Die Karawane der Trauer mit Fidel Castros Urne hat auf ihrer Fahrt quer durch das Land eine neue Station erreicht. Das Staatsradio überträgt live. Riesige Boxentürme im Cespedes-Park in Santiago de Cuba, dem letzten Ziel der Reise, stellen sicher, dass alle hören können, wie groß Begeisterung und Anteilnahme anderswo sind. Die hier sonst üblichen Salsaklänge fehlen in diesen Tagen der Staatstrauer. Musik und Alkohol sind verboten. Touristen und Einheimische betrachten die in der Mitte des Parks aufgestellten Fotos, die den Revolutionsführer in allen Etappen seines langen Lebens zeigen. An diesem Ort verkündete Castro einst den Sieg der Revolution. Heute kommen junge Kubaner hierher, um mit Freunden und Verwandten im Ausland zu chatten, weil es in dem Park im Stadtzentrum das seltene drahtlose Internet gibt.
Der Jurist Astrubal und seine Freunde sind bester Laune. Sie haben sich um ein Tablet geschart und sprechen mit einem, der Kuba und seiner Revolution den Rücken gekehrt hat und jetzt in den USA lebt. Die Internetverbindung kostet zwei Dollar pro Stunde. Astrubal kann sich das nur leisten, weil er den Staatsdienst an den Nagel gehängt hat und jetzt selbständig im Devisen bringenden Tourismus arbeitet.
"Ich glaube, nach dem Tod Fidels wird ein langsamer Übergangsprozess beginnen. Das System wird aber bestehen bleiben. Wir bleiben sozialistisch. Wirtschaftlich werden wir uns öffnen – so ähnlich wie China. Unser wichtigster Partner, Venezuela, steckt in der Krise, deshalb müssen wir uns einen neuen Paten suchen. Das werden die USA sein – auch mit Donald Trump als Präsident. Mit ihm werden die Veränderungen vielleicht nicht angenehm und ein bisschen schmerzhaft ablaufen, aber mit ihm wird es wenigstens schnell gehen."
"Alle trauern. Fidel war für uns sehr wichtig"
Die meisten Kubaner wünschten sich wirtschaftliche Öffnung. Die sei jetzt möglich, weil Fidel Castro nicht mehr auf der Bremse des Reformprozesses stehe. Astrubal ist einer der wenigen in Santiago, die sich in diesen Tagen trauen, offen mit ausländischen Journalisten zu sprechen. Die Stadt im Osten der Karibikinsel gilt als Wiege der Revolution: Hier unternahm Fidel Castro am 26. Juli 1953 mit dem Überfall auf die Moncada-Kaserne den ersten Versuch, die Diktatur zu stürzen. Viele Einwohner haben deshalb eine Armbinde mit dem Datum angelegt, auch Juan Enamorado Cruz. Der 62-Jährige sitzt mit traurigem Gesicht unter einem schattenspendenen Baum vor dem historischen Gebäude der Kaserne, die Fidel Castro nach dem Sieg der Revolution in eine Schule umwandelte.
"Alle trauern. Fidel war für uns sehr wichtig. Nur seinetwegen haben wir heute, was wir haben: Schulen und Gesundheitsversorgung. Ich hätte nicht studieren können, wenn es Fidel nicht gegeben hätte. Dank Fidel bin ich ein freier Mann. Auch ohne ihn geht die Revolution weiter. Sehen sie die Kinder hier: Sie machen weiter. Wir haben alle für die Revolution unterschrieben."
In Kondolenzbüchern unterschreiben die Menschen im ganzen Land für die Ideale der Revolution. Die kommunistische Partei hat das Erbe Fidel Castros definiert und beschwört in diesen Tagen die Einheit des Volkes. Wie vereint es ist, wird es nach Ankunft des Trauerzuges in Santiago noch ein letztes Mal zeigen: Am Abend findet ähnlich wie in der Hauptstadt Havanna eine Massenkundgebung statt. Die Beisetzungszeremonie auf dem Friedhof Ifigenia ist dagegen einem kleinen Kreis vorbehalten.
"Er hat in der ganzen Welt das Bild Kubas geprägt"
Astrubal und seine Freunde wollen auf jeden Fall an den Abschiedsfeierlichkeiten teilnehmen. Denn bei aller Kritik: Niemand sei so wichtig für die kubanische Geschichte gewesen wie Fidel Castro.
"Er hat in der ganzen Welt das Bild Kubas geprägt. Fidel Castro war Kuba. Nach seinem Tod brauchen wir eigentlich neue Figuren wie ihn. Aber die gibt es nicht. Wir haben viele Chefs, aber keinen mit den Führungsqualitäten Fidel Castros."