermittlungen wurde er schließlich im November 2009 verhaftet. Auch dessen Stellvertreter Straton Musoni, der in Neuffen nahe Stuttgart lebt und ebenfalls als Flüchtling anerkannt ist, sitzt seitdem hinter Gittern. Heute hat vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart der Prozess begonnen. Murwanashyaka und Musoni sind angeklagt: wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

    Es ist das erste Mal weltweit, dass sich jemand für die Verbrechen, die die FDLR im Kongo begeht, verantworten muss.

    Auf einem Hügel über Luvungi stapft Polizeikommandeur Josephat Mutayongwa durch sein provisorisch eingerichtetes Polizeicamp. Es ist ein Lager, bestehend aus ein paar Dutzend Zelten. Knapp 100 Polizisten hausen darin auf Feldbetten. Gekocht wird auf einer Feuerstelle im Schatten eines Baumes. Die kongolesischen Polizisten sind seit März hier stationiert. Sie werden von der UNO unterstützt. Die Bundesrepublik hat ihnen zwei Autos zur Verfügung gestellt, womit sie die Straße entlang patrouillieren. Es ist ein ehrgeiziger Versuch, einen Vorposten im FDLR-Territorium zu halten und von hier aus die Rebellen zurückzudrängen. Polizeikommandeur Mutayongwa hat auch Ermittlungen über die Verbrechen, die hier begangen worden sind, angestellt. Er präsentiert ein schauerliches Ergebnis:

    "Der Angriff auf Luvungi und die umliegenden Dörfer war ein interner Konflikt. Die FDLR hatte zuvor ein Bündnis mit einer lokalen Rebellengruppe geschlossen, den Mayi-Mayi unter Kommandeur Tchecka. Doch die beiden Gruppen hatten sich bei einem Streit um die Kontrolle der Goldminen überworfen. Daraufhin wollte sich die FDLR an Kommandeur Tchecka rächen. Tchecka und seine Anhänger stammen aus diesen Dörfern hier, ihre Familien leben hier. Die Frauen systematisch zu vergewaltigen, das war eine Rache an Tchecka und seinen Männern. Sie richtete sich gezielt gegen die Bevölkerung."

    Was in Luvungi geschah, das ist kein Einzelfall. Überfälle wie diese ereignen sich in den Wäldern des Kongo fast jeden Tag – seit 16 Jahren, seitdem sich die ruandische Hutu-Miliz im Dschungel neu formierte. Sie geschehen jedoch nicht willkürlich oder ad hoc. Das Beispiel Luvungi zeigt: Es ist ein systematischer, von den FDLR-Kommandeuren angeordneter und brutal ausgeführter Terror.

    Für die Massenvergewaltigungen in Luvungi können die beiden in Deutschland Angeklagten nicht belangt werden. Diese geschahen, als sie schon hinter Gittern saßen. Es geht vor Gericht insgesamt um die Frage: Kann die deutsche Generalbundesanwaltschaft nachweisen, dass Murwanashyaka und Musoni von Deutschland aus über die sogenannte Führungsverantwortung für ihre Kämpfer verfügen und damit für die Kriegsverbrechen verantwortlich sind? Um diese Kommandoverantwortung zu beweisen, sind die Aussagen der Rebellen selbst von zentraler Bedeutung.

    Ein ruandisches Lied hallt aus einer der großen Wellblechhallen. Sie stehen am Fuße der aktiven Vulkane, die den Ostkongo von Ruanda trennen, nahe der Grenze zum Kongo– auf ruandischer Seite. Rund 300 Männer hocken in der Halle auf Holzbänken. Die meisten von ihnen sind jung. Verwahrloste Gestalten – es sind entwaffnete FDLR-Rebellen.

    Die UNO hat in den vergangenen Jahren verschiedene Strategien ausprobiert, die FDLR zu entwaffnen. Flugzettel mit einer Rettungshotline wurden über dem Dschungel abgeworfen, Radiosendungen ausgestrahlt. Ziel ist es, den Kämpfern klar zu machen, dass sie ungestraft in ihre Heimat zurückkehren und dort ein normales Leben führen dürfen. Als all dies nichts half, startete die kongolesische Armee vor zwei Jahren mit Unterstützung der UNO Militäroperationen.

    Dieses Auffanglager, Mutobo genannt, ist für die ehemaligen Rebellen die erste Station in ein neues, friedliches Leben in einer Heimat, die sie vor 16 Jahren verlassen hatten. Knapp 10.000 FDLR-Kämpfer hat die UNO in den vergangenen zehn Jahren entwaffnet und in ihre Heimat Ruanda zurück gebracht. Vielen dieser Männer fällt es schwer, mit ihrer Vergangenheit abzuschließen. In Mutobo, in der Freiheit, beginnen sie, offen über die Rebellenorganisation zu sprechen, in welcher sie viele Jahre lang gedient haben - wie Oberstleutnant Dmitrie. Der 44-Jährige ist einer der höchsten Kommandeure, die bisher desertiert sind. Er war der Sekretär des Militärchefs im FDLR-Hauptquartier und kennt die Struktur der Organisation, die mit einer Art Exilregierung vergleichbar ist.

    "Die FDLR hat eine Verfassung, die die Regeln vorgibt. Die FDLR ist geteilt in einen politischen und einen militärischen Flügel. Über diesen beiden Flügeln stehen an oberster Stelle der Präsident sowie die zwei Vizepräsidenten und ein Executiv-Sekretär. Der Präsident trifft die Entscheidungen – die politischen sowie die militärischen. Das bedeutet, dass der Militärchef die militärischen Strategien vorgibt und den Präsidenten darüber informiert. Sie kommunizieren – ohne Zweifel – via Satellitentelefon."

    Ignace Murwanashyaka in Deutschland ist seit 2001 der offiziell gewählte Präsident der FDLR. Musoni ist der erste Vizepräsident. Ähnlich wie in einem Staat müssen sie sich alle fünf Jahre von Wahlmännern im Kongo im Amt bestätigen lassen. So sieht es die Verfassung vor, die Murwanashyaka 2005 eigenhändig unterschrieben hat. Sie besteht aus 74 Paragrafen, die mit sauberer Handschrift in einem Schulheft aus kariertem Papier niedergeschrieben wurden.

    Entscheidend für die Struktur der FDLR ist § 23. Dieser besagt: "Die FDLR ist eine hierarchische Organisation. Die höher stehenden Organe können die Weisungen an die untergeordneten Organe ändern oder annullieren." In § 24 sind die Aufgaben des Präsidenten festgeschrieben: "das Oberkommando der Streitkräfte wahrnehmen", sowie "nach der Beratung mit dem Widerstandskomitee den Streitkräften Befehle zu erteilen sowie diese wieder aufzuheben."

    Dass Murwanashyaka diese Aufgaben von Deutschland aus ausübte, das beweisen die Anruflisten seines Telefonanschlusses in Mannheim sowie die Verbindungslisten des Satellitentelefons, mit welchem der oberste Militärchef, Sylvestre Mudacumura, von seinem Hauptquartier im Dschungel aus kommuniziert. Diese Telefonverbindungen werden vor Gericht eine entscheidende Rolle spielen.

    Im März 2009 fing die UNO einen Funkspruch ab, den General Mudacumura vom Hauptquartier aus an seine Bataillone im Feld sendete. Dieser lautete: "Die Bevölkerung angreifen, um eine humanitäre Katastrophe zu verursachen". Seit diesem Befehl ereignen sich im Dschungel regelmäßig Massaker, brutale Überfälle und systematische Vergewaltigungen. So auch in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai 2009, als rund 1500 Häuser im Dorf Busurungi in Flammen aufgingen. Knapp 100 Menschen wurden brutal getötet. Busurungi ist eine Siedlung zwischen vier Hügeln. Es liegt 60 Kilometer südöstlich von Luvungi, tief im FDLR-Territorium. Satellitenaufnahmen vor und nach dem Angriff lassen erkennen: Dort, wo einst Umrisse von Hütten zu erkennen waren, befindet sich nun verbrannte Erde. Mit dem Befehl für dieses Massaker wird sich das Gericht intensiv beschäftigen.

    Einem der Täter von Busurungi ist es gelungen, seinem Kommando zu entkommen. Er befindet sich jetzt im Auffanglager in Mutobo. Unterleutnant Nkindi kann sich noch genau an den Befehl erinnern.

    "Uns wurde befohlen, die Häuser anzuzünden. Die Strategie bezweckt drei Dinge: Erstens, die Bevölkerung zu zwingen, die Häuser zu verlassen, um die Soldaten zu isolieren, die bei den Leuten wohnen. Zweitens: Den Soldaten keine Verstecke zu bieten. Drittens: So viele Menschen wie möglich zu Flüchtlingen zu machen – damit die Menschen die Soldaten nicht mehr unterstützen. Das ist unsere allgemeine Strategie, dieser Befehl kam von oben und wurde an mich weiter gegeben. Ich war nur ein einfacher Soldat, der ihn ausführte."

    Die Telefon-Loglisten legen nahe, dass dieser Befehl von Murwanashyaka aus Deutschland kam – oder er zumindest über den Angriff informiert war. Am 9. Mai, am Tag vor dem Angriff auf Busurungi, erhielt Murwanashyaka vier Textnachrichten von General Mudacumura aus dem Hauptquartier. Er antwortet auf die letzte, am Spätnachmittag, um kurz nach 16 Uhr. Die nächste folgt am 11. Mai, als die Hütten in Busurungi nur noch Asche sind. Was in jener Nacht in Busurungi geschah, berichtet Unterleutnant Nkindi.

    "Es war in der Nacht auf den 10. Mai, gegen zwei Uhr, als wir angriffen. Den Befehl hatten wir bei der Einsatzbesprechung am Nachmittag erhalten. Diese fand gegen 14 Uhr statt und war gegen 16 Uhr zu Ende. Dann bekamen wir den Befehl, in Richtung Busurungi zu marschieren. Gegen zwei Uhr griffen wir alle vier Hügel des Dorfes gleichzeitig an. Als ich mit meiner Einheit den Hügel erobert hatte, marschierten wir in die Mitte des Dorfes, dort stand unser Einsatzleiter Sirius. Auf dem Weg dorthin haben wir alle Häuser in Brand gesteckt. Ich habe viele Leichen gesehen. Leute, die in den Häusern verbrannt sind und auch welche vor den Häusern. Alle Häuser sind abgebrannt."

    Für die Toten fühlt sich Unterleutnant Nkindi nicht verantwortlich. Er sagt, er sei nur ein einfacher Befehlsempfänger. Die FDLR hat eine strikte Befehlskette, welcher sich alle fügen müssen. Der Einsatzleiter, der in der Mitte des Dorfes stand und die Befehle gab, hört auf den Namen Sirius, er ist vom Rang her Oberstleutnant. Dieser erhält die Befehle von Oberst Kalume, dem Chef der Reservebrigade, die in der Region rund um das FDLR-Hauptquartier stationiert und auch für Busurungi zuständig ist. Oberst Kalume erhält die Befehle wiederum direkt von General Mudacumura, der am Tag vor und nach dem Massaker mit FDLR-Chef mit Murwanashyaka kommuniziert hatte. Ob dieser Befehl also aus Deutschland kam – dies gilt es nun vor Gericht zu beweisen.

    Auch die Rekrutierung von Kindern und Jugendlichen sowie deren Ausbildung zu Kämpfern wird ihnen vorgeworfen. Denn vor Gericht – vor allem wenn die FDLR-Kämpfer selbst aussagen – darf man nicht vergessen: Auch das, was die Kommandeure ihren eigenen Männern antun, ist ein Kriegsverbrechen.

    Unterleutnant Nkindi war als Jugendlicher zwangsrekrutiert worden. Später durchlief er im FDLR-Hauptquartier eine ein-einhalbjährige Offiziersausbildung. Heute ist er 32 Jahre alt. Fast sein halbes Leben lang hat er in der Miliz gedient. Er hat eine ruandische Frau und eine zweijährige Tochter, die mit ihm im Dschungel lebten. Doch er will seiner Tochter eine Schulausbildung ermöglichen, deswegen sei er geflohen. Auf die Frage, warum er sich erst jetzt dazu entschlossen hat, die FDLR zu verlassen, kann er nur müde lächeln.

    "In der FDLR zu dienen, das habe ich niemals freiwillig getan. Die Geschichte hat mich dazu verurteilt. Und es ist schließlich auch die Geschichte, die mich nun befreit hat. Ich habe während der letzten verlorenen Attacken beschlossen, zu fliehen. Ich will über mein Schicksal und den Rest meines Lebens selbst bestimmen. Aber das ist gefährlich. Wer sich einem Befehl widersetzt oder wer gar desertiert, der riskiert sein Leben. Man wird geköpft. Deswegen muss man die Flucht sorgfältig planen."

    Wie Nkindi, sind seit der Verhaftung der Rebellenchefs in Deutschland fast 1600 Kämpfer geflohen – so viele wie noch nie zuvor in solch kurzer Zeit. Entscheidend ist jedoch, dass zunehmend hohe Kommandeure desertieren, wie Oberstleutnant Dmitrie. Die Verhaftungen von Murwanashyaka sei der Anfang vom Ende der FDLR gewesen, sagt er.

    "Er war als Person für die einfachen Kämpfer sehr wichtig. Denn sie wussten, dass er die FDLR in Europa repräsentierte. Nicht alle Kämpfer kennen ihn persönlich, aber sie kennen seinen Namen. Ich habe seine Bekanntschaft gemacht, als er 2006 in den Kongo kam. Er spricht wenig. Er ist charismatisch und wird von allen respektiert. Damals waren wir sehr glücklich, dass er aus Europa anreist, um uns zu besuchen. Das hat die Moral der Kämpfer sehr gestärkt. Er war ja derjenige, der uns in der Welt vertrat. Seine Verhaftung hat nun die Moral zunichtegemacht."

    Als Dmitrie im Radio von der Verhaftung erfuhr, entschied er sich zu desertieren. Es war eine waghalsige Flucht, die er über ein Jahr lang vorbereiten musste. In diesem Jahr hat Dmitrie mit angesehen, wie die Führungsstruktur kollabierte. Als im Oktober 2010 Exekutivsekretär Callixte Mbarushima in Paris verhaftet und an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag überstellt wurde, brach schließlich die Repräsentanz in Europa endgültig zusammen.
    Die Verhaftungen haben auch die Wirkung auf die FDLR-Struktur im Kongo nicht verfehlt. Im Januar traf sich im Hauptquartier das Direktorenkomitee bestehend 30 Wahlmännern. Diese entschieden: Präsident Murwanashyaka wird vorübergehend durch Gaston Iyamuremiye ersetzt. Dieser war zuvor der zweite Vizepräsident. Doch er hat nun das Amt nur übergangsweise inne. Denn man glaubt, dass Ignace Murwanashyaka vor Gericht in Deutschland als unschuldig befunden wird. Die Männer sind überzeugt, dass der charismatische Rebellenchef bald wieder freikommt.

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