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Massensterben bei Fledermäusen
Dem Weißnasen-Syndrom auf der Spur

Das sogenannte Weißnasen-Syndrom hat in den USA seit 2006 bis zu sieben Millionen Fledermäusen den Tod gebracht. Allerdings nur in Nordamerika, und nicht in Europa, wo der Erreger der Krankheit, ein bestimmter Pilz, ebenfalls vorkommt. Eine neue Studie will dem auf den Grund gehen: Warum sterben Fledermäuse in Nordamerika am Weißnasen-Syndrom, in Europa aber nicht?

Von Jochen Steiner |
    Eine Mittelmeer-Hufeisennase (Rhinolophus euryale) im Flug
    Mittelmeer-Hufeisennase (Rhinolophus euryale) im Flug (imago / imagebroker )
    "Ich beschäftige mich seit 2007 mit Fledermäusen. Genauer gesagt mit Krankheiten, die von diesen auf den Menschen übertragen werden können, wie zum Beispiel Ebola. Unter anderem forsche ich auch zum Weißnasen-Syndrom, in meiner aktuellen Veröffentlichung geht es genau darum."
    David Hayman von der Massey University in Neuseeland ist Tierarzt. Er hat schon viele Fledermäuse untersucht, die dem Weißnasen-Syndrom zum Opfer gefallen sind. Die Krankheit wird durch den Pilz Pseudogymnoascus destructans ausgelöst, der kühle Temperaturen liebt.
    "Wenn man an Pilzinfektionen bei Tieren denkt, dann geht man davon aus, dass der Pilz nur auf der Haut wächst. Aber bei Fledermäusen dringt er auch in die Tiere ein, wenn sie Winterschlaf halten. Ihre Kernkörpertemperatur kann dann bis auf zwei oder drei Grad Celsius fallen, das sind ideale Bedingungen für den Pilz. Auf der Haut der Tiere löst er so etwas ähnliches wie Verbrennungen aus, der Wasserhaushalt gerät durcheinander und die Fledermäuse verbrauchen ihre Energie schneller."
    Die Fledermäuse verhungern
    Die Krankheit trat erstmals 2006 in einer Höhle im US-Bundesstaat New York auf, in der Fledermäuse überwinterten. Vermutlich wurde der Pilz aus Europa eingeschleppt, wo er schon seit längerer Zeit ebenfalls vorkommt, dort aber bei den Fledermäusen nicht zum Tod führt. In Nordamerika allerdings sind bislang am Weißnasen-Syndrom schätzungsweise fünf bis sieben Millionen Tiere gestorben.
    "Der Pilz bewirkt außerdem, dass Fledermäuse öfters während des Winterschlafs aufwachen. Sie müssen dann ihre Körpertemperatur von zwei oder drei Grad auf etwa 37 Grad Celsius hochfahren. Das verbraucht eine Menge Energie."
    Im Winter können sie die Energiespeicher nicht mit Insekten-Nahrung auffüllen - die Fledermäuse verhungern. Bei manchen Arten kommt es regelrecht zu Massensterben, aber nicht alle Arten sind gleichermaßen betroffen. David Hayman und seine Kollegen wollten herausfinden, warum das so ist. Und vor allem, warum Fledermäuse in Europa nicht daran sterben. Die Forscher haben ein mathematisches Modell entwickelt, welches das Pilzwachstum bei unterschiedlichen Temperaturen und Feuchtigkeit in den Überwinterungsquartieren berücksichtigt. Sie fütterten ihr Modell mit Daten von zwei amerikanischen und zwei europäischen Arten.
    "Die Fledermäuse in Europa, die trotz des Pilzes überleben, überwintern an Orten, wo der Winter nicht so lang ist wie in den USA. Sie nutzen außerdem Winterquartiere, die nicht so feucht sind."
    Nordamerikanische Fledermäuse sind im Nachteil
    Pseudogymnoascus destructans bevorzugt nicht nur kühle, sondern auch recht feuchte Lebensräume. Außerdem konnten David Hayman und sein Team zeigen, dass größere Fledermausarten Überlebensvorteile haben, weil sie von ihren Energiereserven länger zehren können als kleine Spezies. Die nordamerikanischen Fledermäuse sind klar im Nachteil: Sie kamen erst vor wenigen Jahren mit dem Pilz in Berührung, in Europa konnten sich die Fledermäuse wohl im Lauf der Evolution mit dem Krankheitserreger arrangieren.
    "Die amerikanischen Fledermausarten haben sich mit der Zeit an die feuchten Bedingungen während dieser langen Winter angepasst. Das war für sie vollkommen in Ordnung, denn es gab dort noch keine Pilze. Dann kam der Pilz und es waren genau diese Bedingungen, die der Krankheitserreger auch benötigt, und das führte bei manchen Arten zu diesen hohen Todesraten."
    Die Wissenschaftler wollen ihr Modell jetzt einsetzen, um für den Westen der USA vorherzusagen, wo der Pilz noch nicht aufgetreten ist, welche Arten wie stark betroffen sein werden. So bleibt vielleicht noch Zeit, sie zu schützen.