Sonja Karadzic trägt rot gefärbte, hochtoupierte Haare, sie ist stark geschminkt, viel Gold, per Lippenstift vergrößerte Lippen, hochhackige Schuhe, seriöses Kostüm - der erste Eindruck: Eine Wahrsagerin. Wir treffen Sonja Karadzic im Büro der SDS - der Partei, die auch ihr Vater geprägt hat. Die Ärztin ist Abgeordnete im Parlament der serbisch-bosnischen Teilrepublik. Gibt es ein Vermächtnis, das sie in Ehren hält?
"Das Wichtigste für die SDS und warum sie Anfang der 1990er Jahre zu einer Volksbewegung waren Schutz und Frieden für die Serben in diesem Gebiet. Im Wesentlichen gilt das noch heute. Niemand hat die Dinge geplant, die später geschehen sind."
"Man kann uns nicht dafür verantwortlich machen"
In ihrem Partei-Büro erinnert nur eine Uhr mit seinem Konterfei an Rado van Karadzic, der derzeit in Den Haag als Kriegsverbrecher angeklagt ist. Dieses Jahr wird ein Urteil erwartet. Die Uhr trägt eine kyrillische Aufschrift: "Die Zeit wird kommen". Sie steht still. Sonja Karadzic war während des Krieges die Sprecherin ihres Vaters, des Präsidenten der bosnischen Serbenrepublik. Sie betrieb auch einen Propaganda-Sender. Und bis heute ist sie die Stimme ihres Vaters. Reue? Keine Spur.
"Sehen Sie, meinen Vater und mich erschüttert all das, was passiert ist: Aber man kann uns nicht dafür verantwortlich machen. Kein Einzelner eines Volkes kann die Schuld tragen. Wir haben uns solche Pläne nicht ausgedacht. Politisch konnten wir nicht als Einzelpersonen agieren."
Dabei war ihr Vater Präsident der bosnischen Serbenrepublik und damit auch Oberbefehlshaber, wie die Anklageschrift vermerkt. Radovan Karadzic hat in Den Haag getönt, für seine angeblichen Verdienste müsse man ihm sogar einen Preis verleihen. Seine Tochter glaubt, das Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag sei ein Werkzeug der NATO - das Massaker von Srebrenica eine Inszenierung. Im ARD-Interview sagt die 48-jährige Mutter von zwei Söhnen.
"Aufgrund der Beweise, die während des Prozesses vorgelegt wurden, bin ich mir dessen sicher. Sie wissen, dass Bill Clinton dem verstorbenen Alija Izetbegovic 1993 ein Angebot machte: Er solle 5.000 Muslime in Srebrenica opfern, damit sie einen Grund haben die Serben zu bombardieren. Was in Srebrenica passiert ist, kann man nicht Völkermord nennen. Es passt nicht zu den Kriterien."
Das UN-Kriegsverbrechertribunal sah das anders.
Ich konfrontiere Sonja Karadzic mit einem Video, das die Erschießung von sechs jungen Bosniern aus Srebrenica bei Trnovo zeigt, einer Kleinstadt in der Nähe der bosnischen Hauptstadt Sarajevo. Die Täter selbst - Angehöriger serbischer Paramilitärs, Skorpione, haben es im Juli 1995 aufgenommen. Vier der Täter sind mittlerweile von einem serbischen Gericht wegen der Morde verurteilt worden. Das Video hat vor zehn Jahren die serbische Öffentlichkeit erschüttert. Auch Sonja Karadzic ist es unangenehm. Sie räumt ein, dass es ein Verbrechen zeigt. Aber.
"Warum haben die Skorpione so gehandelt ? Wenn sie vom Oberkommando der bosnischen Serben - von einer höheren politischen oder militärischen Instanz - befehligt worden wären, dann hätten sie nicht diese abgelegenen Wege genommen, den LKW versteckt, und diese Menschen anschließend am Ende der Welt getötet. Ich glaube, das ist ein Einzelfall, für den die Gruppe selbst verantwortlich ist - und sich verantworten soll."