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Maßgeschneidertes Licht

Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert der Elektronik. Doch für manche Forscher scheint klar: Das 21. Jahrhundert wird das Jahrhundert des Lichts. Und die Physiker tüfteln an immer neuen Ideen: superschnelle Glasfasern, winzige Optik-Schalter, abhörsichere Datentransfers. Einige träumen sogar von Computerchips, die mit Licht funktionieren statt wie heute mit Elektronen.

Von Frank Grotelüschen |
    Parkbänke vor einem Springbrunnen. Mittagszeit, hier und dort sitzen Leute. Gemächlich kauen sie ihr Essen, schauen versonnen in die Fontäne oder geben sich einem flüchtigen Nickerchen hin. Es ist Ende März, es riecht nach Frühling. Überall wuchert das Grün, drängen sich die Blüten exotischer Blumen ins Auge. Ein Campus wie ein Palmengarten.

    Wir sind in Pasadena, einer der besseren Vorstädte von Los Angeles, auf dem Gelände des California Institute of Technology. Das Caltech, wie es genannt wird, zählt zu den Eliteunis der USA. Die Umgebung ist paradiesisch, die Bedingungen sind es auch. Kaum mehr als 2000 Studenten, dennoch hat das Caltech im Laufe der Zeit 30 Nobelpreisträger hervorgebracht. Eine Kaderschmiede für Spitzenforscher.

    "Ich bin am Anfang von einer langen Reise."

    Axel Scherer, Physikprofessor am Caltech. Staatsangehörigkeit deutsch, doch seit den Achtzigern, seit dem Studium, lebt und arbeitet er in den USA. Ein Zwei-Meter-Mann mit einer Vision.

    "Die Idee ist, dass man das Licht beherrschen kann. Also bündeln kann, sortieren kann. Und das innerhalb von sehr kleinen Strukturen machen kann. Die Idee natürlich ist, dass man sie effizient auf Chips bauen kann. Und dass diese Chips dann benutzt werden für Telekommunikation, Datenverarbeitung und Sensorik, für Analysen."

    Längst schon dient Licht nicht mehr nur zur Beleuchtung, damit aus dunkel hell wird. Heute nutzt man Licht für Sensoren – etwa im Scanner an der Supermarktkasse. Oder als Werkzeug in der Industrie – zum Beispiel beim Laserschweißen. Und mehr und mehr auch zur Übertragung und Speicherung von Daten – im CD-Laufwerk und in der Glasfaserkommunikation für Telefon und Internet. Doch Forscher wie Axel Scherer tüfteln in ihren Labors an einer neuen Idee: einem Mikrochip, der nicht mit Elektronen funktioniert wie heute, sondern mit Licht.

    "Der Anfang ist jetzt da. Die Optik kommt jetzt auf die Elektronikchips. Das passiert. Die Idee ist natürlich, dass wir einen Schritt weiter gehen und die Elektronik ersetzen können."

    Photonik, so nennt sich der Forschungszweig, abgeleitet von Photos, dem griechischen Wort für Licht.

    " Das 21. Jahrhundert wird mit Sicherheit das Jahrhundert des Photons."

    Wolfgang Sandner, Physiker am Max-Born-Institut in Berlin. Die Photonik basiert auf einer rasanten Entwicklung der letzten Jahre: Laser werden immer besser, immer präziser und leistungsfähiger.

    "Licht hat seit etwa 40 Jahren eine völlig neue Qualität bekommen. Eigentlich geht das sogar zurück auf Einstein, der 1916 vorhergesagt hat, dass man so genanntes kohärentes Licht erzeugen kann. Das heißt nichts anderes, dass man zum ersten Mal in der Geschichte die Lichtwellen in Gleichtakt zueinander bringen kann. Das gelingt einem seit 1960, als der Laser erstmals aufkam."

    Gewöhnliches Licht, das Licht der Sonne oder einer Glühbirne, schwingt nicht im Gleichtakt: Jede einzelne Lichtwelle breitet sich unabhängig von den anderen aus. Dagegen schwingen beim Laser sämtliche Lichtwellen unisono und lassen sich bündeln zu einem dünnen Strahl. Ein Strahl, der sehr, sehr intensiv sein kann.
    "Laserlicht kann Leistungen von Millionen von Milliarden Watt erreichen. Oder wenn Sie’s in Pferdestärken ausgedrückt haben wollen: Sie müssten die gesamte Bundesrepublik Meter für Meter mit Pferden zustellen, um die gleiche Leistung zu erreichen, wie wir sie heutzutage in einem sehr kurzen Lichtpuls freisetzen könnten."

    Starke Laser schweißen heute Autos und Flugzeuge zusammen. Bei Kommunikation und Datenübertragung dagegen kommt es weniger auf Power an als auf äußerste Präzision. Doch auch das kann der Laser: Sein gebündelter Strahl kann feinste Strukturen abtasten, zum Beispiel die Pits, die mikrometerkleinen Vertiefungen auf einer CD. Außerdem kann man einem Laserstrahl digitale Informationen aufprägen und anschließend durch eine Glasfaser über Hunderte von Kilometern transportieren. Der Vorteil: Licht ist schnell, rund 300.000 Kilometer pro Sekunde. Und:

    "Die Photonen, die Lichtteilchen, können Sie unendlich dicht packen, ohne dass sie sich gegenseitig abstoßen oder sonst wie gegenseitig beeinflussen. Und sie können auch mit optischen Methoden viel schnellere Taktzyklen realisieren, als Sie dass wahrscheinlich jemals mit Elektronen können werden."

    Die Vision: ein ultraschneller Computerchip, der mit Licht funktioniert statt wie derzeit mit Elektronen. Denn wenn sich heute die Elektronen in einem Siliziumchip hin- und herbewegen, machen sie den Prozessor heiß und begrenzen seine Leistung, sagt Wolfgang Sandner.

    "Deswegen ist ein heutiges Notebook im Wesentlichen ein Kühlaggregat mit dahinter geschaltetem Chip. Da kann man hoffen, dass das mit Photonen nicht so der Fall sein wird."

    Das Ziel: Ein Computer auf Lichtbasis, um ein Vielfaches schneller als der PC von heute. Dafür aber muss man Licht maßschneidern können. Man muss es umlenken, bündeln, umwandeln, filtern – und das alles auf engstem Raum. Bislang aber braucht es dafür ganze Tische mit diversen Lasern und mit Hunderten von Spiegeln, Blenden und Linsen. Das alles soll künftig auf einem winzigen Chip Platz finden. Grundlage dafür könnten Gebilde sein, die die Experten als photonische Kristalle bezeichnen.

    "Photonische Kristalle sind zunächst mal ganz einfach sich vorzustellen."

    Oliver Benson, Physiker an der Humboldt-Universität in Berlin.

    "Man hat ein Material, in dem sich Licht ausbreiten kann. Man bohrt zum Beispiel eine Reihe von Löchern hinein. Und so ähnlich wie den Elektronen, die sich in einem Kristall bewegen, geht’s dem Licht: Das muss sich an diesen Löchern vorbei bewegen. Und aufgrund der Welleneigenschaften des Lichtes gibt’s Bereiche, wo sich das Licht nicht mehr bewegen kann aufgrund dieser vielen Löcher."

    Es sind Zigtausende, ja Millionen von Löchern. Sie sind so regelmäßig angeordnet wie die Bäume einer Obstplantage. Ihr Abstand ist in etwa so groß wie die Wellenlänge des Lichtes – zum Beispiel 500 Nanometer. Die Folge: Das Licht kann sich nicht frei durchs Material bewegen, sondern wird vom Löcherwald gebeugt, beeinflusst, manipuliert.

    "Das Licht kann dann, wenn man das geschickt anstellt, auf sehr kleinem Raum um die Ecke gelenkt werden. Heutzutage hat man ja Lichtleitung in Fasern. Aber mit Hilfe dieser photonischen Kristalle ist es denkbar, Licht auf sehr viel kleinerem Raum hin- und herzubewegen, einzusperren. Und das ist auch gerade für die Miniaturisierung interessant."

    Aus diesen photonischen Kristallen wollen die Forscher zunächst mal optische Bauteile für die Glasfaserkommunikation bauen, die deutlich kleiner und damit schneller sind als die gängigen Komponenten. Nur: Die Umsetzung in die Praxis erweist sich als knifflig. Es ist nicht einfach, die photonischen Kristalle mit hinlänglicher Präzision zu fertigen. Recht ordentlich funktioniert das schon bei den zweidimensionalen photonischen Kristallen. So nennt man Schichten, in denen sich das Licht innerhalb einer Ebene bewegt.

    Mehr Möglichkeiten würden dreidimensionale photonische Kristalle bieten. In ihnen könnte sich das Licht in allen Raumrichtungen bewegen, nicht bloß in der Ebene. Doch die Herstellung dieser 3D-Kristalle ist aufwändig. Entweder setzen sie die Forscher Schicht für Schicht zusammen. Aber das ist mühevoll und taugt nur, um Prototypen fürs Labor zu fertigen. Oder sie bestrahlen ein Material aus mehreren Richtungen mit Laserstrahlen. Dort, wo sich die Strahlen im Material treffen, brennen sie in regelmäßigen Abständen winzige Poren hinein. Zwar machen die Physiker dabei stetig Fortschritte. Aber Oliver Benson kann sich auch noch eine andere, letztlich viel simplere Methode vorstellen.

    "Man versucht jetzt, auch eine andere Richtung zu machen und Selbstorganisation auszunutzen. Zum Beispiel dass man sehr viele kleine Kügelchen in einer Lösung nimmt, die Lösung entfernt. Und dann ordnen sich in einem regelmäßigen Kristall an. Und das kann man dann als erste Form für photonische Kristalle nehmen."

    "Die Idee ist, dass man das Licht beherrschen kann. Das Jahrhundert des Photons. Der Anfang ist jetzt da."

    "Caltech ist eine sehr schöne Arbeitsumgebung. Sehr wenig Bürokratie, viele Möglichkeiten: viel Material und Maschinen. Und auch sehr viele nette und interessierte Leute."

    Zurück ans Caltech nach Pasadena. Wir sind im Sloan Annex, einem unscheinbaren Gebäude am Rand des Campus. Jeremy Witzens ist ein junger Physiker, wie sein Chef Axel Scherer mit ziemlich buntem Lebenslauf.

    "Ich bin Doktorand – und kurz davor fertig zu werden. Ich bin Deutscher. Ich bin in Frankreich aufgewachsen und habe in Frankreich auch studiert. Aber meine Eltern sind deutsch."

    Mit den Methoden der Nanotechnologie versucht er, photonische Kristalle zu entwickeln – und damit die Grundlage für Mikrochips, die mit Licht funktionieren. Im Sloan Annex hat Jeremy sein Büro. Die Labors jedoch sind über den ganzen Campus verteilt. Jeremy nimmt’s mit Humor.

    "Das ist das Schöne: Wir kriegen immer sehr viel Sport, weil unsere Labors an den zwei Extremen des Campus liegen. Da kann man immer dreimal pro Tag rüber rennen. Bei so einem Wetter ein Vergnügen. Mein Büro ist im Untergeschoss. Da freu ich mich über jeden Sonnenstrahl."

    Uügig steuern wir die erste Station an: das Labor für die Lithografie. Lithografie – das ist eine komplexe Belichtungstechnik, mit der man winzig kleine Strukturen in eine spiegelglatte Siliziumscheibe quasi hineinritzen kann.

    "Die Lithografiesysteme sind oft im Untergeschoss wegen Vibrationsisolation. Sodass wenn die Wände Vibrationen übertragen, die Maschinen davon isoliert sind. Was halt sehr wichtig ist bei diesen sehr kleinen Strukturen, die wir herstellen."

    Was ist mit Erdbeben, in dieser Gegend ja nicht gerade selten? Jeremy Witzens winkt ab. Ja, die kämen schon mal vor – aber nicht so oft, als dass sie bei der Arbeit stören würde. Dann haben wir den Eingang zum Labor erreicht.

    "#Das ist jetzt ein Reinraum. Deshalb haben wir ein bisschen Vorrichtungen, was Sauberkeit angeht."

    Wir müssen uns anziehen wie die Chirurgen vor einer Operation.

    "Das hier kommt auf dem Kopf. Hier ist der Raum, wo wir uns umkleiden, diese Anzüge anziehen. Dann werden eine Art Stiefel über die Schuhe gezogen. Und dann werden noch Handschuhe über die Hände gezogen. Weil Menschen sind halt das Dreckigste, was in diesen Raum reinkommt."

    Filter und Lüftung reinigen die Luft so gründlich, dass sie pro Kubikmeter höchstens noch zehn Staubpartikel enthält. Zum Vergleich: Gewöhnliche Raumluft enthält weit über 100.000 Partikel.

    "Jetzt ist Jeremy fertig mit Umziehen. Er sieht aus wie ein Mittelding aus Arzt und Astronaut. Bequem ist das nicht. Wie lange muss er es für gewöhnlich in der Montur aushalten?"

    "Oh – fünf Stunden. In den Dingern staut sich ganz schön Wärme auf. Zum Glück ist das kühl drin. "

    In der Tat: Als wir in den Reinraum kommen, ist es ziemlich frisch. Die Klimaanlage hält die Temperatur extrem stabil. Das soll garantieren, dass sich die komplexe Feinmechanik in der Maschine vor uns nicht verstellt. Diese Maschine ist das Schreibgerät – ein weißer Klotz, aus dem eine mannshohe Edelstahlsäule ragt. In der Säule herrscht ein Vakuum wie im Weltraum. Und in diesem Vakuum steckt ein Siliziumchip, beschichtet mit einem Speziallack, einem Fotolack, wie Jeremy ihn nennt.

    "In dem Schreibgerät wird ein Elektronenstrahl über den Chip gescannt. Und während des Scannings wird der Strahl an- und ausgeschaltet, um besondere Strukturen zu malen. So wie bei einem Fernseher, wo auch der Strahl den gesamten Bildschirm abrastert."

    Der Strahl wird vom Computer gesteuert. Zeile für Zeile belichtet er den Fotolack, nach und nach schreibt er ein vorprogrammiertes Muster hinein: Er stanzt Löcher für einen photonischen Kristall. Oder er zeichnet feine Siliziumkanäle und gibt damit den Weg vor, den das Licht später auf dem Chip nehmen soll. Bis zu 24 Stunden dauert die Prozedur. Anschließend wird der Lack auf dem Chip entwickelt, ganz ähnlich wie ein Fotofilm. Danach entfernen die Forscher den belichteten Lack. Nur der unbelichtete bleibt auf dem Chip. Der nächste Arbeitsschritt ist das Ätzen. Das passiert im zweiten Labor von Jeremy Witzens, am anderen Ende des Campus.

    "Hier ist es etwas lauter, weil alle diese Maschinen Pumpen haben. Daher das Hintergrundgeräusch. Das sind alles Vakuumsysteme. Die meisten dieser Systeme sind von uns selbst gebaut worden. Wir haben 1 oder 2 kommerzielle Systeme, die gekauft wurden. Aber das meiste ist zusammengebastelt. Eine Stahlkugel, die innen drin hohl ist, mit einem Vakuum. Drum herum sind mehrere Fenster, wo man reinschauen kann, und Arme, um Sachen rein und raus zu laden. Ein Haufen Kabel, die rein und raus gehen. Gasleitungen."

    Die Stahlkugel sieht aus wie ein seltsam mutierter Taucherhelm. Jeremy setzt den belichteten Chip ein, schließt die Klappe – und muss eine Weile warten, bis die Kugel von den Pumpen luftleer gesaugt ist. Jetzt kann der eigentliche Prozess starten: Etwas Argongas strömt in die Kugel und wird ionisiert, d.h. elektrisch aufgeladen. Es entstehen Argonionen, die Jeremy mit einer Art elektrischer Kanone auf den Mikrochip schießen kann.

    "Diese Ionen werden dann gebündelt, beschleunigt und als Strahl auf den Chip geleitet, wo sie ätzen."
    Ätzen – das bedeutet, dass die Argongeschosse feinste Krater in dem Mikrochip hinterlassen, ähnlich wie Asteroiden auf dem Mond. Aber – und das ist das Entscheidende – sie ätzen ausschließlich dort, wo kein Schutzlack mehr ist. Auf diese Weise entstehen auf der Chipoberfläche feinste Lochmuster oder mikrometerfeine Bahnen, Kurven und Ecken – wenn man so will ein mikroskopisches Straßennetz für Licht. Auf einen einzigen, briefmarkengroßen Chip passen 2000 bis 3000 verschiedene Strukturen, verschiedene Straßennetze. Ein Beispiel für so eine Struktur zeigt Witzens Chef Axel Scherer in seinem Büro: Es ist eine Mikroskopaufnahme, sie zeigt ganz simpel einen winzigen Kreis.

    "Wir können das Licht in einem Kreis laufen lassen, wo dieser Kreis etwa fünf Mikrometer Durchmesser hat."

    Der Kreis lässt sich als Lichtfilter nutzen. Denn es kann nur Licht in diesem mikroskopischen Kreisverkehr herumlaufen, das die passende Wellenlänge hat, die passende Farbe.

    "Das andere Licht, das nicht in den Kreis reinpasst, wird einfach weitergeleitet. Dadurch hat man einen Filter, wo eine bestimmte Wellenlänge aus dem Licht, das reinkommt, aussortiert wird. Man kann also viele Wellenlängen reinleiten durch diesen Wellenleiter, der neben diesem kreisförmigen Resonator sitzt. Und eine bestimmte Wellenlänge wird weggenommen."

    Ein Lichtsortierer, wenn man so will. Zwei Anwendungen sieht Axel Scherer für ihn: Zum einen als Gassensor: Bestimmte Gase ändern das Verhalten des Lichtkreises und damit die Farbe, die in ihm rotieren kann. Zum anderen als so genannter Modulator: Die Minikreise können so gebaut werden, dass man sie blitzschnell an- und ausschalten kann – zum Beispiel durch kurze elektronische Pulse, die die Lichtbrechung des Kreises beeinflussen. Das Entscheidende: Kreis und Steuerelektronik bestehen beide aus Silizium und können mit einem Arbeitsprozess effektiv und kostengünstig auf ein- und demselben Chip gefertigt werden.

    In einem mehrfarbigen Lichtstrahl kann so ein Lichtsortierer bestimmte Farben nach Belieben ein- und ausschalten und dadurch dem Strahl ein Signal aufprägen. Dieser neue Modulator wäre deutlich kleiner, schneller und vielleicht auch billiger als die heutigen Modulatoren, die man für die Glasfaserkommunikation braucht. Schon finden Scherers Ergebnisse ihren Weg in die Anwendung. Vor kurzem präsentierte die kalifornische Firma Luxtera den schnellsten Lichtmodulator der Welt. Er dient der Hochgeschwindigkeitsübertragung von einem Rechner zum anderen.

    "Die Neuigkeit ist, dass man aus Siliziumschaltkreisen Licht mit sehr hohen Frequenzen modulieren kann. Er hat zurzeit 10 Gigabit pro Sekunde Modulationsgeschwindigkeit – was für Silizium ein Rekord ist. Bis jetzt hat Intel 1 Gigabit pro Sekunde vorgestellt. Das ist zehnmal schneller."

    Doch die photonische Kristalle könnten noch weitere Aufgaben übernehmen: Sie sollen die Lichtsignale in einer Glasfaser verstärken, und zwar effektiver als bisher. Am Ende der Glasfaser könnten sie diese Signale empfangen und helfen, sie in elektronische Signale zu übersetzen. Und sie sollen optische Frequenzen umwandeln, sollen zum Beispiel aus blau rot machen. Nur: Mit winzigen optischen Schaltern und Leiterbahnen ist es noch nicht getan. Irgendwo muss das Licht, das man da auf engstem Raum formen und manipulieren will, ja auch herkommen. Gefragt sind Laser, winzig klein, leistungsstark und dennoch preiswert.

    "Das Problem ist jetzt noch: die Kosten von dem Laser – 10 bis 100 Dollar für einen Laser."

    Also arbeiten die Physiker mit Hochdruck an einem kleinen und zugleich billigen Laser – Nanolaser genannt.

    "Die Idee ist – dass man das Licht – beherrschen kann. Das Jahrhundert des Photons. Der Anfang – ist jetzt da."

    "Die Sonne ist hier ganz klar die Nummer 1. Wenn Sie mal vergleichen, wie’s in Deutschland aussieht an der grauen Nordseeküste, dann überlegen Sie nicht lange wo Sie hingehen."

    Stefan Strauf ist – ebenso wie Axel Scherer und Jeremy Witzens – ein deutscher Physiker, der in Kalifornien arbeitet. Seit zweieinhalb Jahren forscht er an der Universität Santa Barbara. Jetzt lässt er mit einer bemerkenswerten Erfindung aufhorchen:

    "Ein Nanolaser. Der hat Größenausdehnungen von nur einem millionstel Meter. Und trotzdem schafft er es, ganz viele Photonen sehr effizient hinauszuschicken."

    Der winzige Laserchip besteht aus einer hauchdünnen Schicht aus dem Halbleitermaterial Galliumarsenid. Diese Schicht ist mit winzigen, fünf Nanometer großen Inseln aus Indiumarsenid gespickt. Quantenpunkte – so nennt der Fachmann diese Pünktchen. In ihnen lassen sich Elektronen einsperren wie in Käfigen. Und diese eingesperrten Elektronen senden bei Energiezufuhr Licht aus. Das aber macht noch keinen fertigen Laser.

    "Die Quantenpunkte, die optisch aktive Schicht, ist wie eine Wurstscheibe in einem Brötchen genau in der Mitte eingebettet."

    Die beiden Brötchenhälften – sie bestehen aus einem extrem dünnen, einem zweidimensionalen photonischen Kristall.

    "Das ist im Wesentlichen eine sehr dünne Membran, in die sehr viele kleine Löcher reingestochen worden sind. Und ein Loch lassen wir aus. Und dort ist das Licht ganz stark auf einem kleinen Raumbereich fokussiert."

    ildlich gesprochen lenken und bündeln die Lochfolien das Licht dorthin, wo das eine Loch fehlt. Genau hier kann der Laserstrahl aus dem Chip heraustreten. Der Clou:

    "Dadurch, dass dieser Laser sich besonders auszeichnet durch sein sehr, sehr niedriges, fast verlustfreies Lasing, also ein schwellenloser Betrieb, kann man Licht mit sehr geringen Verlusten verarbeiten. Man braucht nur ganz geringe Stromdichten, um den Laser in Betrieb zu nehmen."

    Genau das macht den Laser von Stefan Strauf hochinteressant für den Einsatz auf einem optischen Chip.

    "Eines Tages möchte man mit optisch integrierten Schaltkreisen unsere alten elektronischen Schaltkreise ablösen. Und dazu sind Laser mit niedrigem Stromverbrauch sehr, sehr gut geeignet.

    Aber es gibt noch ein paar Probleme zu knacken. Bislang arbeitet der Nanolaser nur bei einer Wellenlänge von etwa 1000 Nanometern – das ist unsichtbares Infrarot. Doch auch andere Farben scheinen möglich.

    "Je nachdem, was man für ein aktives Material nimmt, kann man nicht nur den infraroten Spektralbereich, sondern auch den gesamten sichtbaren Spektralbereich abdecken. Bis hin in den blauen oder UV-Spektralbereich."

    Und da gibt es noch eine andere Schwierigkeit, die der junge Wahlkalifornier aus dem Weg zu räumen hat.

    "Die Laser selber funktionieren schon sehr gut. Allerdings in unserem Fall funktionieren sie nur bei sehr tiefen Temperaturen von ungefähr 100 Kelvin. Wir würden also flüssigen Stickstoff gebrauchen, um das Gerät zum Laufen zu bringen. Jedoch gibt es ganz klar Ideen und Ansätze, wie wir das Gerät auch so herstellen können, dass es bei Raumtemperatur funktioniert."

    Der Traum aber wäre ein Laser aus Silizium. Ihn könnte man recht einfach auf demselben Chip fertigen, auf dem auch Wellenleiter und Steuerelektronik säße. Die Hochzeit von Optik und Elektronik wäre komplett. Und in der Tat: Anfang des Jahres präsentierten Forscher von Intel immerhin den ersten primitiven Prototypen eines solchen Siliziumlasers.

    Am Caltech in Pasadena nimmt Axel Scherer ein Modell in die Hand. Ein bisschen sieht es aus wie ein Schweizer Käse – nur haben alle Löcher eine identische Form, und sie sind alle gleich weit voneinander entfernt. Es ist das vergrößerte Modell eines photonischen Kristalls. In dem echten Kristall haben die Löcher nur einen Abstand von rund 500 Nanometern. Diese löchrige, porige Struktur hat Scherer vor einiger Zeit auf eine Idee gebracht.

    "Diese Strukturen sind ideal dafür, dass man etwas infiltriert. Dass man in diese dünnen Schichten, die durchlöchert sind, Material reinfüllt in die Löcher. Dann kann man das Material analysieren."

    Die Idee: Die Forscher bauen einen Laser aus dem Schweizer Käse, aus dem photonischen Kristall. Wird dieser Laser nun zum Beispiel mit Methanol gefüllt, so spuckt er eine andere Farbe aus als wenn er mit einem anderen Material gefüllt wäre, sagen wir mit Wasser. Der Vorteil:

    "Natürlich ist diese Größe, die da analysiert wird, mit 10-17 Litern sehr, sehr klein. Das erlaubt mir also, sehr kleine Volumen zu analysieren."

    Die Hoffnung: Schon ein einzelnes Molekül könnte ausreichen, um den Laser messbar zu verstimmen oder lax ausgedrückt zu verfärben. Damit hätte man einen extrem empfindlichen Sensor zur Analyse von Flüssigkeiten. Und Axel Scherer denkt schon daran, viele dieser Sensoren auf einem einzigen Chip unterzubringen – zusammen mit lauter winzigen, mikrometerkleinen Kanülen und Ventilen. Sie sollen kleinste Mengen der zu analysierenden Flüssigkeit auf dem Chip von A nach B transportieren.

    "Dann kann man leicht 2000 oder 3000 Ventile auf einem Chip kombinieren. Das haben wir schon erreicht. Hier, das ist ein Fluidik-Chip. Da sieht man kleine Ventile. Und die erlauben uns, Pikoliter – also 10-12 Liter – von einem Platz zum anderen auf dem Chip zu verteilen."

    Das Faszinierende: Auch die winzigen Kanülen und Ventile lassen sich mit derselben Methoden herstellen wie Optik und Elektronik – mit der Lithografie, also dem gezielten Belichten einer Siliziumscheibe. Und:

    "Was wir machen können: Wir können diese Mikrofluidik-Technologie mit unserer Optik-Technologie verbinden. Wir können z.B. diese Kanäle mit einem Laserchip verbinden."

    Genau das hat Scherer nun vor: Fluidik und Optik auf einem Chip zu integrieren. Optofluidik, so nennt er das Ganze. Das Ziel sind kleine, aber leistungsfähige Laborchips für die biochemische Forschung, und später vielleicht auch Diagnosechips für Bluttests oder für Gentests in der Medizin.

    In der Elektronik ist es bereits Realität: Schaltelemente, Speicher, Leiterbahnen sind zusammengequetscht auf engstem Raum. Auf einem Prozessorchip finden sich heute mehrere Millionen Transistoren. Und was die Elektronik vorgeführt hat, will die Optik nun nachmachen, sagt Axel Scherer.

    "Wir können sie zusammen herstellen, sodass sie nebeneinander funktionieren. Wir können also mit elektronischen Strukturen die optischen Strukturen kontrollieren. Und das ist etwas, was bis jetzt noch nicht möglich war."

    Und wie könnte sie aussehen – die Roadmap in Richtung optischer Chip?

    "Am Anfang wird wahrscheinlich die Optik in die Elektronik zur Hintertüre hereinkommen. Die Idee, so wie ich mir das vorstelle, ist, dass wir am Anfang die Telekommunikation oder die Datenkommunikation benutzen, um Chips und Computer zu verbinden. Wenn sich die Kosten verringern, ist es möglich, dass man von Chip zu Chip kommunizieren kann. Und ich sehe keinen Grund, warum man das nicht machen kann. Der nächste Punkt wäre, dass man Licht innerhalb von dem Schaltkreis verteilen kann."

    Doch das dürfte noch geraume Zeit auf sich warten lassen. Was noch fehlt ist der optische Transistor, den man millionenfach auf einem Prozessorchip unterbringen könnte. Der Transistor ist die kleinste Recheneinheit auf einem Chip, er schaltet und speichert die einzelnen Bits. Optische Transistoren aber existieren bislang nur als primitive Labormuster: Zum Beispiel zielt ein roter Laserstrahl auf eine rotierende, mit Silberpartikeln beschichtete Scheibe. Das Silber speichert die Energie und gibt sie bei Bedarf an einen anderen, blauen Laserstrahl weiter, der dadurch verstärkt wird. Allerdings taugt diese Konstruktion nicht dazu, sie zu miniaturisieren und auf einen Siliziumchip zu packen. Da werden sich die Experten wohl noch etwas grundlegend Neues einfallen lassen müssen – auch Axel Scherer, der deutsche Physiker am Caltech in Pasadena.

    "Ich glaube dass das noch einige Jahre dauert. Um optische Chips zu bauen, brauchen wir noch einen wichtigen Teil. Und das ist die Speichermöglichkeit. Wir können zurzeit Licht nicht effizient speichern."

    "Aber ich glaube das ist eine Frage der Zeit. Das Wichtige zurzeit ist die Möglichkeit, dass wir endlich Optik und Elektronik auf demselben Spielfeld haben.

    Sie hörten: Maßgeschneidertes Licht. In der Photonik wittert die Fachwelt eine neue Schlüsseltechnologie. Eine Sendung von Frank Grotelüschen. Redaktion: Ralf Krauter.